Eine Rezension von Hans-Rainer John

Sozialer Aufstieg - schwer erkauft

Valerie Wilson Wesley: Auf dem Weg nach oben
Ein Fall für Tamara Hayle.
Roman.
Aus dem Amerikanischen von Gertraude Krueger.
Diogenes Verlag, Zürich 2000, 272 S.

Vom rückwärtigen Buchtitel lacht uns eine charmant und intelligent aussehende Schwarze entgegen. Das Foto zeigt Valerie Wilson Wesley (53), die Autorin. Sie hat Philosophie und Journalistik studiert, die Zeitschrift „Essence“ geleitet und vor allem die erste schwarze Privatdetektivin kreiert. Wesley hat mit ihr, Tamara Hayle, im Mittelpunkt nun schon den vierten Roman verfaßt. Tamara ist Anfang Dreißig, warmherzig und hartnäckig, hat ihrem Ehemann den Laufpaß gegeben, den Job bei der Polizei geschmissen (mußte sie sich doch da ständig zweifach beweisen, als Frau und als Schwarze), und nun schlägt sie sich dank ihrer Spürhundfähigkeit mit ihrer Detektei als alleinerziehende Mutter auf dem harten Pflaster von Newark, New Jersey, durchs Leben. Zahlungskräftige Klienten sind dort absolut rar, deshalb ist sie finanziell auch immer ein bißchen klamm. Da ist es schon ein besonderer Glücksfall, wenn die reiche und berühmte Radiomoderatorin Mandy Magic, auch eine Schwarze, um ihre Hilfe bittet und gleich eine großzügige Anzahlung leistet.

Mandy, der ein steiler Aufstieg von ganz unten geglückt ist, wird von unbestimmter Angst geschüttelt. Einer ihrer engsten Bekannten wurde ermordet, und am nächsten Tag ging ein Drohbrief bei ihr ein. Sie vermutet einen Zusammenhang, setzt die Detektivin auf den Fall an. Tamara Hayle ermittelt, recherchiert, befragt, untersucht. Derweil gibt es weitere Mordfälle im engsten Umfeld und weitere Drohbriefe, die Gefahr scheint sich Mandy in konzentrischen Kreisen selbst zu nahen. Dabei erhellt sich allmählich die dunkle Vergangenheit Mandys, Kinderprostitution, Mord und Totschlag spielen eine Rolle. Der Aufstieg hatte offenbar seinen Preis, ganz ungeschoren kommt eine Schwarze nicht an die Spitze, mag sie noch so schön, intelligent und fähig sein. Auch ein achtbares Leben heute, Wohltätigkeit, Popularität und bürgerliches Ansehen vermögen die Schatten der Vergangenheit nicht zu bannen. Ein Ankläger steigt herauf, und Mandy und Tamara kämpfen schließlich ums Überleben.

Das hört sich reißerisch an, aber an übermäßiger Action oder nervenzerfetzender Spannung leidet der Roman nun gerade nicht. Tamara Hayle tut brav und ungefährdet ihren Job, sorgsam, logisch, fast bedächtig Schritt für Schritt, erst zuletzt wird der Knoten wirklich geschürzt, und mittels einer unvermutet auftauchenden (wiewohl schon rechtzeitig eingeführten) Figur kommt es zum Showdown. Diese Eigenheit, die eigentlich nicht für den guten Krimi zu sprechen scheint, wird allerdings reichlich aufgewogen. Jedes ermittelnde Gespräch, das Tamara Hayle führt, wird zum interessanten Psychogramm. Die Partner erscheinen niemals vereinfacht gemäß einem Schwarz-Weiß-Schema, sondern sie erweisen sich als sehr differenzierte Charaktere mit aufschlußreicher Vergangenheit und spannender Gegenwart. Sie offenbaren sich überraschend vielseitig, sie haben mal recht und mal unrecht, sind mal gut und mal böse, und im Grunde umreißen sie mit sozialer Genauigkeit ihre gravierendsten Lebensprobleme. Insofern könnte man auch sagen: Hier sind Nachrichten über das heutige Amerika. Dabei spürt man sofort, daß die Autorin genau kennt, wovon sie ihre Figuren erzählen läßt - von den Zwängen des Lebens der Schwarzen zwischen den Weißen. Die Lebensbilder wirken authentisch, und sie fesseln unmittelbar. Da scheint nichts abwegig oder übertrieben, und die energische und lebenstüchtige Detektivin, die selbst mitunter gegen Einsamkeit ankämpfen muß, bewahrt die Geschichte souverän vor Larmoyanz. Das macht die Figur kostbar und unverwechselbar und läßt uns auch die Autorin, die in einem blendenden Stil schreibt, wertschätzen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite