Eine Rezension von Bernd Heimberger

Glück der Geilen?

David Trueba: Vier Freunde
Aus dem Spanischen von Peter Schwaar.
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt/M. 2000, 320 S.

Läßt sich über David Truebas Buch Vier Freunde nicht mehr sagen als das Beliebigste des Beliebigen? Nämlich, daß der Roman „Roman einer Generation“ ist? Also das, was seit Goethes „Werther“, Buch um Buch, Generation für Generation, Hunderten, Tausenden Büchern nachgesagt wurde. Welche Generation ist die Generation in Truebas Roman? Und was ist es, was die Generation zu einer Generation macht? Die Vertreter der Generation sind, wie im Titel exakt beziffert, vier Freunde. Sie sind Madrider. Sind echte Kindermänner: Über die Mitte der Zwanziger hinaus und noch weit genug entfernt vom Dreißigsten. Sie wollen zwar nicht die Sau rauslassen, doch noch einmal auslaufen zur großen Fahrt, bevor angedockt wird im fauligen Wasser des Ehehafens, in dem einer - verdammt! - bereits ankert. Der moderne Anker ist ein Handy, der im Roman solange eine Hauptrolle spielt, bis es einem tückischen Anschlag zum Opfer fällt. Die Truppe macht sich mit einem ausrangierten Käselieferwagen auf Tour durchs Land. Der Story das Raster der Klischees aufgedrückt, könnte von einem Road-Movie gesprochen werden, wie es schon manches Kino- und Literaturstück vorführte. Vier Freunde ist Kino komplett. Ganz eine Sache der Szenen und Dialoge. David Trueba versteht's, Dialoge zu schreiben. Nicht selten geben sie dem Roman den Schwung, den die Szenen nicht haben. Wenige Handlungen, wenige Handlungsorte müssen für gleichbleibende Gelüste herhalten. Die Gruppe der „vier geilen Zweiglein“, wie Ich-Erzähler Solo den Freundschafts-Pakt nennt, ist immer nur auf eines aus. Auf Frauen, mit denen sie nur das eine machen möchten. In Genets Querelle heißt es von einem Seemann, daß ihn nur noch interessierte, wer wen fickt. Weniger vulgär gesagt, geht's auch der Clique um nichts anderes. Ohne Pardon: Vier Freunde ist ein Vögel-Movie und kein Road-Movie! Die Jungs sind „vom eigenen Penis manipulierte Puppen“. Mehr als Samen, scheint's, ist nicht drin in der Generation, die sich als reine Macho-Generation gebärdet. Wenn die Genitalien gieren, gibt's für den Kopf nicht mehr viel zu tun. Das, möchte man meinen, ist eher die Situation der Generation, die der des 31jährigen Trueba im Genick sitzt. Längst aus der körperlichen Pubertät raus, sind die Spät-Pennäler mitten drin in der geistigen Pubertät. Die Konflikte, die sich daraus ergeben, konzentrieren sich in Solo, dem Journalisten wider Willen, der unfähig ist, sich von seinem überlegenen Vater abzunabeln und seine Liebe zu leben. Das ist der ernste Hintergrund, der mit vordergründigem heiteren Hintersinn erzählten Freundes-Geschichten, die nie ins Sarkastische abkippen. Erzählt? David Trueba ist in seinem Element, wenn er schnell überschaubare Szenen beschreibt. Die kleidet er gern in leichte philosophische Gewänder, die aussehen wie aus dem elterlichen Kleiderschrank geklaut. Der Ich-Erzähler spricht nicht nur für sich, wenn er feststellt: „Außerhalb unserer Gruppe ist kein Glück möglich.“ Was bedeutet: Außerhalb der Generation, zu der man durch die Geburt gehört? Jede Generation glaubt, irgendwann, nur Halt in der eigenen Generation zu haben. Ein trügerischer Halt. In jeder Jugend ist die Vergänglichkeit, die die Zukunft boykottiert, sobald die Jugend zu altern beginnt. Das ist es, was die vier Freunde fühlen und allmählich erfahren. Ihre aufgeschäumte Gier und Geilheit ist eine Flucht „vor dem Leben im Allgemeinen“. Versuche, die Jugend zu verlängern, schützen nicht vorm Älterwerden und dem allgemeinen Leben. Zum Heulen, aber wahr! Warum da nicht noch mal richtig Ablachen, eh das Heulen beginnt? David Trueba ist ein verdammt fröhlicher Hund. Oder er tut so. Egal, das Vergnügen haben die Leser.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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