Eine Rezension von Blörn Berg

Kontra Küchenkrieg

Verena Auffermann (Hrsg.):
Beste deutsche Erzähler 2000
Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 2000, 288 S.

Immer wieder mal im Angebot: eine taufrische Anthologie mit den besten Erzählern oder Erzählungen eines Jahrzehnts, einer Generation, eines Jahrhunderts. Leicht verderbliche Ware also, die schnell im Antiquariat untertaucht, sofern ihr nicht Ärgeres widerfährt. Dieser tristen Tatsache trotzend, verspricht jetzt die Deutsche Verlags-Anstalt, alljährlich einen Band zu binden, der „die besten deutschsprachigen Erzähler in einem Band versammelt“. Gut, soviel Geist wider den Zeitgeist!

Der Verlag engagierte die literarisch ambitionierte Publizistin Verena Auffermann, Aufhebenswertes für den ersten Band auszuwählen. Erstes auffälliges Merkmal der Sammlung Beste deutsche Erzähler 2000 ist: Auffermann hat sich nicht von der Woge der aufgeschäumten Seifenblasenliteratur der Jungliteraten der Neunziger mitreißen lassen. Die Herausgeberin hat auf Namen, Herkommen und Generationen geachtet. Die älteste Autorin - Aichinger - ist Jahrgang 1921, die jüngste - Mora - Jahrgang 1971. Zudem legt Auffermann Wert auf wesentliche Themen, das heißt auf „Erzählungen mit Fluchtbewegungen ... und Geschichten der Irritation“, die „nicht im Küchenkrieg oder in der Kissenschlacht“ enden. Bravo! Wer die Namen Katja Lange-Müller, Teréza Mora, Herta Müller, Hans Joachim Schädlich kennt, ahnt möglicherweise, welche „Fluchtbewegungen“ zu erwarten sind.

Vom Weggehen, ohne wegzukommen, schreibt Schädlich in der Geschichte eines Vorbildes, das sich selbst verrät. Fliehen heißt häufig, nicht sehen zu wollen, was ist. Was aus einem Leben wird, in dem Tatsachen und Träume durcheinander geraten, erzählt Herta Müller in der komprimierten Biographie einer Frau, die 34 Jahre in einer Schraubenfabrik arbeitet. Von der Vereinzelung, der Vergänglichkeit, dem Abschiednehmen, dem Abseitssein ist viel in den Erzählungen. Nicht auf jene schlichte oberflächlich-journalistische Weise, sondern meist in realistischen Geschichten, die ihre Imagination durch den literarischen Ehrgeiz der Autoren erfahren. Selbst so feuilletonistische Beiträge wie Katja Lange-Müllers Prosastücke lassen Hoffnungen keimen, daß das literarische Feuilleton auch in deutschen Landen nicht verloren ist. Wer an der Auffermannschen Auswahl herummäkelt, ist der Steinwerfer, der im Glashaus sitzt. Wer kann denn für sich in Anspruch nehmen, einen Jahresreigen „der besten deutschen Erzähler“ choreographiert zu haben? Es gibt Premieren, da kommt das Urteil nach der ersten Aufführung verfrüht, da Vergleiche fehlen. Schaun wir mal, sagen die Bayern gern!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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