Eine Rezension von Kathi Bosien

Ein kaum erforschtes Kapitel des Nationalsozialismus

Susanne Meinl:
Nationalsozialisten gegen Hitler
Siedler Verlag, Berlin 2000, 447 S.

Das vorliegende Buch vermittelt einen bislang eher vernachlässigten Aspekt des Widerstandes im Dritten Reich. Die Nationalrevolutionäre waren weder kommunistisch noch christlich-konservativ, und demokratisch schon gar nicht. Ihr Beharren auf einem wahren Nationalsozialismus brachte sie in Widerspruch mit den Herrschenden nach 1933, und ihre nationalbolschewistischen Tendenzen machten sie in der Bundesrepublik zu verdächtigen Elementen. Susanne Meinl erzählt in ihrem spannenden und informativen Buch das abenteuerliche Leben von Friedrich Wilhelm Heinz als eines exemplarischen Vertreters dieser Strömung. Heinz gehörte als rechtsradikaler Aktivist nahezu allen antidemokratischen Verbänden der Weimarer Republik an: Mit der „Brigade Ehrhardt“ nimmt er am Kapp-Putsch teil, anschließend ist er mit der „Organisation Consul“ und dem „Bund Wiking“ in die Attentate auf Mathias Erzberger, Walther Rathenau und Philipp Scheidemann verwickelt. Er ist SA-Führer, Organisator der „Schwarzen Reichswehr“, Mitglied der Bundesleitung des Stahlhelms und Publizist im „Standarte-Kreis“ um Ernst Jünger. Er tritt der NSDAP bei, aus der er mit dem Straßer-Flügel ausgeschlossen wird. 1935 geht er zur Abwehr unter Wilhelm Canaris, findet Anschluß an oppositionelle Kreise um Hans Oster und entwickelt 1938 in Absprache mit diesem und mit Sozialdemokraten wie Wilhelm Leuschner und Hermann Maass Staatsstreichpläne, die zu einer konstitutionellen Monarchie unter Prinz Wilhelm von Preußen führen sollen. Die Pläne, die im Gegensatz zu nationalkonservativen Bemühungen stehen, scheitern jedoch. Ab 1941 Bataillons- später Regimentskommandeur der berühmt-berüchtigten „Division Brandenburg“, versucht er diese - wiederum erfolglos - in eine Verfügungstruppe der Opposition umzufunktionieren. In die Umsturzpläne des Unternehmens „Walküre“ am 20. Juli 1944 ist er nur am Rande einbezogen, er wird kurzzeitig verhaftet, wieder freigelassen und kann durch Hilfe von Freunden einer erneuten Verhaftung entgehen. Nach dem Krieg vom zunächst vom Berliner Magistrat mit der Lebensmittelbeschaffung im Umland beauftragt, ist er dann Bürgermeister von Bad Saarow und betreibt mit Gustav Dahrendorf die Gründung der SPD im Kreis Fürstenwalde. Später Bonner Korrespondent von „Time“ und „Life“, beauftragt man ihn dann mit dem Aufbau des militärischen Nachrichtendienstes (heute MAD) im Amt Blank. Seine NS-Vergangenheit nimmt niemand übel, wie Susanne Meinl feststellt: „Wesentlich schwerer wog der von Konkurrenten in Pullach lancierte Vorwurf, bei Heinz habe man es mit einem verkappten Nationalbolschewisten, wenn nicht mit einem sowjetischen Agenten aus dem Umkreis der ,Roten Kapelle‘ zu tun. Derartige Beschuldigungen beendeten in dem von penetrantem Antikommunismus geprägten Klima der fünfziger Jahre bekanntlich eine politische Karriere eher als eine verheimlichte Mitgliedschaft in NS-Organisationen ...“ Heinz scheidet aus dem Amt und ähnlich wie Otto John (Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz) scheint er die Seiten zu wechseln, kehrt aber bereits nach einem Tag nach West-Berlin zurück und erzählt eine Entführungsgeschichte. 1968 stirbt er verbittert. In ihrem bemerkenswerten Buch, das auf ihrer Dissertation beruht, gelingt es Susanne Meinl, ein bislang kaum erforschtes Kapitel des Nationalsozialismus darzustellen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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