Eine Annotation von Wolfgang Buth
cover

Zachert, Christel:

„Mädchen, was die Jungs können, kannst du
schon lange!“

Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1999,
400 S.

Dies ist die Geschichte einer echten Berlinerin, die von klein auf durch Pfiffigkeit, Schlagfertigkeit und Mut auffällt. Als drittes Kind und einzige Tochter des Wein- und Spirituosenhändlers Otto Fournes erfährt Christel schon früh, wie weit man es im Leben bringen kann, wenn man Phantasie und Courage hat. Doch schon bald lernt sie die Gegensätzlichkeiten des Lebens kennen. Das väterliche Unternehmen muß Konkurs anmelden - und sie erlebt ein gebrochenes Elternpaar.

Gerade diese Extreme sind es immer wieder, die sich wie ein roter Faden durch das Leben von Christel Zachert ziehen: Neben harmonischen, beglückenden Phasen voll Zufriedenheit tauchen „Schicksalsschläge“ auf, die die scheinbare Idylle aus dem Gleichgewicht bringen. Auch später, als sie ihre eigene Familie hat und nicht mehr in Westberlin, sondern in Bonn lebt, wird das familiäre Glück durch das plötzlich auftauchende Krebsleiden und den Tod der Tochter Isabell auf eine schwere Probe gestellt. (Ausführlich fand dieser Teil ihres Lebens in dem Welterfolg Wir treffen uns wieder in meinem Paradies seinen Niederschlag.)

Doch Christel Zachert akzeptiert das Leben klaglos, durchleidet seine schmerzhaften Seiten, seine Abschiede und Verletzungen ebenso, wie sie die schönen Seiten in vollen Zügen genießt und zur Stärkung ihrer Psyche nutzt. Spätestens hier erweist sich das Motto ihres Vaters Mädchen, was die Jungs können, kannst du schon lange!, das sie als Buchtitel wählt, als überaus tragfähig. Das Leben macht nämlich beim Geschlecht keinen prinzipiellen Unterschied. Die Botschaft lautet: Sei selbständig, gerade in ökonomischer Hinsicht, organisiere dein Leben, besinne dich auf deine Fähigkeiten und Anlagen, lebe Tugenden wie Treue, Mut und Leistungsbereitschaft, denn sie sind die Voraussetzung für ein erfolgreiches Leben.

Dies ist die Autobiographie einer selbstbewußten Frau. Sie hat nicht an den Feminismus-Diskussionen teilgenommen, sondern ihre eigenen Vorstellungen vom Frau-Sein in der von der Männer-Welt dominierten Gesellschaft und gegen alle Widerstände gelebt. Es ist aber mehr als eine Autobiographie. Es ist zugleich die Geschichte der alten Bundesrepublik Deutschland. Christel Zachert fängt diese Geschichte im Zeitraffer ein und stellt sie im kleinen, in der Familie dar. Dadurch, daß ihr Mann, Hans-Ludwig Zachert, Präsident des Bundeskriminalamtes war, kommt sie natürlich auch mit den Spitzen der Gesellschaft zusammen. Persönliches, Privates vermischt sich mit Politischem, Gesellschaftlichem. Das macht den besonderen Reiz des Buches aus (sehr aufschlußreich der 16seitige Fototeil).

Mädchen, was die Jungs können, kannst du schon lange! ist ein mit viel Schwung und Nachdenklichkeit und Lebensweisheit geschriebenes Buch einer engagierten Frau, spannend und humorvoll.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite