Eine Rezension von Dorothea Körner


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Geschichtsschreiber preußischer Kriege

Theodor Fontane: Briefe an den Verleger Rudolf von Decker
Mit sämtlichen Briefen an den Illustrator Ludwig Burger
und zahlreichen weiteren Dokumenten.
Herausgegeben von Walter Hettche.
R. v. Decker's Verlag, G. Schenck, Heidelberg 1988, 309 S.

Man macht sich im allgemeinen wohl zu wenig klar, wie viele Lebensjahre Theodor Fontane Preußen gewidmet hat. Nach den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ beschäftigte er sich in den „zwölf besten Jahre seines Lebens“ (1864-1876) mit der Darstellung der drei preußischen Kriege - 1864 gegen Dänemark, 1866 gegen Österreich und 1870/71 gegen Frankreich. Bei Erscheinen des letzten Teilbandes seiner Kriegsbücher war Fontane 57 Jahre alt! Zwei Jahre später erschien sein erster Roman Vor dem Sturm. Obwohl Fontane zeitweise schwer über die Brotarbeit der Kriegsgeschichtsschreibung stöhnte, entwickelte er sich durch die Arbeit an diesen Werken zum Schriftsteller. Es war sein Ehrgeiz, die Feldzüge nicht nur geographisch und militärisch sachkundig und gerecht, die politischen Hintergründe objektiv darzustellen, sondern vor allem das historische Material künstlerisch so aufzubereiten, daß es breiten Schichten verständlich und ein Lesevergnügen würde. „... es muß sich lesen wie ein R o m a n, es muß nicht bloß fleißig und ordentlich werden, nicht bloß Klarheit in einen chaotischen Stoff bringen (d i e s Verdienst nehme ich auch für das 66er Buch in Anspruch), es muß fesseln, Interesse wecken wie eine Räubergeschichte. Etwas davon ist es ja auch leider!“, schrieb er am 23. Dezember 1870 an seinen Verleger Rudolf von Decker zu dem neuen Projekt über den Deutsch-Französischen Krieg. Die Zeitgenossen haben in ihren Rezensionen neben der Sachkunde und Unparteilichkeit des Autors diesen Vorzug besonders hervorgehoben: „... wesentlich ist dagegen der Geist, aus dem heraus das Buch geschrieben ist: der Geist der Vaterlandsliebe und der Gerechtigkeit, der Wahrhaftigkeit und der Billigkeit; wesentlich sind das aufrichtige Studium, die einsichtsvolle Anordnung und die edle Kunstgestalt des Ganzen. Die Vereinigung dieser sittlichen, wissenschaftlichen und künstlerischen Vorzüge erhebt Fontanes umfassendes Werk zu einem Volksbuche im besten und würdigsten Sinne des Wortes“, lobte der Rezensent Max Jähns 1877 nach Erscheinen des letzten Teilbandes zum Deutsch-französischen Krieg. Fontane selbst schrieb am 17. August 1882 an seine Frau Emilie: „Ich sehe klar ein, daß ich eigentlich erst bei dem 70er Kriegsbuche und dann beim Schreiben meines Romans [Vor dem Sturm, D. K.] ein Schriftsteller geworden bin d. h. ein Mann, der sein Metier als seine Kunst betreibt, als eine Kunst, deren Anforderungen er kennt. Dies letztere ist das Entscheidende.“

Auch wenn Fontanes Kriegsbücher heute vergessen und vermutlich nicht mehr zu lesen sind, macht die vorliegende Ausgabe des sie begleitenden Briefwechsels an den Verleger Rudolf von Decker und dessen Mitarbeiter sowie an den Illustrator Ludwig Burger doch Sinn. Sie zeigt Fontane in seiner wenig bekannten „mittleren Schaffensperiode“ auf der Suche nach dem Eigentlichen seiner Begabung. Auch ein politischer Wandel zeichnete sich in jenen Jahren ab. Wie Fontane 1870 die konservative „Kreuzzeitung“ verließ und Theaterkritiker der liberalen „Vossischen Zeitung“ wurde, so wandelte sich seine unkritische Haltung zum Krieg gegen Dänemark in Kriegsmüdigkeit und die Sehnsucht nach bleibendem Frieden nach 1870/71. Er hatte den Tod seines schwer verwundeten Neffen miterlebt und war 1870 bei Besichtigung des Kriegsschauplatzes von den Franzosen als vermeintlicher Spion verhaftet worden und in Lebensgefahr geraten. Bismarck persönlich löste den „Gelehrten“ aus.

Die Briefe an Rudolf von Decker und dessen Mitarbeiter sind reine Geschäftsbriefe, in denen es um die Konzipierung der Bände, um Honorare und die Fertigstellung bzw. Notwendigkeit der Illustrationen geht. Im Gegensatz zu dem Verleger der „Wanderungen“, Wilhelm Hertz, mit dem Fontane befreundet war, blieben die Briefe förmlich, lediglich während Fontanes Gefangennahme kam Persönliches ins Spiel, engagierte sich der Verleger für seinen Autor. Rudolf von Decker, in dessen „staatsnahem“ Verlag der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R. v. Decker) ein repräsentativer Band zur Krönung Wilhelms I. 1861 erschienen war oder die 30bändige Ausgabe der Werke Friedrichs des Großen, aber auch das Neue Testament nach der Ausgabe von 1545 mit Holzschnitten von Cornelius und Kaulbach, war durch die „Wanderungen“ auf Fontane aufmerksam geworden und hatte ihn 1864 aufgefordert, den Text zu einem reich ausgestatteten Prachtband über den schleswig-holsteinischen Krieg zu verfassen. Wie Fontane die Arbeit für sich selbst bewertete, zeigt ein Brief an Wilhelm Hertz. Während der mißlichen Verhandlungen mit Decker über das zweite Kriegsbuch (Krieg gegen Österreich) schrieb er am 11. August 1866: „Ich wünsche das Kriegsbuch zu schreiben, einmal weil ich das Schleswigholstein Buch dadurch erst zu einem rechten Abschluß bringe, zweitens weil ich eine Lust und ein gewisses Talent für solche Arbeiten, drittens weil ich einen erheblichen pekuniären Vorteil davon habe, aber die Sache ist mir keine Herzenssache. Wird das Buch geschrieben - gut, wird es nicht geschrieben - auch gut; es geht der Welt dadurch von meinem Eigensten ... nichts verloren; der Roman [Vor dem Sturm, D. K.] aber darf nicht ungeschrieben bleiben.“ Da das Erscheinen der Kriegsbücher sich durch die Fülle der anzufertigenden Holzschnitte ständig verzögerte, Fontane aber an dem Abschluß der Arbeiten gelegen war, um sich seinem Roman zuzuwenden, zeugen viele Briefe von dem inneren Konflikt des Autors, seiner verständlichen Nervosität, ja zeitweisen Verzweiflung.

In der vorliegenden Ausgabe wird erstmals Fontanes Briefwechsel mit Rudolf von Decker und dessen Mitarbeitern vollständig vorgelegt. Da das Verlagsarchiv im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, beruht die Ausgabe auf den im Verlag Friedrich Fontane gemachten Abschriften der Briefe seines Vaters, die Briefe an Ludwig Burger wurden nach den Originalen ediert.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 12/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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