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Helmut Caspar

Als der „schiefe Fritz“
König wurde

Preußische Krönungsgeschichte von 1701 in Charlottenburg
dokumentiert. Weitere Ausstellungen in Potsdam
und dem Land Brandenburg

Preußen sei, wird Reichskanzler Otto von Bismarck zitiert, so etwas wie eine neue Wolljacke: Sie kratze, aber sie halte warm. Was der 1947 per Kontrollratsbeschluß offiziell aufgelöste größte Territorialstaat des untergegangenen Reiches sonst noch war, ist in weiten Teilen der Bevölkerung unbekannt; wie bei den preußischen Farben Schwarz und Weiß herrscht meist eine Schwarzweißbetrachtung vor. Im Preußenjahr 2001, wenn an die Krönung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. zum König Friedrich I. „in“ Preußen vor 300 Jahren im fernen Königsberg erinnert wird, soll mit zahlreichen Ausstellungen, Konferenzen, Lesungen, Konzerten und anderen Veranstaltungen und selbstverständlich unzähligen Publikationen dokumentiert werden, was Preußen und preußische Tugenden waren und was sich davon in unsere Zeit gerettet hat, wer Preußens führende und prägende Köpfe waren, was uns mit Bewunderung und Stolz erfüllt und was zu den Schattenseiten gehört. Erklärtes Ziel der Landesregierungen in Berlin und Potsdam sowie zahlreicher Kommunen, Verbände und Vereine und selbstverständlich der beteiligten Museen ist es, neben der Schließung von Wissenslücken auch den Tourismus zu fördern und die Museumslandschaft zwischen Uckermark und Niederlausitz, Elbe und Oder zu beleben. In einem Kooperationsvertrag zwischen der Berliner und der Brandenburger Kulturverwaltung werden die Ziele des Jubeljahres als Möglichkeit „zukunftsweisender Geschichtsaneignung“ beschrieben, was auch die Schattenseiten des Themas nicht ausklammert. Ein hochkarätiges Kuratorium sorgt für die inhaltliche Vorbereitung und wirbt private Sponsorengelder ein. Die sind auch nötig, belaufen sich doch die Gesamtkosten auf 25 Millionen Mark, die je zur Hälfte von Brandenburg und Berlin unter Einbeziehung von Bundes-, Lotto- und anderen Mitteln getragen werden.

Auftakt der Jubeljahres wird eine Festveranstaltung am 18. Januar 2001 im Schauspielhaus am Berliner Gendarmenmarkt sein. Unter dem Titel „Preußen 2001 - Facetten einer Epoche“ findet in Berlin und Potsdam eine von beiden Ländern gestaltete Landesausstellung statt. Zunächst dokumentiert in der Orangerie des Schlosses Charlottenburg ab 6. Mai 2001 die Schau der Preußischen Schlösserstiftung und des Deutschen Historischen Museums „Preußen 1701 - eine europäische Geschichte“ die politische, wirtschaftliche und kulturelle Ausgangslage, die Kurfürst Friedrich III., den die Berliner wegen einer Verwachsung auch „schiefen Fritz“ nannten, vorfand, um seinen Traum von der königlichen „Dignität“ (Würde) zu verwirklichen. Gezeigt werden neben Krönungsinsignien auch Ordenssterne und Medaillen, dazu Dokumente über die Verhandlungen des prestigebewußten Hohenzollern mit dem Kaiser in Wien und anderen Potentaten, ihm diese Standeserhöhung zuzugestehen. Im edlen Ambiente des Schloßes Charlottenburg wird alles aufgeboten, was um 1701 Rang und Namen hatte. So halten Friedrichs gekrönte „Kollegen“ in Gestalt von barocken Staatsporträts oder Marmorbüsten Einzug, und der Besucher sieht, nach welchem Zeremoniell die Krönung am 18. Januar 1701 verlief. Die Krönungsstadt Königsberg, damals viel größer als Berlin, wird durch Stiche, Modelle und eine Stadtplan-Animation visualisiert, wie überhaupt neue elektronische Techniken eingesetzt werden, um historische Ereignisse zu veranschaulichen. So kann man mit Hilfe einer Computersimulation virtuell auch durch das unter Friedrich III./I. von Schlüter und anderen Baumeistern umgestaltete und verschönte Berliner Stadtschloß gehen, von dem einige 1950 beim Abriß gerettete Figurenreste gezeigt werden. Eingebettet ist das Geschehen in größere Zusammenhänge, wobei der seit 1700 tobende Spanische Erbfolgekrieg und die Nöte Leopold I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, eine herausragende Rolle spielen. Friedrich III. hatte dem Habsburger Truppen versprochen, und selbstverständlich sind auch Bestechungsgelder geflossen. Wie die Veranstalter betonen, will die Ausstellung jedoch keinen Fürstenkult betreiben, sondern zeigen, welche Stellung der Monarch in der Feudalgesellschaft hatte und wie sich speziell die „Standeserhöhung“ des im Konzert der europäischen Mächte untergeordnet agierenden brandenburgischen Kurfürsten auf politische, wirtschaftliche, kulturelle und militärische Bereiche und nicht zuletzt auch auf die Ausgestaltung der Residenzstadt Berlin auswirkte.

Die mit glanzvollen Exponaten bestückte Schau in Charlottenburg ist der erste Teil der gemeinsamen Landesausstellung von Berlin und Brandenburg. Ihr zweiter, ergänzender und vertiefender Teil ist im Potsdamer Kutschstall zu sehen. Das barocke Magazin für die Fahrzeuge des königlichen Hofes wird zur Zeit als Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte hergerichtet. Es lädt ab 18. August 2001 zu einer Entdeckungsreise durch Brandenburg-Preußen von der frühesten urkundlichen Erwähnung bis zur Gegenwart ein. Sie führt zu Personen und Orten, die Geschichten erzählen und Ausblicke auf prägende Ereignisse und Entwicklungen vermitteln. Da das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte als Neugründung keine eigene museale Sammlung besitzt, ist es auf die Hilfe von Leihgebern angewiesen. Darüber hinaus sollen neue Medien sowie historische Filme und Interviews mit Zeitzeugen als Anschauungsmittel genutzt werden.

Das Kunstgewerbemuseum Preußischer Kulturbesitz stellt im Knobelsdorff-Flügel des Schlosses Charlottenburg jene Fayencen, Gläser und Tapisserien aus, die um 1700 zur repräsentativen Ausstattung adliger und großbürgerlicher Haushalte gehörten, während die Gemäldegalerie der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz die 1815 von König Friedrich Wilhelm III. in Paris gekaufte Sammlung Giustiniani mit bedeutenden Werken italienischer Meister erstmals in dieser Geschlossenheit präsentieren wird. In der Staatsbibliothek Unter den Linden wird anhand von Büchern und Handschriften gezeigt, wie man in Preußen im 18. Jahrhundert das Leibnizsche Prinzip, in der Wissenschaft Theorie und Praxis zu verbinden, verwirklichte, und im Deutschen Technikmuseum sollen Stationen der Technikgeschichte in Preußen behandelt werden. Die Stiftung Stadtmuseum schildert im Museum Kindheit und Jugend, wer Prinzen zu Königen erzog, und in der Spandauer Zitadelle werden die preußischen Festungen Spandau, Peitz und Küstrin vorgestellt, während in der Garnisonsstadt Prenzlau Museumsbesucher erleben, wie sich das Militär auf das städtische Leben ausgewirkt hat und wie es auch das Stadtbild prägte. Eine andere Ausstellung befaßt sich in Reckahn bei Brandenburg auf dem Gut des ehemals sehr bekannten Schulreformers Eberhard von Rochow mit Reformbestrebungen im bürgerlichen Bildungswesen vor 200 Jahren. Im restaurierten Junkerhaus zu Frankfurt an der Oder, das zum Museum Viadrina gehört, werden mit einem Rückblick auf die Entwicklung der 1506 gegründeten Universität Viadrina Aspekte der Bildungs- und Universitätsgeschichte Brandenburgs und Preußens dokumentiert und die Ausstrahlung des wissenschaftlichen und aufgeklärten Preußen vor allem nach Osteuropa gewürdigt. Das Peitzer Hüttenmuseum, welches in einem weitgehend original erhaltenen Eisenhammerwerk untergebracht ist, schildert Aufstieg und Niedergang eines ehemals bedeutsamen Industriestandortes, der nicht zuletzt auch das preußische Militär belieferte. Die für den Agrarstaat so wichtige Entwicklung der Landwirtschaft und die Befreiung abhängiger Bauern zu Beginn des 19. Jahrhunderts sind Gegenstand einer Wanderausstellung, die von Altranft über Wandlitz zur Domäne in Berlin-Dahlem kommt. Im ehemaligen Stiftshauptmannhaus des Klosters Heiligengrabe in der Prignitz wird die Ausstellung „Preußens Frauenzimmer“ gezeigt. Sie erinnert an jene Frauen und Mädchen, die sich mit Courage, Witz und Geist in einer von Männern dominierten Welt durchzusetzen versuchten. Die Schau beschränkt sich, nicht zuletzt aus Platzgründen, auf das 18. und frühe 19. Jahrhundert und bindet den Ausstellungsort und seine Bewohnerinnen als wichtigstes Exponat ein. Das in der Reformationszeit in ein adliges Damenstift umgewandelte Zisterzienserinnenkloster besaß als Schule für junge Mädchen aus verarmten Adelsfamilien einen hervorragenden Ruf. Entsprechende Bilder und Dokumente werden ebenso zu sehen sein wie Zeugnisse darüber, daß sich die Abtei der besonderen Zuwendung des preußischen Herrscherhauses erfreute. Ziel der Ausstellung ist es, Frauen aus der von Männern, von denen viele Soldaten waren, verordneten Anonymität zu holen und ihnen ein Gesicht zu geben. Dargestellt wird, wie sich Frauen -unbekannte und bekannte - gegen viele Widerstände und Anfeindungen Freiräume eroberten, wie sie, oft verwitwet, Güter und Manufakturen verwalteten, wie sie mit mehr oder minder Erfolg die Ketten der Konvention abwarfen und ein selbstbestimmtes Leben führten. Die Ausstellung will zeigen, wie sich Frauen in Preußen Bildung aneigneten, wie sie als Malerinnen oder Buchautorinnen tätig waren, wie sie bürgerliches Gedankengut in Salons und Zeitschriften verbreiteten. Die Aufmerksamkeit, die sich 2001 auf Heiligengrabe richten wird, soll genutzt werden, der Prignitz touristischen Auftrieb zu geben. Ähnliche Ziele verfolgen auch die für das Preußenjahr vorbereiteten Kultur-Events in anderen Regionen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 12/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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