Eine Rezension von Ulrich Blankenfeld


Riefenstahl im Rampenlicht

Rainer Rother: Leni Riefenstahl
Die Verführung des Talents.
Henschel Verlag, Berlin 2000, 288 S.

Wer hat Angst vor Leni Riefenstahl? Zuviel Verzagtes wurde geäußert, wenn gebetsmühlenartig das Klischee wiederholt wurde, daß die Künstlerin ihre Kunst der Politik opferte und somit Kunst, Kunstwerk und Person diskreditierte. So einfach ist der „Fall Riefenstahl“ nie gewesen. Auch nicht für Rainer Rother, der keine neue Riefenstahl-Debatte auslösen will. Der Publizist, der sich in seinem „Leni Riefenstahl“-Buch dem Künstlertum der Berühmten und Beschimpften widmet, hält Distanz. Aus der betrachtet er die Riefenstahl-Show-Story. „Wenn sie ins Rampenlicht trat, dann nicht als Nebenfigur“, sagt Rother. Sein Buch ist die Chronik der Auftritte der Riefenstahl im Rampenlicht. Eine Biographie ist es nicht. Die Geschichte der Tänzerin, Schauspielerin, Autorin, Regisseurin, Fotografin ist die Choreographie des eigenen Geschicks. Es ist die Geschichte vom „Überschuß des Wollens“ einer Frau, die das Diktat der dominierenden Männer für sich nicht duldete. „Fräulein Riefenstahl“ war Mitte Dreißig, als ihr Lebenswerk da war, das den umstrittenen Ruhm besiegelte, der zur Lebenslast wurde. „Im Kasten“ hatte die 1902 geborene Regisseurin die NS-Parteitags-Hymnen und den Olympia-Film der Spiele von 1936. Kunstwerke der Dokumentation, die Rother als „heroische Reportagen“ treffend bezeichnet findet. Die Film-Bild-Welt der Regisseurin reicht nicht aus, um das Bild der Regisseurin zu beurteilen. Was allgemein bekannt ist, bedurfte nicht der Bestätigung durch Rother. Seine Riefenstahl-Recherche ist der Rechenschaftsbericht über eine Talentierte, die als „Genie des Films den besten Sportfilm aller Zeiten“ drehte. Wenn das denn wahr ist! Sachkundig, wie Rother ist, nennt er Zweifel, wo Zweifel angebracht sind. Uneingeschränkt wird die Ästhetin anerkannt, die eine stilsichere Stilistin ist. Ohne ausdrücklich die Arroganz der Ästhetin, den unbeirrbaren Narzißmus zu erwähnen, weist Rainer Rother auf die Energie, Entschlußfreudigkeit, Entschiedenheit der Frau hin, für die Selbstbewußtsein das wichtigste Grundnahrungsmittel ist. Das egozentrische Selbstbewußtsein ließ Riefenstahl in der Herrscher-Hierarchie des Dritten Reiches zur „innovativsten Filmemacherin des Nationalsozialismus“ werden. Das Selbstbewußtsein machte Riefenstahl resistent gegen die Öffentlichkeit, die sie mit dem Nationalsozialismus identifizierte. Rother sagt, daß die Vielseitige „nie wirklich begriffen“ hat, welche Rolle sie in der Propaganda und Propagierung des Regimes spielte, zu dessen Symbol sie wurde. Riefenstahl begriff immer nur Riefenstahl. Für den Verfasser des Buches ist die Regisseurin eine perfekte Verführerin des Publikums. Ihr Talent, glaubte die Perfektionistin, vermochte niemand zu verführen. Auch kein Führer. Leni Riefenstahl war sich immer selbst Führerin genug. Womit auch etwas über Riefenstahl als verfolgte Unschuld gesagt ist. Rainer Rother sucht nach keinen Rechtfertigungen für Riefenstahl. Sie in Schutz zu nehmen ist nicht seine Sache, sie vor ungerechtfertigten Angriffen zu schützen schon. Rothers Annäherung an Riefenstahl ist mit dem Eingeständnis geschrieben, daß es keine Nähe zu Riefenstahl gibt. Leben und Lebenswerk der Unermüdlichen sind zum Gegenstand für Werke geworden. Mehr Triumph kann kaum sein. Sieg für Leni Riefenstahl auf der ganzen Linie? Rainer Rothers Fazit: Riefenstahls Leben ist ein Triumph ihres Willens. Sie ist eine Kultfigur geworden. Was das mit dem Leben zu tun hat? Was für ein Herz hat die Frau, die jeden Absturz erlebte - den politischen wie moralischen, den mit dem Auto und Hubschrauber. Wer redet da von Angst vor Leni Riefenstahl? Rother nicht. Leni Riefenstahl sowieso nicht.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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