Eine Rezension von Sven Sagé


Sehnsucht nach Schenkeln

Salim Barakat: Die Spiele der jungen Hähne
Aus dem Arabischen von Burgi Roos.
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 2000, 148 S.


Denn sie wissen nicht, was sie zitieren! Wüßten die Verlagsleute, was sie verlegen, würden sie nicht zitieren: „Salim Barakats Roman ist ein reines Wunder ... subtil und voller Poesie.“ Vergleichbares wird, gleichlautend, von Dutzenden Romanen jeder Saison gesagt. Ist das Zitat tatsächlich auf Die Spiele der jungen Hähne gemünzt, den zweiten in Deutschland veröffentlichten Roman des in Schweden lebenden Syriers kurdischer Herkunft? - Vom Kanon des Korans inspiriert, ist der Roman oft lakonisch-spröde. Manchmal ist er von simpler Bildhaftigkeit und manchmal voller verblüffend-fremdartiger Bilder. Das Gewöhnliche wird ungewöhnlich, wenn der Autor den Lesern der westlichen Welt den Norden vertraut macht, mit dem der kurdische Norden Syriens gemeint ist. Das Ungewöhliche wird gewöhnlich durch die Welt der „Jungen, die ihre knospende Männlichkeit genießen“, jener „Jungen, die durch das Schlüsselloch schlüpfen“ können. Noch! Pubertät „knospet“ -wie „schlüpfen“ ein bevorzugtes Wort des Schriftstellers - kräftig in dem Buch. Das bißchen Sehnsucht nach ein bißchen Schenkel, daß bißchen Beobachtung von Bordellen und Huren - und einiges mehr - geben manches für die Szenen einer Kindheit her. In ihrer Allerweltsmenschlichkeit sind die Szenen so, daß einem nicht vor Staunen die Spucke wegbleibt. Die wechselnden Episoden, der meist nicht handelnde Erzähler, lassen keine überschaubare, entwickelte Geschichte zu, in der eine einprägsame Gestalt agiert. Was den Lesern bekannt vorkommt, kennen sie aus eigenen Erinnerungen. Zum Beispiel: die Steine in den Hosentaschen der grünen Knaben. Und so weiter und so fort! Über die Pubertät von Jungen, scheint's, ist alles gesagt. Und alles wird immer wieder wiederholt. Von Generation zu Generation. Von Volk zu Volk. Von Land zu Land. Kein Grund, unbedingt bei Salim Barakat nachzuschlagen. Außer, man möchte berührt werden von den Heimat-Geschichten einer unvertrauten Region. Also: Alle alten Spiele der Welt in einem nie gesehenen Winkel der Welt. Nichts Weltbewegendes, aber ...!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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