Eine Annotation von Wolfgang Buth


Riedel, Jürgen:

In Deutschland und anderswo III

Lyrik/Scherzreimerei.
R. G. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1998, 152 S.

In Deutschland und anderswo III ist der dritte Teil einer Sammlung politischer Gedichte von Jürgen Riedel, der 1946 im sächsischen Crimmitschau geboren wurde, aber bereits seit 1951 in der Bundesrepublik lebt - er kennt also die Verhältnisse.

Gegliedert hat Riedel sein schmales Gedichtbändchen in zwei Abschnitte: Lyrik und Scherzreimerei. Der Abschnitt „Lyrik“ umfaßt „politische Gedichte“ und „Gedichte 1995 bis 1998“. Die Übergänge sind fließend - denn im eigentlichen Sinne sind alle seine Gedichte politische Gedichte: „meine Gedichte ergreifen Partei / auf propere Weise / kein agitprophaftes Sichverbeißen / in Hirnwindungswirrwarr / kein Zahnausschlagen / belagfreier Sachlichkeit“. Seine Gedichte mischen sich ein in die Politik: „Politik oftmals rauh / weiß genau was sie will: / Macht / die Stahlfeder ist / keine Straußenfeder.“ Er greift jedes erdenkliche politische Thema auf, das den Bürger berührt, bewegt und aufregt. So wendet er sich in dem Gedicht „Mururoa-Mörder“ gegen die französischen Atombombenversuche im Pazifik und das Verhalten Deutschlands dazu: „wenn die Bombe Massenmord explodiert / ist Freundschaft verstrahlt / wann endlich begreifst du das Kanzler / entfernst du dich aus der Zwölfmeilenzone / des Sprengkopfdenkens Chiracs.“ Er prangert auch die „Favoritenrolle“ der USA und die Rolle der EU („Vereinigte Hinrichtungsstaaten“) in Europa an. Aber wozu in die Ferne schweifen? In Deutschland selbst findet Jürgen Riedel ein reiches Betätigungsfeld für seine satirischen, entlarvenden, schockierenden Verse. Ob es Politiker sind, die Diäten der Abgeordneten („Diäten-Völlerei“) oder die Profite der Großunternehmer oder das Sparpaket oder die Arbeitslosigkeit - in allen seinen Versen deckt er offen die Mißstände der Gesellschaft auf - fern der romantischen Lyrik: „die da Lyrisches über alles / intonieren / bei politischen Gedichten / (lyrisch wie Abgeordnetenklo) / sind Grenzverletzer kunstkarätigen Geschmacks / ... / selbst Hymne auf den Furz / fände Beifall in Pforzheim / deutschlandwoanders / nur lyyyrisch [!] muß sie sein“.

Im zweiten Abschnitt „Scherzreimerei“ finden wir „meist vergessene Reime“ („Leberreime“ und „Klapphornreime“) und „erfundene Reime“ („Lungenreime“, „Innereienreime“, „Klapphornschütteleien“, „Schüttelklapphorns“, „Limeklapphorns“ und „Klapphornricks“) sowie zwei Essays über Scherzreimerei bzw. über Kunst- und Ulkgedichte. Hier läßt sich Jürgen Riedel über die lyrische Schulter schauen - er versucht, die im 17. Jahrhundert so beliebten Schüttelreime und Limericks neu zu beleben. Hier kann Riedel mit den Wörtern jonglieren, mit der Sprache experimentieren.

Eines ist sicher: An politischen und anderen brisanten Stoffen wird es dem politischen Lyriker Jürgen Riedel auch künftig nicht mangeln. Und so können wir sicher sein, daß die neuesten Entwicklungen in der Welt und in Deutschland in einem weiteren Teil von In Deutschland und anderswo ihren lyrisch-provokanten Niederschlag finden werden.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08+09/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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