Barth, Reinhard:
Taschenlexikon Kreuzzüge
Als Papst Urban II. auf dem Konzil von Piacenza im März 1095 zum Kreuzzug des christlichen Abendlandes gegen die Ungläubigen im Heiligen Land aufrief, ahnte selbst er nicht, welch machtvolle Bewegung er damit in Gang gesetzt hatte. Als ein Genie der Planung hatte der Papst es verstanden, nicht nur den zu Beginn seiner Amtszeit noch in Rom residierenden Gegenkaiser zu entmachten, sondern verschiedene Strömungen und Bewegungen seiner Zeit in einem einzigen Kriegszug zu kanalisieren. Er reagierte damit auf die Hilferufe des bedrängten Kaisers von Byzanz, Alexios I. Komnenos, verband die Erfahrungen der spanischen Reconquista und die allgemein verbreiteten Endzeitvorstellungen, die die Bereitschaft zu Bußübungen und Wallfahrten gewaltig ansteigen ließen, mit der kluniazensischen Idee einer Ablenkung aggressiver Energien der abendländischen Ritterschaft auf Ziele außerhalb der christlichen Welt:
Dieses verdienstvolle Lexikon von A bis Z ist für jeden, der sich für die Geschichte der Kreuzzüge, aber auch des Mittelalters allgemein interessiert, von unschätzbarem Wert. In vielfältiger Weise wurden die Kreuzzüge bis in die Gegenwart immer wieder literarisch gespiegelt, ihre Anziehungskraft ist ungebrochen. Hier liegt nun ein Taschenbuch vor, das jede Lektüre mühelos begleiten kann und Aufschluß gibt über wichtige Persönlichkeiten jener Zeit, ihre Bedeutung für die Durchführung und den Verlauf der Kreuzzüge wie auch ihre Widerspiegelung in den historischen Chroniken und in der zeitgenössischen Literatur. Gottfried von Bouillon, der erste König Jerusalems, Friedrich I. Barbarossa, der deutsche Kaiser, Eleonore von Aquitanien finden sich hier ebenso wieder wie Sinan, der Alte vom Berge, oder Sultan Saladin.
Die Epoche der Kreuzzüge umfaßte
immerhin zwei Jahrhunderte und beschränkte sich bei
weitem nicht auf den Orient. Auch abtrünnige
Christen waren Ziel späterer Kriegszüge, nicht zu
vergessen die Eroberungsfahrten in Richtung Osten ins Russische Reich. Diese Zeit
immerwährender Kämpfe führte zu wichtigen Veränderungen in
der
Kriegsführung, der Waffentechnik, der
Ernährungsweise und Hygiene, in Verwaltung
(Einführung der Assisen) sowie Finanz- und
Bankenwesen, ohne die die komplizierte Logistik
einer solchen Unternehmung niemals zu
bewältigen gewesen wäre. Hier bestätigt sich wiederum
die Theorie, daß sich wirtschaftliche, technische
und soziale Entwicklungen meistens im Gefolge von Kriegen, Seuchen oder Naturkatastrophen
vollziehen.
Der Autor widmet auch diesen begleitenden Umständen Raum. So beziehen sich viele Stichworte auf allgemeine Begriffe wie Ablaß, Assisen, Geldverkehr und Münzwesen, Kreuzzug des Volkes (das von Naturkatastrophen, Seuchen und Hungersnöten gepeinigte Volk folgte dem Aufruf zum ersten Kreuzzug schneller als die Ritterschaft, wurde jedoch auch schneller zerrieben), Kreuzzugideologie, Kriegsgefangene, Kulturkontakte, Seuchen oder diverse Waffenarten. Die Rolle der Frauen findet in den Stichworten ebenso Würdigung wie die der gegnerischen Seite.
Das Lexikon entspricht in soweit den üblichen Anforderungen seines Genres, als es Namen von Personen, Schlachten, Orten oder Reliquien alphabetisch auflistet und in straffer Form erklärt und, wo es angebracht ist, in Beziehung zueinander gesetzt. Stichworte im Text sind durch Kursivdruck gekennzeichnet, so daß der neugierige Leser auf diese Weise durch das ganze Buch wandern kann. Acht Karten, ein Literaturverzeichnis und ein Personen- und Sachregister runden das Büchlein ab. Von den tradierten Vorgaben abweichend ist sein unterhaltsamer Stil, der dem Autor durchaus eigene Kommentare und über den eng gefaßten lexikalischen Rahmen hinausgehende Erklärungen gestattet. Damit folgt Reinhard Barth einer sich seit geraumer Zeit andeutenden interessanten Entwicklung auf dem Buchmarkt. Als Ergänzung der zahlreichen, sich ernsthaft mit dem Mittelalter beschäftigenden Romane verdient es einen Platz in jedem Bücherschrank.