Eine Annotation von Licita Geppert

Barth, Reinhard:

Taschenlexikon Kreuzzüge

Piper Verlag, München 1999, 263 S.

Als Papst Urban II. auf dem Konzil von Piacenza im März 1095 zum Kreuzzug des christlichen Abendlandes gegen die Ungläubigen im Heiligen Land aufrief, ahnte selbst er nicht, welch machtvolle Bewegung er damit in Gang gesetzt hatte. Als ein „Genie der Planung“ hatte der Papst es verstanden, nicht nur den zu Beginn seiner Amtszeit noch in Rom residierenden Gegenkaiser zu entmachten, sondern verschiedene Strömungen und Bewegungen seiner Zeit in einem einzigen Kriegszug zu kanalisieren. Er reagierte damit auf die Hilferufe des bedrängten Kaisers von Byzanz, Alexios I. Komnenos, verband die Erfahrungen der spanischen Reconquista und die „allgemein verbreiteten Endzeitvorstellungen, die die Bereitschaft zu Bußübungen und Wallfahrten gewaltig ansteigen ließen“, mit der kluniazensischen Idee einer „Ablenkung aggressiver Energien der abendländischen Ritterschaft auf Ziele außerhalb der christlichen Welt“:

Dieses verdienstvolle Lexikon von A bis Z ist für jeden, der sich für die Geschichte der Kreuzzüge, aber auch des Mittelalters allgemein interessiert, von unschätzbarem Wert. In vielfältiger Weise wurden die Kreuzzüge bis in die Gegenwart immer wieder literarisch gespiegelt, ihre Anziehungskraft ist ungebrochen. Hier liegt nun ein Taschenbuch vor, das jede Lektüre mühelos begleiten kann und Aufschluß gibt über wichtige Persönlichkeiten jener Zeit, ihre Bedeutung für die Durchführung und den Verlauf der Kreuzzüge wie auch ihre Widerspiegelung in den historischen Chroniken und in der zeitgenössischen Literatur. Gottfried von Bouillon, der erste König Jerusalems, Friedrich I. Barbarossa, der deutsche Kaiser, Eleonore von Aquitanien finden sich hier ebenso wieder wie Sinan, der Alte vom Berge, oder Sultan Saladin.

Die Epoche der Kreuzzüge umfaßte immerhin zwei Jahrhunderte und beschränkte sich bei weitem nicht auf den Orient. Auch abtrünnige Christen waren Ziel späterer Kriegszüge, nicht zu vergessen die Eroberungsfahrten in Richtung Osten ins Russische Reich. Diese Zeit immerwährender Kämpfe führte zu wichtigen Veränderungen in der
Kriegsführung, der Waffentechnik, der Ernährungsweise und Hygiene, in Verwaltung (Einführung der Assisen) sowie Finanz- und Bankenwesen, ohne die die komplizierte Logistik einer solchen Unternehmung niemals zu bewältigen gewesen wäre. Hier bestätigt sich wiederum die Theorie, daß sich wirtschaftliche, technische und soziale Entwicklungen meistens im Gefolge von Kriegen, Seuchen oder Naturkatastrophen vollziehen.

Der Autor widmet auch diesen begleitenden Umständen Raum. So beziehen sich viele Stichworte auf allgemeine Begriffe wie Ablaß, Assisen, Geldverkehr und Münzwesen, Kreuzzug des Volkes (das von Naturkatastrophen, Seuchen und Hungersnöten gepeinigte Volk folgte dem Aufruf zum ersten Kreuzzug schneller als die Ritterschaft, wurde jedoch auch schneller zerrieben), Kreuzzugideologie, Kriegsgefangene, Kulturkontakte, Seuchen oder diverse Waffenarten. Die Rolle der Frauen findet in den Stichworten ebenso Würdigung wie die der gegnerischen Seite.

Das Lexikon entspricht in soweit den üblichen Anforderungen seines Genres, als es Namen von Personen, Schlachten, Orten oder Reliquien alphabetisch auflistet und in straffer Form erklärt und, wo es angebracht ist, in Beziehung zueinander gesetzt. Stichworte im Text sind durch Kursivdruck gekennzeichnet, so daß der neugierige Leser auf diese Weise durch das ganze Buch wandern kann. Acht Karten, ein Literaturverzeichnis und ein Personen- und Sachregister runden das Büchlein ab. Von den tradierten Vorgaben abweichend ist sein unterhaltsamer Stil, der dem Autor durchaus eigene Kommentare und über den eng gefaßten lexikalischen Rahmen hinausgehende Erklärungen gestattet. Damit folgt Reinhard Barth einer sich seit geraumer Zeit andeutenden interessanten Entwicklung auf dem Buchmarkt. Als Ergänzung der zahlreichen, sich ernsthaft mit dem Mittelalter beschäftigenden Romane verdient es einen Platz in jedem Bücherschrank.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08+09/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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