Eine Rezension von Volker Strebel


Ja, Jünger kann lachen

Armin Mohler: Ravensburger Tagebuch
Mit 12 meist unveröffentlichten Fotos und einem Nachtrag von
Edith Mohler.
Karolinger Verlag, Wien 1999, 111 S.

„Lieber Herr Dr. Rychner, um gleich zu der vielgestellten Frage zu kommen: ja, Jünger kann lachen. Bei den vielen Besuchern, die ihn blutsaugerartig heimsuchen, kommt er allerdings nicht viel dazu.“ Solches schreibt der gerade 29jährige Armin Mohler, seines Zeichens Ernst Jüngers Privatsekretär von 1949 bis 1953. Mohler weiß, wovon er schreibt. Die Aufzeichnung aus den Jahren 1949 und 1950 sind durchsetzt von Hinweisen auf feuchtfröhliche Zusammenkünfte. „Es gab recht viel Rotwein, doch paßte ich diesmal auf, rauchte vor allem nicht. So war denn EJ gegen zwei Uhr doch etwas mehr angeschlagen als ich.“ Entsprechend gestaltete sich der Abgang: „Beim Abschied bekam die recht hübsche Frau Walz einen Handkuß. Dann ging's über eine dunkle Straße mit viel Überlandlastwagen nach Hause, und ich mußte immer darauf achten, daß die deutsche Literatur nicht unter die Räder kam.“

Ernst Jünger hatte zur Bedingung der Anstellung des jungen Mohlers dessen Abschluß seiner Dissertation „Die konservative Revolution in Deutschland“ bei Karl Jaspers verlangt. Nach der Fertigstellung erfuhr Armin Mohler auch den Grund dafür: Er sollte nicht in späteren Jahren Jünger für etwaige Versäumnisse verantwortlich machen können.

In diesen stilistisch kargen Aufzeichnungen gewinnt der Leser Einblicke in Ernst Jüngers Ravensburger Zeit. Die anschließenden ersten Jahre in Wilflingen skizziert Edith Mohler in einem Ende der 90er Jahre verfaßten Rückblick.

Im Oktober 1949 unternahm Ernst Jünger mit Armin Mohler eine erste Reise in die Schweiz. Der Schrecken des Zweiten Weltkriegs stand noch im Raum, und in den häufigen Zusammenkünften mit Freunden und Besuchern boten sich für Ernst Jünger immer wieder Gelegenheiten, unkonventionelle Gedanken im Gespräch zu erproben und weiterzuentwickeln. Ob dies im „,Becher` in Meersburg, einer berühmten Baiz“ war oder in der Wohnung des Meersburger Stadtpfarrers Gestrich, die Abende zogen sich in die Länge. Einmal untersuchte Ernst Jünger zu später Stunde einen Käfer, den der Sohn des Pfarrers gefunden hatte, „zählte dessen Zehen und stellte fest, daß es ein seltenes Exemplar war, das bei ihm bei seinen 30 000 Käfern noch fehlte“. Jünger wurde mit der Frau des Pfarrers handelseinig und bot ihrem Sohn Dublikate an. Mohler notiert dazu: „Dies alles ungefähr zwischen 01.00 und 02.00. Davon erfuhr ich aber erst heute.“ - Der übernächtigte Armin Mohler hatte diese Aktion verschlafen.

Die Silvesterfeier zum „Schluß der ersten Jahrhunderthälfte“ verbrachte eine illustre Runde ebenfalls im Hause des Pfarrers Gestrich. Neben General Speidel samt Gattin war auch das Ehepaar Klett eingetroffen. Einige Tage später besucht Ernst Jünger seinen künftigen Verleger Ernst Klett ohne Sekretarius. Dieser notiert zu Hause im typischen Stil, dessen Anfertigung nicht vom Vorzeichen späterer Veröffentlichung geprägt war: „Ich eifrige Arbeit an Manuskript meines Buches. EJ Samstag bis Montag bei Klett, wo er in Mescalin-Rausch steigt mit Klett.“

Ohne Zweifel gewährt das Ravensburger Tagebuch Einblicke in Leben und Denken eines umstrittenen Schriftstellers. Ernst Jüngers Lust zum Provozieren zeigt sich auch im privaten Kreis. „EJ brilliert in Gräßlichkeiten, Frau Dr. Gestrich entsetzt.“ - Und über holzschnittartige Einschätzungen ließe sich trefflich streiten: „Gestrich abschätzig über germanische Mythen. EJ: das seien Mythen von freien Menschen; Ihr Christen seid die Gedemütigten.“ In jedem Falle gereichen die Skizzen von Armin Mohlers Tagebuch dazu, verfestigte Bilder über Ernst Jünger einer erneuten Prüfung zu unterziehen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08+09/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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