Eine Rezension von Jutta Aschenbrenner


Viel Originelles über Pflanzen und „Pflanzen“

Karen Duve/Thies Völker:
Lexikon berühmter Pflanzen
Vom Adamsapfel zu den Peanuts.
Sanssouci Verlag, Zürich 1999, 320 S.

Sind vierblättrige (korrekt vierzählige) Kleeblätter wirklich Glücksbringer? Ist die Eiche der Nationalbaum der Deutschen, oder ist es die Linde? Warum wird das Gänseblümchen eigentlich Gänseblümchen genannt? Wo wächst der Baum der Erkenntnis? Antwort auf viele solcher Fragen zum großen Thema Pflanzen und zu ihrer „Verfremdung“ in mannigfaltigster Form gibt dieses Lexikon. Es ist schon ein Nachschlagewerk der ganz besonderen Art. Das Wort Pflanzen, so ist zunächst einmal ganz sachlich festzustellen, steht dabei als Oberbegriff für Bäume, Sträucher, Blumen, Gräser, Zweige, Früchte und Gemüse. Die Autoren des leider etwas sparsam illustrierten Buches, Karen Duve und Thies Völker, haben viel Wissenswertes über vor allem in unseren Breiten beheimatete Pflanzen zusammengetragen. Sie spürten auf, um nun ihrem originellen Anliegen näher zu kommen, welch vielfältige Rolle Pflanzen in unserem geistigen, seelischen und Alltagsleben spielen, liefern Hintergrundwissen, wie es zu manchem blumigen Ausdruck oder Namen gekommen ist, informieren aber auch darüber, welche Heilkräfte bestimmten Pflanzen innewohnen oder zugeschrieben werden. Weit über 200 „berühmte“ Pflanzen sind in alphabetischer Reihenfolge geordnet. Der Leser wird sie normalerweise aus der Natur, der Literatur, aus Religion oder Mythologie, ja auch aus Liedern und Sprichwörtern kennen. Sie begegnen ihm auf Wappen, in Märchen wie Dornröschen, als Symbol für Parteien (weiße bzw. rote Nelke) und militärische Formationen (Edelweiß), Widerstandsgruppen („Weiße Rose“), als Filmtitel und nicht zuletzt auch in oft überzogener stimmungsvoller Werbung. Der Unterschied zu anderen Lexika besteht darin, daß sich um die vorgestellten Pflanzen Geschichten ranken, eine Mischung aus Sachinformation und Erzählbericht sowie Anekdoten. So werden die auf eine gelungene Weise verpackten Informationen zu einem echten Lesespaß.

Das Blättern im Lexikon ist wie ein Eintauchen in das faszinierende Reich der Pflanzen. Favoritin ist die Rose. Vorgestellt werden beispielsweise die Rose von Lima (eine Heiliggesprochene), die Rose von Stambul (eine Operetten-Schöne), die Rose von Tokio (Propaganda-Moderatorin, die während des Zweiten Weltkrieges die Moral der im Pazifik eingesetzten US-Soldaten unterminieren sollte), die Rose von Tralee (irische Idealfrau) und Englands Rose Diana. Martin Luthers Wappen zierte eine weiße Rose auf blauem Grund, umgeben von einem goldenen Ring. Die Rose ist mit einem roten Herz belegt, in dem sich ein schwarzes Kreuz befindet. Aufgeschrieben ist der Luther zugedachte Spruch vom Apfelbäumchen: „Und wenn ich wüßte, daß morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen.“ Es ist nachzulesen, weshalb es eher unwahrscheinlich ist, daß dieser Ausspruch von Luther stammt. Van Goghs Sonnenblumen und Dürers Veilchenstrauß gehören zu den berühmten Pflanzen. Es fehlt auch nicht eine Geschichte über die deutsche Eiche, den deutsch-nationalen Baum, sowie über die Donar-Eiche, ein germanisches Heiligtum. Niedergeschrieben ist die Sage über die dodoänische Eiche, die das wichtigste Sprachrohr der Götter zu den Sterblichen im antiken Griechenland war. Das Lexikon gibt auch Antwort darauf, was der Apfel der Unsterblichkeit ist oder der Apfel Newtons und der Apfel des Paris. Schwarz auf weiß steht, was unter pflanzlichen Aphrodisiaka zu verstehen ist und warum diese auch die gegenteilige Wirkung haben können, je nachdem, von welchem Volk sie aufgenommen werden. Halloween-Kürbis, Killertomaten, Pril-Blume, Big Apple usw. usf. fehlen ebensowenig bei den vorgestellten Berühmtheiten wie „Wilde Erdbeeren“ (Film von Ingmar Bergman) oder der Mai- und der Weihnachtsbaum.

Zitate, Sprüche, Aphorismen, Liedstrophen usw. sind häufig den einzelnen Geschichten vorangestellt. Sie geben noch zusätzliche Informationen. Das trifft auch auf die Quellenangabe unter jeder Geschichte zu. Vermißt wird am Ende des Buches ein Namensregister, vielleicht ähnlich wie in dem von den Autoren 1997 veröffentlichten Lexikon berühmter Tiere. Karen Duve und Thies Völker haben darin über 1200 „berühmte Tiere“ aus Literatur, Mythologie, Geschichte, Werbung, Film und Fernsehen vorgestellt. Von beiden Lexika kann zu Recht gesagt werden, daß sie sehr informativen und unterhaltsamen Lesestoff bieten. Selbst die größten Pflanzen- und Tierkenner lernen hier bestimmt noch etwas dazu.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08+09/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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