Eine Rezension von Björn Berg


Reichtum Religion

John Bowker (Hrsg.):
Das Oxford-Lexikon der Weltreligionen
Übersetzt und bearbeitet von Karl-Heinz Golzio.
Patmos Verlag, Düsseldorf 1999, 1154 S.


Da könne die Atheisten aufatmen! Sie werden nicht angegriffen. Nicht abgewehrt. Der Atheismus ist aufgenommen. Zumindest im Oxford-Lexikon der Weltreligionen, in dem ihm ein nicht zu knapper Artikel gewidmet ist. Ein Grund für die Gottesverleugner, sich zu revanchieren? Und wie denn, bittschön? Das selbstverständlichste wäre wohl, sich das Lexikon zu schnappen, um zu lesen, was da über den Atheismus geschrieben steht. Um dann peinlich berührt festzustellen, daß man beim Abstand hätte bleiben sollen? Denn: Fortschritt gewinnen heißt, Gott hinter sich zu lassen, werden die Leser belehrt. Und das in dem Buch, das voll ist von Gottheiten, die in der irdischen Welt Religionen stifteten. Opium fürs Volk, wie ein russischer Revolutionsführer mit ausgezeichneter bürgerlicher Bildung definierte, der sich Lenin nannte. Womit er sich um einen Platz in solchem Sachlexikon brachte? Im Gegensatz zum Atheisten-Anführer Karl Marx, dem nahezu eine ganze Lexikonspalte eingeräumt ist. Geradezu mit Lust, scheint's, wird Marx zitiert, der sagte: „Wie es sich mit der Religion verhält, so verhält es sich mit dem Rest der Gesellschaft.“ Richtig! Die Unbildung der Atheisten im Bereich der Religionsgeschichte ist ein Ausdruck für die zunehmende Unbildung der Gesellschaft. Wie begriffsstutzig die meisten Menschen vor Kunstwerken mit religiöser Thematik stehen, wird in jedem Museum offenbar. Die Artikel in dem wissenschaftlich hochkarätigen Oxford-Lexikon sind ein Aufstand wider die allgemeine Unbildung, der nicht mit arroganten Allgemeinplätzen begegnet wird. John Bowker, Herausgeber des tausendseitigen Nachschlagewerks, achtete strikt darauf, daß Sachlichkeit und Aufgeschlossenheit im Informellen den Inhalt der Artikel bestimmt. Beruhigend und fast beglückend zu lesen, was in größter Ausführlichkeit unter Stichworten wie „Sex und Religionen“ oder „Leben nach dem Tode“ ausgeführt ist. So stemmt sich das Lexikon nicht nur gegen Ver- und Unbildung. Es tut was gegen sie. Seite für Seite. Auf endlos kleingedruckter, doch nie kleinkarierte Weise. Augen und Kopf müssen die Leser schon anstrengen, um das zu bekommen, was das dicke Buch über die Religionen zu bieten hat. Ohne Ansehen Gläubigen wie Atheisten.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08+09/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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