Annotation von Jan Eik


 

Pfeiffer, Hans:
Giftküche
Rezepte für Kriminalgerichte.
Militzke Verlag, Leipzig 1999, 160 S.

Ausgerechnet Kochrezepte hat er uns als letztes Buch hinterlassen, der Professor, Krimischreiber und Sammler obskurer und bemerkenswerter Kriminalfälle Hans Pfeiffer. 73jährig ist er am 27. September 1998 gestorben, doch seine Bücher sind nicht vergessen und im Leipziger Militzke Verlag gut aufgehoben. Aus Die Schüsse im Hochmoor (1961) ist in den neuen Band noch einmal die facettenreiche Erzählung „Fünf-Uhr-Tee” aufgenommen worden, ergänzt um Kochrezepte für Kriminalgerichte oder wie man einen Kriminalroman schreibt.

Genau darum ging es dem Literaturwissenschaftler Pfeiffer stets und in erster Linie und weit vor den vorgeschobenen lukullischen Genüssen: um den Kriminalroman. Wie kaum ein anderer Autor in der dahingegangenen DDR hat sich Pfeiffer um die Anerkennung des lange Zeit ideologisch umstrittenen Genres verdient gemacht und sogar selbst Kriminalromane geschrieben. Auch der „Fünf-Uhr-Tee” diente ihm nur als Vehikel, mit Hilfe von Zitaten erlauchter Helden des Detektivromans (darunter Mike Hammer von Mickey Spillane - welche Kühnheit zu DDR-Zeiten) die Frage des Wertes dieser speziellen und nach wie vor beliebten Literaturgattung zu diskutieren.

Was die eigentlichen Rezepte angeht: Man merkt ihnen ein gewisses Alter und gelegentlich auch die Herkunft an. Pfeiffers sarkastische Bemerkungen zielen auf den idealisierten DDR-Kriminalisten (im Kollektiv) - auf dem Bildschirm tummeln sich gerade in dieser Berufsgruppe heute die individualistischsten Egomanen. Kein zeitgeistig hinlänglich aufgeklärter Mensch ißt heute mehr in Mensa und Kantine fade Nudelsuppe - Krimitäter aber sind noch immer häufig arrogante, kontaktarme Einzelkinder und Außenseiter mit perversen Neigungen. Und was Pfeiffers abschließende Satire über Krimititel angeht - die ist, betrachtet man die schmuddelig befleckten Speisezettel des privaten Fernsehens, die allein schon die Qualität des Menüs verraten, zwar nicht vom Leben, wohl aber vom Kommerz längst überholt worden.



Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
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