Rezension von Helmut Hirsch


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„Das ganze Metier hat einen Knacks weg”

 

Theodor Fontane: Ach, es ist schlimm mit den Dichtern
Über Literatur, Autoren und das Publikum.

Herausgegeben von Peter Goldammer.
Aufbau-Verlag, Berlin 1999, 227 S.

 

Theodor Fontane gehörte zu jenen Autoren, die sich und andere Vertreter der Schreibzunft immer wieder mal kritisch im Spiegel betrachteten. Eine Tugend, die selten geworden ist. Geholfen hat diese kritische Selbstbesinnung sowieso nie, aber, und das bestätigt Fontane mehrfach, sie war unterhaltend. Gelang es einem Schriftsteller, „im Laufe von 30 Jahren Freude, Genuß, Belehrung” zu verschaffen, war das schon viel, sehr viel. Doch das Volk der Leser, meint Fontane 1890 einmal, denke zumeist gering vom Schriftsteller: „Ein Schriftsteller ist ein Schmierarius, ein käuflicher Lügenbold, eine verächtliche oder eine lächerliche Figur.” Das ist hart, und das ganze Gegenteil müßte darauf sofort folgen. Doch die gewiefte Pointe, die Fontane hier noch anfügt, gilt der eigenen und unerschrocken ausgeübten Arbeit, und die erledigt er ganz für sich allein: „Nun, es schadet nicht viel, man fällt davon nicht tot um.”

„Das Lebens-Resultat”, notiert er an anderer Stelle, „so schlecht es ist, ist immer noch besser, als es eigentlich sein dürfte.” Wer diesen Balance-Akt beherrscht, der schreibt auch im vorgerückten Alter noch Romane, läßt sich nicht beirren von Kritikern oder Gleichgültigen und hofft bisweilen auf Leser in späteren Zeiten.

Peter Goldammer, Mitherausgeber der Fontaneschen „Romane und Erzählungen”, hat Texte zusammengetragen, die selten zu lesen waren. „Was soll ein Roman?” fragt Fontane 1875. Die Antwort wird keinen Leser überraschen. Der Roman, es war und ist ganz einfach, soll „eine Geschichte erzählen, an die wir glauben”. Die erfundene Welt solle als „eine Welt der Wirklichkeit erscheinen, soll uns weinen und lachen, hoffen und fürchten, am Schluß aber empfinden lassen, teils unter lieben und angenehmen, teils unter charaktervollen und interessanten Menschen gelebt zuhaben, deren Umgang uns schöne Stunden bereitete, uns förderte, klärte und belehrte”.

Der Roman als Erweiterung, als Fortsetzung des Lebens. So sehen es Leser auch heute noch allemal, obwohl der Roman auch als artistisch-pikantes Spiel mit der Wirklichkeit verstanden werden kann. Oft aber längst im Spiel, das der Autor mit sich selbst treibt, steckenbleibt.

In Essays, Dichterporträts, Aufsätzen und Rezensionen meldet sich die Stimme des unermüdlichen Lesers Fontane. Shakespeare, Scott, Goethe, Kleist; dann die Zeitgenossen Storm, Keller, Raabe, Zola. Jean Pauls Katzenbergers Badereise findet er „nur noch für literarische Leute von reiferen Jahren genießbar”, Zola: „Alles nur Schmöker”. Den #132;Taugenichts” Eichendorffs hingegen lobt er leidenschaftlich, ein Buch, das ihm die tiefsten Seiten unseres Lebens erschließt, „ein solches Buch muß was Apartes sein”.

Die Marquise von O. hält Fontane für das Vollendetste von Kleist, bei Keller rügt er bisweilen die Form, gibt aber zu bedenken: „Zu unserm Gefühl muß gesprochen werden, im übrigen kann es drunter und drüber gehen.” Mal ist er beschreibend präzise, dann wieder schwelgt er in real-poetischen Hoffnungen, erwartet Gefühl, um schließlich gegenüber Gerhart Hauptmann rundweg vom „neuen Räuberhauptmann” zu unken. Mal analytisch und dann wieder spontan, die besten Beiträge sind beides, gezielt und getroffen. Kunst ist eben Kunst, und der Realismus will nach Fontane das „Wahre”.

Schlecht ist es vor allem und stets wieder um die gesellschaftliche Stellung des Schriftstellers bestellt. Fontane selbst kennt zur Genüge die Reihe der eigenen „Null-Grad-Erfolge”. Freilich darf sich „der mit einem englischen Musterkoffer in Helgoland Eintreffende” einer besseren Sommerfrische erfreuen „als der bloß nach Grünau hin ins Grüne Gestellte”. Doch das Bild, das der Schriftsteller in der Gesellschaft abgibt, bleibt auf „sehr mäßigem Niveau”. Eher umgibt sich die „Gesellschaft” mit dem Autor, aber Respekt und gar Ehrung versagt sie ihm, sagt Fontane. Zugleich weiß er mehr, kennt er doch alle Tiefen und Höhen, in die man unter Aufbietung aller Kräfte geraten und sich dennoch erobern kann. Das Ganze bleibt ein unerquickliches Hin und Her, selbstverständlich gewürzt mit Fontanescher Ironie: „Das ganze Metier hat einen Knacks weg. Am besten gestellt ist der Schriftsteller, wenn er gefürchtet ist. Da kann er den Kopf schon höher tragen.”



Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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