Analysen · Berichte · Gespräche · Essays



Klaus Körner

Alfred Kantorowicz - ein deutsches Schicksal

 

Der „Fall Kantorowicz” 1957

Der 22. August 1957 war ein entscheidendes Datum im Leben des Literaturwissenschaftlers Alfred Kantorowicz (1899-1979). Am späten Nachmittag dieses Tages gab er über den Sender Freies Berlin seine Flucht aus der DDR bekannt: „Mit dem heutigen Tage habe ich den Machtbereich der Ulbrichtschen Gewaltherrschaft verlassen. Damit gebe ich preis meine Ämter als Professor mit Lehrstuhl für neueste deutsche Literatur, Direktor des Germanistischen Instituts und Fachrichtungsleiter für Germanistik an der Humboldt-Universität, meine Arbeit als Direktor des Heinrich-Mann-Archivs der Deutschen Akademie der Künste, Verwalter des Nachlasses und Herausgeber des Gesamtwerks meines verehrungswürdigen Vorbildes Heinrich Mann ...” Nach dieser Aufzählung folgt ein Rückblick auf 26 Jahre Zugehörigkeit zur KPD/SED, beginnend mit dem Eintritt in die KPD 1931 in Berlin, dann folgen die Stationen Exil in Frankreich nach dem Reichstagsbrand 1933, Einsatz im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1938, Exil in den USA 1941-1946, Rückkehr in die SBZ 1947 und schließlich die Arbeit als Literaturprofessor in Berlin/DDR ab 1950. Der große Traum von einer neuen Gesellschaft, „in der soziale Gerechtigkeit und persönliche Freiheit zu schönem Ausgleich gelangen würden”, sei zerstoben. Die DDR unter Ulbricht habe sich dagegen als eine grausame und geistesfeindliche Funktionärsdiktatur entpuppt. Der 17. Juni 1953 und der Ungarnaufstand von 1956 hätten ihm die letzten Illusionen geraubt. Seine Widersetzlichkeiten hätten schon zu der Ankündigung durch SED-Leute geführt, daß im Herbst 1957 Aktionen gegen ihn und sein Germanistisches Institut bevorstünden. Mit einem Anflug von Selbstkritik bedauert Kantorowicz, durch sein Wirken als Hochschullehrer und Schriftsteller „als Zeuge für die verabscheuungswürdige Gewaltherrschaft der „Ulbricht-Clique” gedient zu haben. Die Ansprache schließt mit den Worten: „Ich  bitte  hiermit  die  zuständigen  Behörden der  Bundesrepublik,  mir  in  dem  von  ihr  gesicherten  Teil  meines  Vaterlandes  Schutz,  Aufenthalt  und  Bürgerrecht  zu  gewähren.”1

Kantorowicz' Ansprache war kein spontaner Akt, sondern Teil einer vom Pressereferenten des Gesamtdeutschen Ministeriums Ludwig von Hammerstein arrangierten politischen Inszenierung. Im „Bulletin” der Bundesregierung heißt es dazu, mit Kantorowicz habe ein „wissenschaftliches Paradepferd der östlichen Ideologie” mit dem Kommunismus gebrochen. Der Vorgang müsse im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Milovan Djilas „Die neue Klasse” gesehen werden. Der Vorgang sei „symptomatisch für das Abbröckeln der kulturellen Fassade des SED-Staates”.2

Gemäß der Bonner Regie wurde die Ansprache am selben Abend über den Sender RIAS wiederholt. Der Text wurde an alle großen westdeutschen Tageszeitungen zum Abdruck weitergeleitet. Das Ostbüro der SPD brachte eine Sonderausgabe seiner für die Verbreitung in der DDR bestimmten kleinformatigen Tarnzeitung „Sozialdemokrat” mit dem Kantorowicz-Text heraus. In der ZEIT erschien im September eine dreiteilige Langfassung unter dem Titel „Professor Kantorowicz: Rechenschaft”, die dann auch als Sonderdruck des Gesamtdeutschen Ministeriums verbreitet wurde. Für die Studenten der Humboldt-Universität schrieb Kantorowicz eine gesonderte Erklärung, die in der Westberliner Studentenzeitschrift „Colloqium” erschien. Der Allgemeine Studentenausschuß der Freien Universität Berlin war von den Texten so angetan, daß er Kantorowicz zu einem Vortrag im Auditorium maximum der FU einlud. Die Kulturzeitschrift „Der Monat” brachte ein Gespräch von Matthias Walden mit Kantorowicz („Porträt eines Spätflüchtlings”).3 Im selben Heft erschien ein Vorabdruck des Djilas-Buchs unter dem Titel „Djilas. Ein Gefangener Titos bricht mit dem Kommunismus”. Den  Abschluß  der  Aktion  bildete  ein  von  Ernest  Salter,  dem  Westberliner  „Störspezialisten  gesamtdeutscher Gespräche”,4  geführtes Fernsehinterview im Sender Freies Berlin. Hier konnte Kantorowicz bereits zu den ersten Anwürfen aus der DDR wegen seiner Flucht Stellung nehmen. Zu dem Westberliner Programm gehörte auch ein Besuch bei Bundesminister Ernst Lemmer (CDU) in seinem Berliner Büro am Kurfürstendamm und beim Regierenden Bürgermeister, Willy Brandt (SPD), im Schöneberger Rathaus.

Zwei Tage nach Kantarowicz' Flucht veröffentlicht das „Neue Deutschland” eine Stellungnahme des Schriftstellerverbandes der DDR. In dem unter anderen von Anna Seghers, Ludwig Renn und Stephan Hermlin unterzeichneten Text heißt es: „Alfred Kantorowicz, der sich bis vor kurzem Antifaschist nannte, hat den ehemaligen SA-Mann und gegenwärtigen Bonner Innenminister um Schutz und Bürgerrechte in dem von diesem Schröder ,gesicherten Teil seines Vaterlandes` ersucht.” Damit habe er alles verraten, für das er bisher eingetreten sei. Der Text schließt mit einem auf Wirtschaftsflüchtlinge und Schieber gemünzten Kantorowicz-Zitat aus der „Täglichen Rundschau” von 1949: „Wir dürfen zufrieden sein. Je mehr von der Sorte wir loswerden, desto besser für uns. Auch das ist eine Art Enttrümmerung. Es wird sauberer bei uns.”5 In einer selbstkritischen Rede vor dem Zentralkomitee der SED im Oktober 1957 ging DDR-Kulturminister Becher auch auf den „Fall Kantorowicz” ein: „Wußte ich nicht, daß Kantorowicz ein Fremdkörper in unserer Partei war, bestenfalls?” Es sei sein Fehler gewesen, in der Frage Kantorowicz nie prinzipiell aufgetreten zu sein.6 Gemäß dem Grundsatz „den Klassenfeind zitiert man nicht” verschwand der Name Kantorowicz bald aus der öffentlichen Debatte, dann aus Büchern und Bibliotheken der DDR. Der Fall Kantorowicz wurde dafür zum „operativen Vorgang” des Ministeriums für Staatssicherheit mit dem Rubrum „OV Renegat”.7 Aus Angst vor der Staatssicherheit hatte Kantorowicz seine persönlichen Dokumente und Tagebücher schon vor der Flucht heimlich nach West-Berlin geschafft. Er wollte daraus in München sein „Deutsches Tagebuch” über die Zeit von 1947 bis 1957 schreiben. Mit Bundesminister Lemmer hatte er abgesprochen, daß er nach München ausgeflogen würde, ohne in West-Berlin ein Notaufnahmeverfahren durchlaufen zu müssen, weil er nicht von westlichen Nachrichtendiensten ausgehorcht werden wollte.8

Bundespräsident Theodor Heuss schien der Fall Kantorowicz so wichtig, daß er ihn in einem Brief an Toni Stolper in New York erwähnte mit dem Zusatz: „Angeblich schreibt der Mann jetzt ein Buch. Ist Lektor bei Kindler.”9 Tatsächlich hatte Kantorowicz einen Verlagsvertrag mit dem Kindler-Buchverlag unterschrieben und einen Beratervertrag mit dem Kindler- und Schiermeyer-Zeitschriftenverlag, der ihm ein bescheidenes Einkommen für die Zeit der Niederschrift seines Deutschen Tagebuchs sichern sollte. „Kantorowicz wohnte damals in einer möblierten Zweieinhalbzimmerwohnung in München gegenüber dem Haus der Kunst”, erinnert sich Dr. Matthias Wegner, „meine Mutter war bei Kindler angestellt und kam regelmäßig in die Wohnung, wo ihr Kantorowicz sein Deutsches Tagebuch in den Stenoblock diktierte. Später hat Kantorowicz die ausgeschriebenen Texte dann redigiert. Kindler sah es als seine Pflicht an, Kantorowicz zu fördern, obwohl er wußte, daß die Einnahmen aus dem Verkauf der Bücher nie die Vorschüsse und Honorare, die er zahlte, decken würden.”10

Kantorowicz hatte sich die Münchener Wohnung von einem seiner Berliner Fluchthelfer vermitteln lassen. Jetzt stellte er fest, daß die für ihn eigentlich zu teuer war. Da lag es nahe, bei der Stadt München nachträglich einen Antrag auf Anerkennung als Sowjetzonenflüchtling und die Ausstellung des Flüchtlingausweises C zu beantragen. Damit hätte er das Recht auf eine Einrichtungshilfe erworben. Kantorowicz machte sich nach seinem großen Auftritt in West-Berlin wenig Mühe, den Antrag sorgfältig zu begründen. Er konnte nicht wissen, daß der CSU-Bundestagsabgeordnete Alois Baier davon Kenntnis erhalten und gleich den Bayerischen Arbeitsminister Walter Stain (BHE), einen ehemaligen sudetendeutschen Nationalsozialisten, einschalten würde. Zur selben Zeit liefen in München zwei Kampagnen gegen Kantorowicz. Von der linken Münchener Kulturszene wurde er als Renegat geschnitten. Der in der DDR gerade mit dem Nationalpreis ausgezeichnete Dichter Leonhard Frank weigerte sich bei einer Zufallsbegegnung in München, Kantorowicz auch nur die Hand zu reichen. Die rechtsradikale „Deutsche Soldaten-Zeitung” attackierte ihn unter dem Titel „Der enttrümmerte Oberkommunist” mit Hinweis auf den schon im „Neuen Deutschland” zitierten Beitrag aus dem Jahr 1949.

Der Abteilungsleiter im Arbeitsministerium Walter Straßmann wies Kantorowicz bei einer Anhörung darauf hin, daß er nach § 3 Abs. 1 Bundesvertriebenengesetz (BVFG)zunächst darlegen müsse, daß er sich in einer „von ihm nicht zu vertretenden und durch die politischen Verhältnisse bedingten besonderen Zwangslage” befunden habe. Selbst wenn sich Kantorowicz in einer Zwangslage befunden haben sollte, dann hätte er die durch den Umzug von Berlin-Zehlendorf nach Berlin-Pankow und die Annahme der Berufung an die Humboldt-Universität selbst zu vertreten.Außerdem habe er gemäß einer Auskunft des Gesamtdeutschen Ministeriums durch seine Veröffentlichungen zwischen 1950 und 1955 dem in der sowjetischen Besatzungszone herrschenden System erheblich Vorschub geleistet, Ausschlußtatbestand nach § 3 Abs. 2 BVFG.11

Kantorowicz versuchte jetzt, in seinem „Memorandum über die Gründe meiner Flucht aus Ostberlin vom 24. März 1958 seinen Antrag nachzubessern.12 Vergeblich - sein Antrag wurde mit Bescheid vom 8. August 1958 abgelehnt, seine Beschwerde, seine Klage und Berufungsklage blieben erfolglos. In West-Berlin ließ er, der in der DDR eine Rente als Opfer des Faschismus bezogen hatte, sondieren, ob ihm  ein  Entschädigungsanspruch  nach  dem  Bundesentschädigungsgesetz  zustehe.13 Auch im SPD-regierten West-Berlin wurde er mit dem Argument abserviert, dem SED-Regime Vorschub geleistet zu haben. An eine Berufung an eine westdeutsche Universität war ohnehin nicht zu denken. Resigniert schrieb Kantorowicz in der Einleitung zum zweiten Band seines „Deutschen Tagebuchs”, die Bundesrepublik würde jeden NS-Blutrichter, Reichstreuhänder oder SS-General dem vormaligen Kommunisten, Spanienkämpfer, Emigranten, linken Schriftsteller und Juden vorziehen.14/ 15

Wenn die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky zu Kantorowicz' 100. Geburtstag eine Gedenkausstellung (bis 20. November 1999) veranstaltete, dann war das auch ein Beitrag zum Thema 50 Jahre Bundesrepublik und 10 Jahre Mauerfall.
 

Ein Leben gegen die Zeit

Alfred Kantorowicz wurde 1899 in Berlin als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren und starb 1979 in Hamburg. Er erlebte die großen Krisen und Katastrophen dieses Jahrhunderts: Erster Weltkrieg, Untergang der Weimarer Republik, Exil in Frankreich, Spanischer Bürgerkrieg, Zweiter Weltkrieg, Neubeginn im Vier-Mächte-Berlin, Gründerjahre der DDR und Flucht in die Bundesrepublik. Fast immer nimmt er als politischer Mensch aktiv teil am Geschehen - und verliert oder muß fliehen. Seit 1926 hat er Tagebuch geführt, und ein Großteil davon ist erhalten geblieben. Diese Aufzeichnungen bilden die Grundlage für sein literarisches Schaffen, Tagebücher, Dokumentationen, kleine Biographien, Romane und Dramen. Kantorowicz ist Meister der kleinen Form, sein Werk besteht zum Großteil aus Essays, systematische Bücher oder theoretische Abhandlungen waren nicht seine Sache. Er war ein emsiger Briefschreiber. Zeitlebens hat er seine Aufzeichnungen, Briefe und Arbeiten gesammelt und zu einem großen Teil auch über die Ungunst der Verhältnisse hinwegretten können. Seinen literarischen Nachlaß hat er der Hamburger Staatsbibliothek vermacht. Was die Staatssicherheit an Unterlagen 1957 beschlagnahmt hatte, lieferte die Gauck-Behörde vor vier Jahren nach Hamburg.

Die Bibliothekare Dr. Petra Blöhdorn-Meyer, Dr. Michael Mahn und Wolfgang Gruner, der an einer Kantorowicz-Biographie arbeitet, haben den Nachlaß gesichtet und das Konzept für die Ausstellung erarbeitet. In 15 Vitrinen werden 160 Briefe, Manuskripte, Typoskripte, Zeitungsausschnitte, Bücher, Zeitschriften, Photos, Photostate, Notizhefte und Tagebücher gezeigt. Das älteste Exponat ist ein Photo aus dem Jahr 1912, das jüngste das Heft Nr. 116 der Zeitschrift „europäische ideen”: „Alfred Kantorowicz 100”.
 

Vom Kaiserheer zum Roten Block

Im ersten Abschnitt wird die Zeit von der Jahrhundertwende bis 1933 abgehandelt. Das erste Dokument, ein Foto aus dem Jahre 1912, zeigt eine Idylle, eine Gruppe Privatschüler erhält Deutschunterricht im Freien. In dem nach 1933 verfaßten undatierten Lebenslauf beschreibt Kantorowicz das prägende Ereignis seiner Generation: „Ich war als Junge im Ersten Weltkrieg wie alle meine Mitschüler kriegsbegeistert und konnte kaum erwarten, ebenfalls eingezogen zu werden. Wir kamen im Herbst 1917 als Besatzungssoldaten nach Kowno (Litauen), wo wir weiter geschliffen wurden, und im Herbst 1918 an die Westfront, um an der Ludendorff-Offensive teilzunehmen.” Kantorowicz' Kompanie wird bis auf fünf Mann „aufgerieben”, er erhält den einzigen Orden seines Lebens, das EK II. Nach Kriegsende macht er sein Notabitur und studiert in Berlin, München und Erlangen Rechtswissenschaft und Literaturwissenschaft, weil er sich mehr für die Arbeit als Journalist denn als Rechtsanwalt interessiert. In Erlangen bekommt der kriegserfahrene Student bei den völkischen Studentenverbindungen erstmals zu spüren, daß er als Jude nicht zu den richtigen Deutschen gehört. Er wird 1924 von der Juristischen Fakultät der Universität Erlangen mit einer Arbeit über „Die völkerrechtlichen Grundlagen des nationaljüdischen Heims in Palästina” zum Doktor juris utriusque promoviert. Seine Erfahrungen mit der „Brutstätte des Nazismus” in Erlangen verarbeitet Kantorowicz zum Schauspiel „Erlangen”, das gedruckt und von einem Bühnenvertrieb übernommen wird. Als Feuilleton-Redakteur arbeitet er für verschiedene Blätter. Sein bester Artikel ist eine Chronik der letzten Kämpfe an der Westfront, „Die letzten Wochen”. Mony Jacobs, Kulturchef der „Vossischen Zeitung”, druckt den Bericht am 31. Oktober 1925 als Leitartikel und bindet den jungen Autor an die Feuilletonredaktion.

In dem Artikel „Die ,goldenen zwanziger Jahre` in Mannheim. Freundschaft mit Ernst Bloch” erinnert er sich 1976 an den Beginn der lebenslangen Freundschaft mit Ernst Bloch. Das politische Weltbild des Literaturkritikers Kantorowicz ist Ende der zwanziger Jahre noch ungefestigt. Er schreibt für Zehrers konservativ-revolutionäre Zeitschrift „Die Tat”, begeistert sich kurzfristig für die bürgerliche Deutsche Staatspartei, um dann im Herbst 1931 in die KPD einzutreten. Er wohnt mit vielen anderen bekannten linken Künstlern im „Roten Block” am Laubenheimer Platz im Westen Berlins. Aus dem Jahr 1932 ist ein 260 Seiten langes Manuskript mit dem Titel „Die deutsche Jugend ringt mit der Zukunft” erhalten geblieben. Das ausgestellte Inhaltsverzeichnis bietet einen Reigen von 42 kämpferischen Schriftstellern und Journalisten, die alle um die Jahrhundertwende geboren sind und von Kantorowicz für wichtig gehalten werden. Das reicht von der politischen Rechten bis zur politischen Linken, von Ernst Jünger bis Johannes R. Becher. Ausgespart sind dabei Verfasser des verachteten Juste milieu der Weimarer Zeit, Sozialdemokraten und Deutsche Demokraten. Nicht gezeigt wird Kantorowicz' Einsatz als Kontaktmann der KPD zu nationalrevolutionären Kreisen und seine Agitationstätigkeit gegen das Vordringen des Nazismus Anfang der dreißiger Jahre.
 

Exil in Frankreich 1933-1941

Wegen eines kämpferischen Zeitungsartikels lebt Kantorowicz ab Februar 1933 im Untergrund und flieht im März nach Frankreich. Ein Photo aus dem Jahre 1935 zeigt ihn in Paris, Rue de Tournon, im Hotel Helvetia, in dem er schon 1928 als Kulturkorrespondent der „Vossischen Zeitung” gewohnt hatte. Die ersten Monate arbeitet er unter Anleitung des Propaganda-Experten der KPD Willi Münzenberg an dem wirksamsten Exilbuch mit, dem Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror, das 1933 erscheint. Zum Autorenteam gehören Gustav Regler, Alexander Abusch, Max Schröder und Arthur Koestler, die Kantorowicz noch aus Berlin kennt. Sein Beitrag ist das Kapitel „Die Judenverfolgung in Deutschland”. Eine Folge dieser Arbeit ist die Ausbürgerung. Die Ausstellung präsentiert den „Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger” vom 3. November 1934. Der Name Kantorowicz steht in der Mitte dieser dritten Ausbürgerungsliste. Als Sekretär des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller ist er mitbeteiligt an der Herstellung und Verbreitung von Tarnschriften, die nach Deutschland expediert werden. Gezeigt werden „Lyon's Tee Rot Etikett” mit Texten von Heinrich Mann, Gustav Regler und anderen sowie die Tarnschrift „Schnelle Zugverbindungen” mit dem Text von Heinrich Mann „Wehrt Euch!” Die für die Arbeit am Braunbuch beschafften Bücher bilden die Grundlage für die Bibliothek der verbrannten Bücher (Deutsche Freiheitsbibliothek), die am Vorabend des ersten Jahrestages der Bücherverbrennung am 10. Mai 1934 eingeweiht wird. Kantorowicz veröffentlicht dazu einen Aufsatz in Münzenbergs Zeitung „Der Gegenangriff” vom 19. Mai 1934.

Das große Ereignis der dreißiger Jahre ist der Erste Internationale Schriftstellerkongreß zur Verteidigung der Kultur in Paris im Juni 1935. Das ist der Versuch, eine Art kultureller Volksfront unter den Schriftstellern zu bilden. Kantorowicz wirkt als Assistent von Johannes R. Becher an der Vorbereitung des Kongresses mit, zu sehen ist der Programmzettel. Als erste selbständige Veröffentlichung von Alfred Kantorowicz erscheint 1936 die Aufsatzsammlung „In unserem Lager ist Deutschland”. Neben seinen vielfältigen Einsätzen als Propagandist findet er noch Zeit für einen autobiographischen Roman Der Sohn des Bürgers. Doch das Manuskript wird von der Zensur der KPD abgelehnt. In einem von Wilhelm Pieck unterzeichneten Votum heißt es, die Arbeit sei nicht geeignet, dem damit verfolgten Zweck der Unterstützung des antifaschistischen Kampfes, Anhänger für die Kommunistische Partei zu werben, zu dienen.16 Dieser nicht in der Ausstellung dokumentierte Vorgang ist vielleicht eine der Erklärungen dafür, daß Kantorowicz ein eifriger Parteiarbeiter ist und gleichzeitig in sein geheimes Tagebuch vernichtende Urteile über die geistesfeindlichen KPD-Funktionäre einträgt.

Nach dem Kriegsbeginn im September 1939 wird der staatenlose Kantorowicz als Deutscher verhaftet und in das Internierungslager Les Milles in Südfrankreich eingeliefert. Ein Foto aus dem Jahr 1940 zeigt ihn im Lager.
 

Spanischer Bürgerkrieg 1936-1938

Spanien, das war 1936 die große Herausforderung für die linke Intelligenz, für Freiheit und Demokratie und gegen den Faschismus zu kämpfen. Die Spanien-Vitrine zeigt Kantorowicz auf einem Foto in der Uniform eines Offiziers der Internationalen Brigaden, dazu die Tagebucheintragung: „Für mich gibt es nichts anderes als nach Spanien zu gehen. Man kann hier nicht herumsitzen und klönen.” Ein zweites Foto zeigt ihn und seine Frau Friedel, die als Sprecherin für das deutschsprachige Programm von Radio Madrid tätig ist. Die meiste Zeit ist Kantorowicz als Informationsoffizier an der Front im Einsatz. Er schreibt für Frontzeitungen und erhält den Auftrag, aus den Aufzeichnungen seiner Mitkämpfer des Bataillons „Tschapaiew” eine Dokumentation zusammenzustellen, die 1938 unter schwierigsten Bedingungen in Madrid herauskommt. Die Ausstellung zeigt das Buch und den Andruck des mehrfarbigen Schutzumschlages.

Aus seinen Tagebuchaufzeichnungen erarbeitet er in Frankreich das Spanische Tagebuch, das aber erst 1948 in Berlin erscheint. Der Spanische Bürgerkrieg bleibt über Jahrzehnte Kantorowicz' großes Thema, das er in Vorträgen und Aufsätzen abhandelt. Die letzte Arbeit vor seinem Tod 1979 ist ein Vorwort für die Neuausgabe des Spanischen Kriegstagebuchs in der Reihe „Bibliothek der verbrannten Bücher” des Konkret Literatur Verlags in Hamburg.
 

Exil in den USA 1941-1946

1941 gelingt Kantorowicz mit seiner Frau die Flucht auf einem Frachter von Marseille über Martinique nach New York. „Mit der Ankunft in Amerika begann die sorgloseste Zeit unseres Exils”, schrieb er rückblickend. Die Amerikavitrine zeigt Typoskripte autobiographischer Texte, so über den Zwangsaufenthalt in Martinique oder die englische Fassung des in Frankreich zurückgelassenen Romans Der Sohn des Bürgers. Auch in New York gelingt es ihm 1943, eine Gedenkfeier zum Jahrestag der Bücherverbrennung zu organisieren. Gezeigt wird in Hamburg die Einladungskarte mit dem Motto: „Free World Unity through Free Creative Art”.

Kantorowicz erhält eine Anstellung beim Rundfunksender CBS. Seine Hauptaufgabe besteht im Abhören (Monitoring) deutscher Sender. Seine erfreulichste Meldung stammt vom 1. Mai 1945: Tod Adolf Hitlers. Nebenher kann er aber auch ein wenig als Literaturkritiker arbeiten, er schreibt kurze Features über europäische Schriftsteller. Durch die Arbeit für CBS lernt er den früheren Berlin-Korrespondenten William L. Shirer kennen. Gezeigt wird ein Brief Shirers vom 12. November 1945. Darin übermittelt er noch unter dem frischen Eindruck eines Berlin-Aufenthalts Kantorowicz' die dringende Bitte von Freunden, nach Deutschland zurückzukehren. Kantorowicz entschließt sich zur Rückkehr und schreibt für die Zeitschrift „German American” vom 15. Oktober 1946 „Abschied von Amerika”.
 

Ost und West 1947-1949

Mitte Januar 1947 kommen Alfred und Friedel Kantorowicz nach einem Zwischenaufenthalt in Bremen in Berlin an. Wie andere Remigranten aus den USA auch, erhalten sie die Aufforderung, im Amerikanischen Sektor von Berlin, in Berlin-Zehlendorf, Wohnung zu nehmen. Ein Grund für Kantorowicz' schnelle Rückkehr war seine Absicht, schnell wieder schreiben zu können. Aber er hat auch sein Interesse an der Übernahme einer Professur angemeldet. Seine erste öffentliche Stellungnahme wird am 12. Februar 1947 in der amerikanischen „Neuen Zeitung” veröffentlicht. Seinen Vertrag als fester freier Mitarbeiter erhält er aber von der sowjetischen „Täglichen Rundschau”. Von der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland/Propagandaleitung kommt auch die Lizenz für die Herausgabe der Kulturzeitschrift „Ost und West”. Gezeigt wird eine Fotokopie der Lizenzurkunde. Die Zeitschrift sollte geistige Brücken zwischen Ost und West schlagen, für Verständigung, Ausgleich und antifaschistische Aufklärung sorgen. Im ersten Heft vom Juli 1947 ließ Kantorowicz drei ausländische Schriftsteller mit Texten zum Spanischen Bürgerkrieg zu Wort kommen, den Franzosen Georges Bernanos, den Amerikaner Theodore Dreiser und den Russen Ilja Ehrenburg. Die Zeitschrift paßte hervorragend in das Konzept der Sowjets, mit einer kulturellen Volksfront-Strategie um die deutsche Intelligenz zu werben. Die Auflage der in allen Zonen verbreiteten und vielbeachteten Zeitschrift überstieg bald 70 000Exemplare. Die Verlagsräume des Ost und West Verlages befanden sich in Berlin-Pankow. Ein Foto aus dem Jahre 1948 zeigt den Herausgeber Kantorowicz in etwas kahler Umgebung. Wie schon im Exil, so schafft er es auch in Berlin wieder, eine Veranstaltung „Der Tag des freien Buches. Zum Gedenken an die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933” durchzuführen. Das Vorwort zu der Broschüre stammt vom Leiter der sowjetischen Propagandaverwaltung Prof. Sergej I. Tulpanow. Gleichzeitig kommt in Großauflage von 60 000 mit amerikanischer Lizenz die von Alfred Kantorowicz und Richard Drews zusammengestellte AnthologieVerboten und verbrannt. Deutsche Literatur - 12 Jahre unterdrückt im Ullstein-Kindler Verlag Berlin und München heraus. Auf dem ersten gesamtdeutschen Schriftstellerkongreß in Berlin referiert Kantorowicz über Exil-Literatur.17 Seine wichtigsten Artikel und Ansprachen der letzten zehn Jahre veröffentlicht er 1949 unter dem Titel Vom moralischen Gewinn der Niederlage. Fast gleichzeitig erscheint in dem inzwischen mit einer weiteren sowjetischen Lizenz betriebenen Alfred Kantorowicz Verlag der Sammelband Suchende Jugend. Kantorowicz ist 1948 ein in der Gesamtberliner Kulturszene hochangesehener Mann. Doch mit dem Ausbruch des Kalten Krieges war alles vorbei. Die Währungsreform und Spaltung ließen die Auflage in Ost und West schlagartig auf etwa 5000 Exemplare herabsinken. Die SED, der er nicht einmal angehört hatte, warf ihm vor, statt klar für das Friedenslager und gegen das Kriegslager Stellung zu beziehen, einen versöhnlerischen Kurs zu fahren. Für „Ost und West” war kein Platz mehr. Das vorletzte Heft dokumentiert die Gründung der DDR.
 

Professor an der Humboldt-Universität Berlin 1950-1957

Wegen der hohen Abwanderung von Professoren aus der Sowjetzone hatte die Deutsche Verwaltung für Volksbildung Kantorowicz schon 1948 in ihre Personalreserve aufgenommen. Nach dem Ende von „Ost und West” wird er im November 1949 zum Professor mit Lehrauftrag ab Januar 1950 ernannt. Sein in der Ausstellung gezeigter dreiseitiger Vorlesungsplan für das Fach „Neueste deutsche Gegenwartsliteratur” dokumentiert sein Literaturverständnis. Gegenwartsliteratur ist für ihn die große Literatur der 20er Jahre und des Exils. Vorlesungsteilnehmer aus den frühen 50er Jahren berichten, wie Kantorowicz seinen Darlegungen durch Anekdoten über seine Begegnungen und Erfahrungen mit diesen Schriftstellern besondere Authentizität verleihen konnte. Werke des sozialistischen Realismus, Aufbau-, Betriebs- oder Bodenreformromane kamen darin nicht vor. Damit waren längerfristig Spannungen mit der SED-Administration vorprogrammiert.18 Dennoch wird er 1951 zum Professor mit vollem Lehrauftrag und 1954 Professor mit Lehrstuhl und 1955 zum Fachrichtungsleiter der Fachrichtung Germanistik und zum Direktor des Germanistischen Instituts ernannt. Die Ausstellung zeigt die Ernennungsurkunde von 1954 und ein Foto von Kantorowicz in der Professorenrobe.

Neben seiner Lehrtätigkeit schreibt er noch ein Schauspiel, „Die Verbündeten”, das aber auch nach einmaliger Aufführung am 4. Juli 1951 am Deutschen Theater auf Weisung des Kultursekretariats der SED wieder vom Programm abgesetzt wird. Im Beschluß des ZK der SED „Der Kampf gegen den Formalismus” vom März 1951 ist Kantorowicz noch als Autor erwähnt worden, auf dessen Leistungen alle „fortschrittlichen Deutschen mit Recht stolz” seien.19 Konfliktpunkte, die in der Ausstellung nur durch die verschiedenen undatierten Lebensläufe dokumentiert sind, ergeben sich aus der Überprüfung der Westemigranten, die jetzt als politisch unzuverlässig verdächtigt werden. So wird das bisher in drei Auflagen verbreitete Spanische Tagebuch nach 1951 beanstandet.

Kantorowicz' Hauptarbeit gilt der Herausgabe der „Ausgewählten Werke” von Heinrich Mann, den er als seinen „bewunderten väterlichen Freund und geistigen Berater” bezeichnet. Persönliche Beziehungen bestanden seit der Anfangszeit des Exils, als Heinrich Mann Präsident des Schutzverbandes Deutscher Schriftsteller war und Kantorowicz dessen Generalsekretär. Die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Humboldt-Universität an Heinrich Mann geschah auf Anregung von Kantorowicz. Ausgestellt wird ein Brief Heinrich Manns an Kantorowicz von 1947 in Kopie. Als Original dazu ein Brief von Wilhelm Pieck von 1950, in dem er Kantorowicz den Erwerb einer Briefsammlung von Thomas Mann mitteilt. Zwei Fotos zeigen Kantorowicz bei einer Feier der Deutschen Akademie der Künste zu Ehren von Heinrich Manns 80. Geburtstag am 27. März 1951 beziehungsweise vor einer aus diesem Anlaß geschaffenen Heinrich-Mann-Büste. Die letzte von vier kleineren Arbeiten über Heinrich Mann ist ein wegen der Flucht Manuskript gebliebenes Nachwort zu Heinrich Manns Jagd nach Liebe von 1957, das dann gekürzt in der ZEIT vom 17. April 1958 gedruckt wird. Als Verwalter des Nachlasses von Heinrich Mann und designierter Leiter des Thomas-Mann-Archivs bei der Akademie der Wissenschaften könne er es notfalls weiter aushalten, schreibt Kantorowicz am 16. März 1955 in sein Tagebuch.
 

Die Bundesrepublik als Exil 1957 - 1979

„Wer drüben 'raus ist, ist auch hier 'raus.” Unter diesem Titel erschien im Oktober 1960 in der „Welt” eine Serie von Interviews mit Alfred Kantorowicz und anderen ehemaligen DDR-Bürgern, die als ehemalige Kommunisten in der Bundesrepublik wenig Verständnis und Lebenshilfe gefunden hatten.20 Für Kantorowicz hatte die unfreiwillige Isolierung in München zur Folge, daß er in den vier Jahren sein gewichtigstes Werk schuf, das zweiteilige Deutsche Tagebuch. Der erste Band über die Jahre 1946 bis 1949 erschien 1959, der zweite über die Jahre 1950 bis 1957 kam 1961 heraus. Die Tagebuch-Bände sind mit längeren Vor- und Nachworten versehen, die den Lebensweg und die Ansichten des Autors und die Entstehungsgeschichte der Bücher erläutern. Dazwischen sind immer wieder Rückblenden, Exkurse, kleine Essays, Dokumente und Briefe eingebaut. Die negative Charakterisierung vieler namentlich genannter ehemaliger politischer Weggefährten in der KPD und der allgemeine Haß auf die Diktatur der Funktionäre lassen Zweifel daran aufkommen, ob diese Gewichtung bereits in den Originalaufzeichnungen oder erst bei der Ausarbeitung entstanden ist.21 Doch ist jede Tagebuchveröffentlichung eine Form der literarischen Bearbeitung, eine Art Autobiographie. Die Vorabveröffentlichung als Serie in der ZEIT war für viele etwas Sensationelles. Doch das Interesse an der Kulturgeschichte der DDR war in Westdeutschland nicht groß genug, um aus den Bänden Bestseller zu machen. Der Verkauf der gekürzten Ausgabe von Band 1 als Kindler-Taschenbuch war so schleppend, daß der Verleger darauf verzichtete, auch Band 2 als Taschenbuch herauszubringen. Im Nachwort zu Band 2 hatte Kantorowicz das Erscheinen eines dritten Bandes über seine Erfahrungen in der Bundesrepublik angekündigt. Tatsächlich ist weder der dritte Band erschienen noch sind im Nachlaß Tagebücher oder aussagekräftige Dokumente vorhanden, abgesehen von Briefen.

„Von Hamburg wüßte ich Gutes zu berichten”, schrieb Kantorowicz am 7. November 1962 an Peter Griesinger, „in der weltoffenen Atmosphäre der Freien und Hansestadt beginne ich wieder zu atmen.” Hilfe kam aus Hamburg von vier Seiten. Der Rundfunkjournalist Axel Eggebrecht, Weggefährte aus der Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz, vermittelte Kantorowicz an die Kulturredaktionen der großen Sender. Der ZEIT-Verleger Gerd Bucerius war so empört von den Bayerischen Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen, daß er die Kosten für eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht übernahm. Am 1.Dezember 1966 hob das Gericht das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bayerischen Verwaltungsgerichts, den Beschwerdebescheid der Regierung von Oberbayern und den Bescheid der Landeshauptstadt München auf und verpflichtete die Stadt, den beantragten C-Ausweis auszustellen.22 Der in der Zeit der Großen Koalition zum Bundesminister aufgestiegene ehemalige Kommunist Herbert Wehner (SPD) verlieh Kantorowicz 1969 den mit 10 000 Mark dotierten Thomas-Dehler-Preis für Literatur des Gesamtdeutschen Ministeriums. Der Hamburger Kultursenator Biermann-Ratjen setzte Kantorowicz auf die Liste der Aktion „Deutsche Künstlerhilfe”, einen vom Bundespräsidenten verwalteten Fonds, der im Gnadenwege einen monatlichen Ehrensold von 500 Mark zahlt.23 Die Freie Akademie der Künste nahm Alfred Kantorowicz 1965 als ordentliches Mitglied auf und verschuf ihm damit auch eine gewisse Anerkennung. Zu seinem 70. Geburtstag erschien die Festschrift „Wache im Niemandsland”.

Mit der Ausstellung „Exil-Literatur 1933-1965” der Deutschen Bibliothek begann das wissenschaftliche Interesse an der weiteren Erforschung. Kantorowicz kam damit in den Genuß von Förderungsmaßnahmen der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die letzte Vitrine präsentiert die in Hamburg entstandenen Bücher und Vorträge zum Exil in Frankreich. - Zur Ausstellung ist ein 30seitiges Bschriftungsverzeichnis (Handout) erschienen. Die Staatsbibliothek zeigt den 1968 von Ralph Giordano gedrehten Fernsehfilm über Kantorowicz „O, gäb' es eine Fahne”.
 

ANMERKUNGEN

1 Kantorowicz, Alfred: Ich konnte nicht anders, Welt v. 24.8.1957

2 Bulletin 1957, S. 1470 f., 1478

3 Walden, Matthias (Ps. Otto v. Sass): Porträt eines Spätflüchtlings, in: Der Monat, 9. Jhg. 1957, H. 108, S. 83-88

4 Becher, Johannes R.: Offener Brief an die Süddeutsche Zeitung vom Juli 1955, in: ders., Gesammelte Werke Bd. 18, Berlin u. Weimar 1981, S. 467

5 Neues Deutschland v. 25. August 1957 - Neue Deutsche Literatur, 5. Jhg. 1957, H. 9, S. 7

6 Becher, Johannes R.: Diskussionsrunde auf der 33. Tagung des ZK der SED v. 16.-19. Oktober 1957, in: Gansel, Carsten (Hrsg.): Der gespaltene Dichter. Johannes R. Becher. Gedichte, Briefe, Dokumente 1945-1958, Berlin 1991, S. 213 f.

7 Walther, Joachim: Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller und Staatssicherheit in der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1996, S. 70 f., 666 f.

8 Lemmer, Ernst: Manches war doch anders, Frankfurt a. M. 1968, S. 370

9 Heuss, Theodor: Tagebuchbriefe 1955/1963, Tübingen 1970, S. 275

10 Mitteilung von Herrn Dr. Matthias Wegner v. 26. August 1999

11 Kantorowicz-Debatte im Bayerischen Landtag, 3. Wahlperiode 1954, S. 4689-4691

12 Alfred Kantorowicz 100, europäische ideen, Heft 116, Berlin 1999, S. 34-38

13 Briefe 2, europäische ideen, Heft 50, Berlin 1981, S. 61

14 Kantorowicz, Alfred: Deutsches Tagebuch, zweiter Teil, München 1961, S. 39; Merz, Peter: Und das wurde nicht ihr Staat. Erfahrungen emigrierter Schriftsteller mit Westdeutschland, München 1985, S. 266 f.

15 Hans Mayer, Kantorowicz` ebenfalls 1957 angefeindeter Professoren-Kollege zog aus dem „Fall Kantorowicz” 1963 den Schluß, seinen Abgang in die Bundesrepublik umsichtiger und unspektakulär ins Werk zu setzen. Vgl. Mayer, Hans: Deutscher auf Widerruf, Erinnerungen Bd. II, Frankfurt a. M. 1984, S. 263 ff.

16 Pieck, Wilhelm: Über deutsche und antifaschistische Literatur. Vier Briefe aus dem Jahre 1936, hrsg. v. Simone Barck, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 31. Jhg. 1989, S. 192-199, 196 f.

17 Erster Deutscher Schriftstellerkongreß 1947. Protokolle und Dokumente, hrsg. v. Ursula Reinhold u. a., Berlin 1997, S. 142 ff.

18 Boden, Petra und Rainer Rosenberg (Hrsg): Deutsche Literaturwissenschaft 1945-1965, Berlin 1997, S. 134 f.

19 Dokumente der SED, Bd. III, Berlin 1952, S. 432

20 Spittmann, Ilse: Die Bundesrepublik als Exil, in: SBZ-Archiv, 11. Jhg. 1960, S. 321 f.

21 Rohrwasser, Michael: Der Stalinismus und die Renegaten, Stuttgart 1991, S. 105-128

22 Bundesverwaltungsbericht, Urteil v. 1. Dezember 1966, Az. BverG VIII C 27.65, Kopie im Besitz d. Verf.

23 Bundeshaushaltsplan 1965, Erläuterung zu Titel 0602-660 1g



Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
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