Rezension von Bernd Heimberger



Edles Eisen

Richard Serra: Sculpture 1985-1998
Steidl Verlag, Göttingen 1998, 240 S.
 

Der Eisen-Mann ist da. Gewandet in schlichtes, feines, schwarzes Leinen. So gibt sich und so gibt es in einem edlen Bildband „Richard Serra, Sculpture 1985-1998”. Eine Ehrung, im sechzigsten Jahr, für den weltbekanntesten Metall-„Bildhauer” der Nach-Moore-Ära. Ein gutes Englisch muß man schon mitbringen, um die Texte der Edition lesen zu können, die anläßlich der Serra-Exhibition des „Museum of Contemporary Art”, Los Angeles, publiziert wurden. Um Serra sehen zu können, kommt es auf kein Amerikanisch, Englisch, Französisch oder Deutsch an. Serras Skulpturen wollen mit Augensinn gesehen werden. Nicht fürs bloße Angucken geschaffen, sind die Stahlbänder und -blöcke des Metallgestalters vor allem für das andere Ansehen der Räume da, in denen Serra seine Arbeiten aufstellt. Dem geistigen Bruder Henry Moore gemäß, korrespondiert die Kunst Serras mit natürlichen wie architektonischen Gegebenheiten. Der Betrachter hat die Gelegenheit, neue Beziehungen zwischen Raum und Skulptur herzustellen. Wer 1987 auf der Documenta 8 in Kassel die Installationen des Künstlers sah, wird sich erinnern und wissen, was gemeint ist.

Wer an Serra denkt, denkt an Eisen, rostendes Eisen, denkt an Eisenerz. Dem Eisen, aus der Erde geholt, gibt der Künstler die einfachste geometrische Form. Das Eisen, im Feuer geformt, wird, durch den Standort der Skulptur, Luft und Wasser ausgesetzt. Vom Betrachter unabhängig, beginnt das Metall eine Korrespondenz mit den Naturelementen. In dieser Korrespondenz verlieren die robusten, wuchtigen, gewaltigen Skulpturen ihre Robustheit, Wuchtigkeit, Gewaltigkeit. Die Installationen haben etwas von den Altären der Kirchen, die den Eindruck erwecken, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu vereinen. Sie haben etwas von den Mauern, die sich die Menschheit seit Menschengedenken setzt. Mit seiner Kunst öffnet Serra manchmal Mauern. Manchmal macht er die Menschen klein, wenn sie zu seinen Metall-Altären aufschauen müssen. Konsequent, wie Richard Serras Skulpturen, werden sie in Schwarzweißfotos präsentiert. Von Dirk Reinartz meistergemäß fotografiert, so daß manches Bild fotografischen Reiz hat.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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