Rezension von Walter Unze


 

Eine fragwürdige Heldenverehrung
Marta Rojas/Mirta Rodríguez Calderón:
Tania la Guerillera
Herausgegeben und überarbeitet von Nadja Bunke.
Karl Dietz Verlag Berlin, Berlin 1998, 223 S.
 

Wenn ein Buch, das 1973 zum erstenmal in deutscher Sprache (damals im Militärverlag der DDR) erschienen ist, 1998 in einem anderen Verlag neu herauskommt, obwohl sich vieles in dieser Zeit verändert hat, was auch den Inhalt dieses Buches betrifft, dann sollte es dafür triftige Gründe geben, die der Leser nachvollziehen kann. Den Hauptgrund findet man in dem im Anhang abgedruckten Interview, das Nadja Bunke 1998 der Zeitung „Junge Welt” gegeben hat. Darin wird deutlich, daß sie sich gegen ein 1997 im Aufbau-Verlag erschienenes Buch (von José A. Friedl Zapata) über ihre Tochter Tamara Bunke wendet, weil es fehlerhaft sei und Lügen verbreite. Dagegen betont sie, daß das vorliegende Buch das „einzige authentische, wahrheitsgetreue Buch über Tamara” darstelle. Deshalb hat sie es wohl als „erweiterte und aktualisierte Neuauflage” herausgegeben.

Daß es über Tamara Bunke im Zusammenhang mit der breiten und widersprüchlichen Literatur zu Che Guevara (1928-1967) die unterschiedlichsten Aussagen gibt, ist nicht verwunderlich. Als die 1937 in einer deutschen Emigrantenfamilie in Argentinien geborene Haydée Tamara, die seit 1952 in der DDR lebte, den ebenfalls in Argentinien geborenen kubanischen Revolutionsführer Che Guevara kennenlernte (1960), schien ihr weiterer Weg vorgezeichnet. 1961 ging sie nach Kuba, wurde als Kundschafterin ausgebildet, lebte seit 1964 unter falschem Namen in Bolivien, schloß sich 1967 der Partisanengruppe Guevaras an und wurde am 31. August 1967 getötet. Behauptungen über Tamara Bunkes Tätigkeit für den sowjetischen oder DDR-Geheimdienst sind ebenso häufig aufgestellt worden wie Spekulationen über eine Liebesbeziehung zwischen Tamara und Che. Exakte Belege und beweiskräftige Aussagen darüber liegen nicht vor. Das hat auch der Mexikaner Jorge G. Castaneda in seinem Buch über Che Guevara (deutsch 1997, vgl. Berliner LeseZeichen 3/98) festgestellt. Daß nunmehr die Mutter von Tamara mit Aussagen aus dem KGB und den Stasi-Archiven dies zu erhärten bemüht ist, erscheint legitim und verständlich.

Fraglich ist jedoch, ob es dazu der Neuauflage eines Buches bedurfte, in dem bei aller Materialfülle und allen interessanten Bildern und Dokumenten die Version einer kritiklosen Heldenverehrung unangetastet bleibt. Wenn davon ausgegangen wird, daß hier „eine Einschätzung der historischen Rolle von Tania im revolutionären Kampf in Bolivien” getroffen werden soll, dann muß man wohl doch Zweifel am Anliegen des Buches als einzig wahrheitsgetreuem Buch über Tamara Bunke anmelden. Wenn man hier von einer „historischen Rolle” einer jungen Frau spricht, wenn man vom „revolutionären Kampf in Bolivien” spricht - von dessen Realität bereits zu Lebzeiten viele auch linke Kräfte keineswegs überzeugt waren -, dann meine ich, wäre ein nüchterneres, sachlich richtigeres Betrachten der Verhältnisse und Umstände von Tamaras Kampf und Tod angebracht gewesen. Das hätte eine Überarbeitung leisten müssen. Ohne den persönlichen Mut eines Che, einer Tamara Bunke oder anderer Weggenossen der beiden in Frage stellen zu wollen, muß man doch nach dem Wert und der Berechtigung des bewaffneten Kampfes fragen, der künstlich in ein fremdes Land getragen wurde. Vor allem aber wäre es notwendig gewesen, den geradezu inflationistischen Gebrauch von „Revolution”, „Revolutionär”, „revolutionärer Kampf” usf. zurückzunehmen. Wenn heute ein Buch über Menschen wie Tamara Bunke erscheint, dann sollte man dabei auch immer ohne Heldenpathos die Frage nach dem Sinn eines solchen Lebens, solcher Taten stellen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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