Rezension von Jan Eik


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True Crime aus Ostdeutschland

 

Wolfgang Mittmann: Aktion Roland
Jagd auf einen Frauenmörder.

Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1999, 250 S.

 

Man will hoffen, daß alle amtierenden Hauptkommissare der Kriminalpolizei sich so intensiv mit ihren Fällen befassen, wie es ihr Kollege i.R. Wolfgang Mittmann nun schon in seinem dritten Band mit den großen, teils vergessenen, teils aus durchsichtigen Gründen unterdrückten Fällen der Volkspolizei tut. Mittmann, von Kindesbeinen an Krimisammler, seit 1964 Hörspiel-, Fernseh- und Krimiautor und zusammen mit dem Literaturwissenschaftler Reinhard Hillich Herausgeber der verdienstvollen Bibliographie Die Kriminalliteratur der DDR 1949-1990 (Berlin 1991), kann als profunder Kenner der (ost-)deutschen Kriminalgeschichte gelten. Aus dem angeblichen Eisenbahnattentat von Burkau, dem Dessauer DCGG-Prozeß, den Todeschüssen von Uckro und den Tatsachen, die dem DEFA-Film „Alarm im Zirkus” zugrunde liegen, haben Mittmann und ich gemeinsam Originalton-Features für den Rundfunk gestaltet und dazu noch einmal viele Zeitzeugen befragt.

Auch zu Willi Kimmritz, dem „Schrecken der brandenburgischen Wälder”, hat es einen DEFA-Film gegeben; „Leichensache Zernick” (1971) lehnte sich in Teilen an die reale Jagd auf den Räuber und Vergewaltiger an, der in den Jahren 1947/48 zahllose Frauen überfiel und mindestens vier von ihnen ermordete. Mit der ganzen Wahrheit hielt man sich zurück, war doch der lange zur Fahndung ausgeschriebene Täter schließlich im französischen Sektor von Berlin verhaftet und ohne große Umstände an die Volkspolizei ausgeliefert worden. In Fällen derartiger Gewaltkriminalität arbeiteten die Kriminalisten auf beiden Seiten der Grenze in den frühen Jahren nämlich durchaus noch zusammen. Kimmritz wurde in Potsdam vor das Schwurgericht gestellt, zum Tode verurteilt und im Juli 1950 in Frankfurt/Oder hingerichtet.

Wie in den beiden ersten Bänden Fahndung und Tatzeit (beide in zweiter Auflage und jetzt in einem gemeinsamen Band vorliegend) räumt Mittmann auch diesmal zugunsten der Wahrheit mit mancherlei Legenden und weitverbreiteten Vorurteilen auf und belegt alle seine Recherchen mit Fotos und Dokumenten. Anders als in den ersten Sammlungen, die sich jeweils mit mehreren Fällen beschäftigen, konzentriert er sich diesmal ausschließlich auf die Aktion Roland und ihr Umfeld und liefert ein exakt recherchiertes und flüssig geschriebenes Zeitmosaik, das sich spannender liest als mancher Kriminalroman. Über einige Formulierungen mag man streiten, aber daß ausgerechnet ein Professor für Strafrecht am Institut für Kriminalwissenschaften dem Autor in einer Rezension einerseits „akribisches Polizistendeutsch” und andererseits „geschmacklosen Voyeurismus” vorwirft, zielt ebenso an Mittmanns Intentionen und an seiner Darstellungsweise vorbei wie die Behauptung, die Buchreihe soll offenbar das Interesse an detailgenauen Schilderungen spektakulärer Kriminalfälle befriedigen. Vielmehr geht es dem Kriminalisten Mittmann um die detailgetreue Beschreibung der Aufklärung spektakulärer und bis dato verschwiegener Kriminalfälle. Im übrigen war Hasso Schützendorf, der heutige Autokönig von Mallorca, der nach Ansicht des Professors alle Klischees bediente, kein Brillen-, sondern ein Optik-Schieber, der hochwertige Fotoapparate und optische Geräte nach Spanien schmuggelte. Bücher, die man rezensiert, sollte man vorsichtshalber vorher lesen...

Es besteht kein Zweifel, der erfahrene Kriminalist und Autor Wolfgang Mittmann hat die ihm entsprechende Form des „true crime”, des Dokumentarkrimis, endgültig für sich und seine zunehmende Leserschar entdeckt und erschlossen. Das läßt auf Fortsetzungen hoffen. Mittmann beweist es: Unsere eigene Geschichte gibt viel mehr Interessantes her, als die Medien vierzig Jahre lang glauben ließen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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