Rezension von Waldtraut Lewin


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Die personifizierte Weisheit Gottes

 

Marianne Fredriksson: Maria Magdalena
Roman.


Aus dem Schwedischen von Senta Kapoun.
Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt/M. 1999, 285 S.

 

Sofia, die personifizierte Weisheit Gottes, hat Frau Fredriksson die Hand geführt, nachdem sie, laut eigener Aussage im Klappentext, „Theologie, Religionsgeschichte, Mythologie und griechische Philosophie” zu studieren begann. Donnerwetter, sagt man sich da. Die Dame klotzt ja wirklich 'ran. Da kann man ja gespannt sein, bei solchem Aufwand an Recherche und Vorbereitung.

Leider, die Erwartungen werden nicht erfüllt. Bestenfalls feministisch geschminkte Aufklärungstheologie wird uns da mit einer gewissen Einfalt angeboten; Jesus war ganz anders (na klar!), die Apostel haben sowieso alles verfälscht (wußten wir auch schon), der Weg in die positive Religion ist von Männern beschritten worden, die einfach engstirnig waren und recht behalten wollten (was sicher der Realität sehr nahekommt, aber auch keine Entdeckung ist), und daß Jesus und Maria Magdalena ein Verhältnis hatten, war mir eigentlich auch schon immer klar.

„Weibliches Christentum„ ist en vogue, seit es Theologinnen gibt, und ich erinnere mich da an Damen, die eine ganz andere Lippe riskiert haben als unsere Autorin - vor allem auf der Basis einer wirklich fundierten Wissenschaft. Denn der Flirt Fredrikssons mit der hehren Sofia, der Verkörperung der Gottesweisheit, kann wirklich nur ein One-Night-Stand gewesen sein. Jedenfalls ist nicht allzuviel hängengeblieben. „Von Jesus, den Menschen, Landschaften und Kulturen” erzählt laut Werbetext die Titelheldin „ergreifend persönlich und lebhaft”. Stimmt. Und gerade das ist der Pferdefuß des Buches. Es ist eine unglaubliche Naivität des Blickwinkels, eine Trivialisierung des Mythos, ein geradlinig-oberflächliches „So war das damals”, wie wir es aus Trivialschmökern wie Quo vadis oder Die letzten Tage von Pompeji kennen. Alle Leute reden so wie der Gewerkschaftsboß und die Krämerin in Stockholm um die Ecke, und was die Authentizität des kulturgeschichtlichen Details angeht - da hatte Monty Pythons „Leben des Brian” Genaueres im Angebot. Verrückt macht mich auch das ständige Mischen hebräischer und gräko-latinisierter Namensformen; es geht nun mal nicht an, daß es eine Mirijam neben einer Maria Magdalena gibt: Warum hier der jüdische Originalname und da die „fremde” Form, wo Maria Magdalena doch zurückübersetzt nur Mirijam aus Magdala bedeutet?

Das Leben im Judenland wird von der Autorin als eine engstirnige, von Geboten und Verboten fundamentalistischer Art eingeengte Angelegenheit beschrieben, frauenfeindlich, gesetzesstarr, verbohrt - mir ein bißchen zu einseitig. Daneben ist das Leben im griechischen Puff und an der Seite eines netten schwulen griechischen Kaufmanns für die arme Maria Magdalena das reinste Zuckerlecken, und die Liaison mit Jesus höchstpersönlich auf der grünen Wiese liest sich, wie aus dem Film „Sie tanzte nur einen Sommer”entlehnt.

Übrigens ist mir die Jesus-Figur selten so blutleer, so eindimensional, so ohne mystische und menschliche Tiefe entgegengekommen wie in diesem Buch, das sie ja eigentlich aufwerten sollte und wollte. Die Frage, ob Jesus nun wirklich „der Sohn Gottes” ist, steht für die Autorin außerhalb der Diskussion. Größe, Grenzen, Schrecken und Schauer der Figur sind nirgendwo zu finden, nirgendwo ihre Ambivalenz, die uns sogar, trotz aller späteren „Säuberung” der Texte, die Evangelien vermitteln. Das Herz bricht einem, wenn man an Bücher wie Bulgakows großartiges Der Meister und Margarita denkt - aber da läßt sich auch schwer was vergleichen. Dies ist nun das dritte Buch der Fredriksson, das in unseren Läden gelandet ist, und es verdeutlicht leider eine absteigende Linie. In Hannas Töchter konnte die Autorin einfach durch das bestechen, was sie erzählte. Diese Frauenschicksale waren von großer, herber Kraft, dazu bedurfte es keiner besonderen Kunstfertigkeit. Simon offenbart ihre Grenzen als Erzählerin, wimmelt bereits von seichten Stellen und Platitüden, bezieht aber seinen Bonus noch einmal vom Thema her. Maria Magdalena vermag nicht mehr zu interessieren. Es ist einfach kein gutes Buch.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/2000 © Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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