Rezension von Christel Berger



cover  

Unspektakulär über ein spektakuläres Leben

 

Nicole Schaenzler: Klaus Mann
Eine Biographie.

Campus Verlag, Frankfurt/M. 1999, 464 S.

 


Ein gewöhnliches Leben kann man es nicht nennen: mit 18 Jahren, ohne Schulabschluß bereits ein Schriftsteller, den Zeitungen und Verlage hofieren. Aber es ist nicht sicher, ob es wegen seines Könnens oder wegen des berühmten Vaters ist. Was wiederum der Vater verbirgt, ja öffentlich ablehnt - die Homosexualität -, der Sohn will sie ausleben, nicht verbergen, macht sie zu einem seiner ständigen Themen. Seine frühen Stücke fallen eher durch, aber die Truppe, die sie spielt, ist reichlich skandalumwittert, daß genügend Publicity bleibt. Er nennt sich „Vertreter der Jugend” und erlebt mehr und mehr, daß er einzig sich selbst und einige seiner Freunde vertreten kann. Er wird den Schatten des Vaters ewig ertragen müssen, und Thomas Mann hat einige Male diesem ältesten Sohn recht böse mitgespielt. Am ärgsten wohl, als Klaus Mann 1933 die Initiative ergriffen hatte und eine der ersten (und bedeutendsten) Exilzeitschriften - „Die Sammlung” - herausgab, in der er einen breiten Kreis exilierter Schriftsteller zur Mitarbeit bewegen konnte, aber nach Erscheinen der ersten Nummer distanzierte sich der Vater von dem Vorhaben - aus Angst, damit das Erscheinen seiner Bücher in Deutschland zu gefährden. Ein arger Schlag, auf den Klaus Mann erstaunlich nobel reagierte.

Da war aus dem „Dandy” aus der „Not der Zeit” ein äußerst engagierter Antifaschist geworden. Zeitweilig auch ein Verbündeter der linken und kommunistischen Autoren. Mit den Stalinschen Prozessen und vor allem auf Grund der Kampagne gegen den von ihm sehr verehrten André Gide wird Klaus Mann wieder zum Einzelkämpfer, aber da ist er auch schon ein Prosaautor, dem berühmte Kollegen für das Gelingen seiner Bücher gratulieren: 1935 - Symphonie Pathetique. Ein Tschaikowsky-Roman, 1936 Mephisto. Roman einer Karriere.

Nie blieb er lange an einem Ort, fast immer waren Hotels sein Zuhause. Die Freunde und Liebschaften wechselten. Viele in seinem Umkreis hielten das Leben nicht aus. Drogen gehörten zu seinem Leben, und Entziehungskuren und Selbstmordgedanken und -versuche. Die Schwester Erika war ihm lange der größte Halt.

Als es in Europa zu gefährlich wurde, ging er nach Amerika, das ihn enttäuschte. Seinen großen Exil-Roman Der Vulkan (1939) wollte in den USA keiner drucken. Ein erneuter Versuch, eine Exilzeitschrift herauszugeben, schlug fehl. Sein Eintritt in die amerikanische Armee war Rettung und Flucht zugleich. Er hatte Glück, bekam er doch hier eine Aufgabe, die ihm lag. Als amerikanischer Soldat kehrte er nach Deutschland zurück. Es war ihm fremd, und er fand kein Verständnis für die Menschen, die er für unschuldig hielt. Doch davon wollten die meisten nichts hören. Wie es keine Heimkehr gab, gab es auch immer weniger Halt in der Arbeit. Er reiste, hielt Vorträge, übersetzte, hatte im Unterschied zu früher keine Pläne. Am 12. Juli 1948 gelang der Selbstmord - er war 42 Jahre alt, und der so ersehnte Ruhm sollte sich erst Jahrzehnte später einstellen.

Nicole Schaenzlers Biographie ist faktenreich und gründlich. Sie kann auf reiches Material zurückgreifen, beruft sich häufig auf Selbstzeugnisse aus Klaus Manns beiden Autobiographien, auf die Tagebücher und Briefe und bezieht diesbezügliche Notizen von Thomas Mann ein. Im Bemühen, ein an Katastrophen reiches Leben unspektakulär aufzuarbeiten, gelingt ihr der richtige Ton: verhalten engagiert für ihren Autor, aber nicht vollkommen unkritisch und besserwisserisch (bis auf wenige Passagen, etwas auf S. 227 oder 238, wo sie Klaus Mann im nachhinein glaubt, vorschreiben zu müssen, was er hätte tun sollen). Sie bekennt sich zu offenen Stellen in dieser Biographie (unter anderem: dem Grund für den Haß auf Gründgens), ist möglicherweise nicht ganz unparteiisch, wenn sie die reichen Amerikaner zu entschuldigen sucht, die Klaus Mann bei seinem Zeitschriftenvorhaben in Stich ließen, aber schwer Verständnis aufbringt für die zeitweise Sympathie Klaus Manns mit den Kommunisten.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/00 © Edition Luisenstadt, 2000
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite