Rezension von Kathrin Chod



cover  

Napoleon in Wien

 

Alfred Plischnack:
„Vive L' Empereur, weil's sein muß”
Geschichte in Quellen und Zeitzeugenberichten.

Amalthea, Wien 1999, 280 S.

 


„Napoleon in Wien” oder „Die Franzosen in Österreich” hätte der Titel des Buches auch lauten können. Denn genau darum geht es in dieser mehr oder weniger chronologischen Darstellung, die mit vielen Zitaten von Augen- bzw. Zeitzeugen gespickt ist. Alfred Plischnack möchte mit seiner Arbeit eine „vollkommen unsachliche und verfälschte Erinnerung” an Napoleon und die französische Besatzung korrigieren, und so haben in seinem Buch keine „durch Manipulationen mit der Wahrheit beeinflußten Historiker” das Sagen, sondern authentische Quellen und Berichte. Napoleons Weg nach Wien, die Schlachten und die Besatzung, das Verhalten von Soldaten und Offizieren, das Leben der Wiener Bevölkerung zu jener Zeit und natürlich die Heirat Napoleons mit der Habsburger Erzherzogin Marie-Louise, das sind die Themen, zu denen Plischnack Material zusammengetragen hat.

Die Franzosen nahmen Wien gleich zweimal - 1805 und 1809. Die erste Eroberung erscheint eher als Lausbubenstreich, denn als Krieg: Als einziger Donauübergang vor Wien wurde die Taborbrücke von 17 Bataillonen und 30 Schwadronen Kavallerie der Österreicher verteidigt. Da spazierten drei französische Marschälle mit weißer Fahne über die Brücke, beschwatzten den österreichischen Befehlshaber, daß es einen Waffenstillstand gäbe und der Krieg eigentlich schon zu Ende sei. In der Zwischenzeit marschierten ihre Truppen über die Brücke und hatten so Wien erobert. 1809 nahmen Napoleons Truppen die Stadt dagegen erst nach schwerem Beschuß, bekamen dafür aber vor den Toren der Stadt bei Aspern ihre erste große Niederlage in offener Feldschlacht verpaßt. Hier spielte sich nun jene legendäre Szene ab, die eine Wende des Kampfes einleitete und für die trotz Tausender „Zuschauer” Plischnack mehrere Versionen präsentieren kann. Erstens: Der Held der Schlacht, Erzherzog Carl, ergriff im entscheidenden Moment die Fahne des weichenden Regiments und ritt voran - danach schuf man auch das bekannte Denkmal auf dem Heldenplatz. Er selbst meinte zu dieser Variante: „Wo denken S' denn hin, ich schwaches Manderl - am Zipfel hab ich's halt dapackt.” Nach der dritten Version befahl der Erzherzog lediglich den Fahnenträger nach vorn. Die Österreicher vermieden nach diesem Sieg jedoch trotz Überlegenheit eine Entscheidungsschlacht, ließen den französischen Kaiser in Ruhe seine Kräfte sammeln und wurden so wiederum geschlagen. Überhaupt scheinen die Österreicher nicht gerade von der schnellen Truppe gewesen zu sein, andauernd waren sie zu langsam oder kamen zu spät. 1805 warteten sie bei Ulm so lange, bis ihre Rückzugslinien abgeschnitten waren. Zur Schlacht bei Austerlitz war ein Großteil der österreichischen Truppen leider auch verhindert, da er einige Tagesmärsche entfernt bei Preßburg bzw. bei Zwickau wartete. Erzherzog Johann zeigte schon damals ein eher friedfertiges Wesen, trotz „dringlicher Aufforderung” durch Erzherzog Carl kam er auch zur Schlacht von Wagram zu spät. Berühmt wurde er trotzdem, als deutscher Reichsverweser 1848, aber vor allem durch seine rührende Liebesaffäre zu einer Försterstochter und natürlich durch den Erzherzog Johann-Jodler. Die Dresche für die Niederlagen bezog nun der Held von Aspern. Metternichs Mitarbeiter Friedrich von Gentz: „Daß der Erzherzog Karl ein durchaus schlechter General und der eigentliche Urheber alles bisherigen Unglückes war - darüber sind endlich einmal alle einsichtsvollen Männer einverstanden.”

Gerade diese Passagen zeigen natürlich auch, daß man sich nicht nur auf das Urteil solcher Zeitzeugen verlassen kann, um ein wirklichkeitsnahes Bild der Geschehnisse zu erhalten. Der Autor läßt unterschiedliche Einschätzungen nebeneinander stehen, ohne sie zu bewerten. So entsteht ein facettenreiches Bild der französischen Besatzung mit all ihren Widersprüchlichkeiten. Einerseits werden politische Gefangene entlassen, andererseits Verfasser aufrührerischer Pamphlete erschossen. Einerseits stellen die Franzosen vor das Haus des Komponisten Haydn eine Ehrenwache und richten nach seinem Tod eine Trauerfeier aus. Andererseits nehmen sie mit, was ihnen in die Finger kommt, angefangen von Geld, über Kunstschätze, bis zu Zootieren. Während die Schriftstellerin Karoline Pichler das Verhalten französischer Soldaten lobte, schieb Gräfin Thürheim dazu, die Franzosen seien eben, wie alle Feinde, „anspruchsvoll, diebisch, unverschämt, kurz, unangenehme Gäste”. Nicht viel besser kommen deren Verbündete weg: „Die Bayern sind hart und böswillig, die Italiener räuberisch, die Sachsen grob und diebisch ...”


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/00 © Edition Luisenstadt, 2000
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite