Rezension von Christian Berger
Zähnchen zeigen
Peter Rühmkorf: Von mir Zu Euch Für uns
Steidl Verlag, Göttingen 1999, 221 S.
Warum bekommt der keinen Nobelpreis? Weil der keinen bekannten Roman unter die
Leute gebracht hat? Weil die Lyrik des Peter Rühmkorf keine Hymnen auf die Nation singt und
als Nationalhymne sowieso unbrauchbar ist? Weil, letztendlich, der reiche deutsche
Literaturjahrgang 29 dann doch nicht für das schöne Stück aus Stockholm taugt? Nicht Kunert,
Wolf, Kempowski, Rühmkorf, Enzensberger? Müller, Heiner, ist ohnehin schon aus dem
Rennen. Warum nicht Rühmkorf? Weil die Juroren in Stockholm die deutsche Sprache nicht
besitzen, wie Peter Rühmkorf sie besitzt? Der Dichter ist kein Gefangener der deutschen Sprache.
Er ist ihr Befreier. Von seinem Schlage trieben sich nicht viele 'rum in der deutschen
Sprache. Nützt nichts! Rühmkorfs Ruhm hält sich in literarischen Kreisen und Grenzen. Ihm
genügt die Bekanntheit in Hamburg und Umgebung, die von Altona bis Eppendorf reicht. Dem
Hamburger genügt die Bindung an seine Hamburger und wenige Auswärtige. Außerdem ist
Peter Rühmkorf seit Jahrzehnten für die Leser da, die sowieso seit Jahrzehnten seine Leser
sind. Rühmkorf muß sich also nicht mehr selbst rühmen. Muß sich mit keinem neuen
wuchtigen, voluminösen Vers-Tagebuch-Werk neu beliebt machen. Der Genußmensch mixte einen
zeichnerisch-kalligraphischen Cocktail und schenkte aus. Jede und jeder darf sich an den
Postalien besaufen, die Rühmkorf Befreundeten aus nächster, naher, fernerer Welt in die
Briefkästen schickte. Das ist nichts für Biedermännerfrauenmentalität! Des Dichters stets erigierter
Geist gebiert Politicon auf Eroticon, Eroticon auf Politicon. Und immer so weiter. Jede
Zeichnung ist eine Überzeichnung. Jeder Satz eine Übersetzung. Lachend zeigt einer Zähne, der
wirklich was zu beißen hat. Menschliche Eitelkeit und ihre Folgen liefern reichlich Futter.
Wie war doch der Titel des Buches Von mir Zu Euch Für
uns. Na bitte! Da bleibt u n s nichts anders übrig, als kräftig den Kopf zu verrenken, denn dieser Bild-Satz-Zeichen-Band ist
nicht ohne Kopfverrenken zu haben. Also renken wir uns - fast - den Kopf aus nach diesem
Peter Rühmkorf. Der wem den Kopf geraderücken will? Nicht doch! So einer ist Rühmkorf
nicht. Der tut, was er immer getan hat. Er läßt uns nicht ohne Tränen des Lachens stehen.
Diesmal fließt ein Tränenfluß!