Rezension von Björn Berg



Hund ohne Himmel

Adolf Endler: Der Pudding der Apokalypse
Gedichte 1963-1998.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1999, 215 S.  

Sein großer Stoff war die kleine DDR. Oder müßte es heißen: die kleinliche DDR? Sie hat ihn kurz- und kleingehalten. Sie hat sich kleinlich verhalten - gegenüber Adolf Endler. 1955 aus Düsseldorf in die DDR gekommen, ist er in der nie angekommen. Deutschland holt sich Buch um Buch von dem Schriftsteller und hängt im Preis auf Preis um den Hals. Die entbehrungsreichen Jahre sind vorüber. Der Alte erntet und teilt sich den Applaus mit dem West-Harlekin, dem Altersgenossen Peter Rühmkorf. Die „endlereske” Harlekinade ist philosophischer. Wer hätt's für möglich gehalten?

Wer früher zu Endler ging, verließ ihn nicht, bevor ihn heftiges Gelächter gepackt hatte. Endler gab den Zuhörern, was das Zwerchfell für den Kitzel brauchte. Schnell gezündete Pointen machten den Prosaisten zu einem populären Unterhalter, der sich als Gesellschaftskritiker mit den Zuhörern solidarisierte. Der Poet pointiert oft mit Witz. Häufiger noch mit Weisheit. Adolf Endler ist ein weise-witziger Dichter. Seine Art ist selten im lyrischen Land. Der philosophisch-poetische Harlekin hat die ganze Potenz Endlers. Der ist so eitel, wenigstens einmal ganz zu zeigen, wie er ganz ist. Wie er, der Dichter, während seines ganzen Lebens geworden ist, der er ist. Er ist ein Monolith unter den deutschen Metaphernschindern. Hoffentlich eine Ausgabe vorvorletzter Hand, ist die einbändige Auswahl Der Pudding der Apokalypse - Gedichte 1963-1998 eine selbstgemeißelte hochaufragende Säule. Die soll bleiben, wenn sonst nichts bleibt! Dada ist es, was Endlers komplette Heimat-Kunde, Lebens-Kunde, Staats-Bürger-Kunde ausmacht. Ausgekundschaftet wird eine Biographie. Ein Außenseiter gibt Auskunft, der das träge Leben in der Mitte angreift. Der Außenseiter ist ein Auffälliger. Er ist ein Ästhet. Er ordnet die Unordnung. Er reinigt das Unreine. Die wohlerwogene Lyrik-Werk-Auswahl sieht aus, als wäre Adolf Endlers Haupt- und Barthaar soeben frisch frisiert worden. Ist das Endler, der wahre Endler? Ein Seriöser, der ungehemmtes Gelächter liquidiert? Der das Lachen von den Lippen in den Hinterkopf verlegt? Man könnte starr werden vor Staunen. Soviel Seriosität, Solidität, Sorgfalt! Und ganz ohne „Fadennudel im Bart”? Das wäre Endler nicht als Endler. Auch im Café - meinetwegen „Café Clara” - trägt der Dichter Fadennudel im Bart. Im Café Deutschland ist „Der Unbequeme” umschwärmt. Vorbei sind die Tage der Hoffnung: „Daß man ihn endlich aus dem Land rausschlage / auf jede Antwort weiß das Schwein die Frage”. Auf jede Frage hat der Himmelhund eine Antwort.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/00 © Edition Luisenstadt, 2000
www.luise-berlin.de

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