Berlin im Jahr 1944
01. 01. Laut Statistischem Amt der Reichshauptstadt sind in Berlin 335 551 Ausländer gemeldet.
07. 01. Ein neuer Aufsichtsausschuß der Versuchsanstalt für Luftfahrt wird bestätigt: F. Seewald (Vorsitzender), R. Stüssel, H. Föttinger, K. Frydag, E. Heinkel, R. Lahs, W. Luz, O. Mader, J. Meyer.
20. 01. Mehrere hundert Bomber greifen Berlin an.
20. 01. In Berlin stirbt der Geodät Otto Eggert, Professor an der Technischen Hochschule zu Berlin.
28. 01. Hartmut Schreiber wird in Wittlich geboren. Der Ruderer des SC Dynamo Berlin gewann bei den Olympischen Spielen in München 1972 mit dem DDR-Achter die Bronzemedaille. Im Zweier mit Steuermann war er 1970 Vize-Weltmeister.
30. 01. Das Haus des Verlages Chemie in der Woyrschstraße 37 (Tiergarten) wird zerstört.
30. 01. Staaken (Spandau) ist von schweren Luftangriffen betroffen, von denen auch die Flughafenanlagen nicht verschont bleiben.
31. 01. Das Haus der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin in der Wilhelmstraße 23 wird durch Bomben zerstört. Auch Teile der Bibliothek und der Kartensammlung wurden dabei vernichtet.
15. 02. Der Physiker Prof. Arthur Rudolph Wehnelt stirbt in Berlin. Wehnelt war von 1906 bis 1939 Professor für technische Physik an der Berliner Universität. 1902/03 hatte er den Wehnelt-Zylinder, eine Steuerelektrode in Elektronenstrahlröhren, entwickelt.
15. 02. In der Nacht vom 15. zum 16. Februar wird während eines Luftangriffs das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie zerstört.
15. 02. Es erfolgt der bisher größte Einzelangriff der »Royal Air Force« auf Berlin mit über 800 Bombern, die 2 643 Tonnen Spreng- und Brandbomben abwerfen. Neben Wohngebieten in Charlottenburg und Kreuzberg waren Marienfelde und Siemensstadt betroffen.
16. 02. Die Berliner Pensionäre und Rentner werden zu »freiwilligem Ehrendienst in der deutschen Kriegswirtschaft« aufgerufen.
01. 03. Im Gebäude der Pathologie des Jüdischen Krankenhauses wird ein Sammellager eingerichtet, in das alle Häftlinge aus dem Lager in der Großen Hamburger Straße gebracht werden.
03. 03. In Berlin wird der Spielfilm »Familie Buchholz« von Carl Froelich, seit 1939 Präsident der Reichsfilmkammer, uraufgeführt.
13. 03. Der Maler Prof. Philip Franck stirbt. Franck gehörte zu den malerisch hervorragenden Schilderern der Berliner Landschaften. Er war u.a. Ehrenmitglied des Vereins Berliner Künstler.
22. 03. US-amerikanische Flugzeuge bombardieren die Berliner Innenstadt.
22. 03. Nach schweren Bombardierungen im Norden Berlins wird das Jüdische Krankenhaus zum erstenmal in der NS-Zeit aufgefordert, nichtjüdische Verletzte zu versorgen.
23. 03. Seit November 1943 war Berlin zwölf schweren Flächenbombardements ausgesetzt. Dabei wurden 270 000 Wohnungen zerstört.
24. 03. Bei einem schweren Bombenangriff wird das Theater in der Kommandantenstraße 57 (Steglitz) vollständig zerstört.
29. 03. Der Sportschütze Franz Freiherr von Zedlitz und Leipe stirbt. Er gewann bei den Olympischen Spielen in Stockholm 1912 mit der Mannschaft die Silbermedaille im Wurftaubenschießen.
01. 04. Berlin erhält den Rang eines Regierungsbezirks.
01. 04. Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda und Berliner Gauleiter der NSDAP, Dr. Joseph Goebbels, wird per »Erlaß des Führers über die Verfassung und Verwaltung der Reichshauptstadt Berlin« zugleich Stadtpräsident.
02. 04. Jörg Siebert wird in Berlin geboren. Der Ruderer gewann bei den Olympischen Spielen in Mexiko 1968 die Goldmedaille im deutschen Achter. Er war 1967 Europameister, 1967 und 1968 Deutscher Meister.
29. 04. US-amerikanische Flugzeuge belegen die Reichshauptstadt vom Halleschen Tor bis zum Norden mit einem Bombenteppich.
07. 05. Mit dem Kranzler-Eck, Unter den Linden/Friedrichstraße (Mitte), wird eine der bekanntesten Konditoreien durch Bomben zerstört.
07. 05. Der Französische Dom (Mitte) wird durch Sprengbomben bis auf die Umfassungsmauern zerstört.
24. 05. Der Turm der Parochialkirche und das Glockenspiel (Singeuhr«) werden bei einem Luftangriff zerstört.
24. 05. Nach einem Luftangriff stürzt die Turmfigur von der Spitze des brennenden Berliner Doms.
24. 05. Ein Bericht über Schäden am Rudolf-Virchow-Krankenhaus weist Treffer von ca. 50 Sprengbomben und ca. 100 Stabbrandbomben bzw. Phosphorbomben aus. Darüberhinaus wurde ein Volltreffer im Badehaus verzeichnet. Es gab keinen Strom und kein Wasser.
27. 05. Prof. Carl Volk stirbt in Berlin. Volk war von 1909 bis 1932 Direktor der Ingenieurschule Beuth (Wedding).
16. 06. Bei einem Bombenangriff wird die historisch wertvolle Nikolaikirche (Mitte) getroffen. Die neogotischen Zwillingstürme brannten nieder.
19. 06. Der Chemiker und Kernforscher Otto Hahn siedelt von Berlin nach Tailfing um, wohin das Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie ausgelagert worden war.
21. 06. Bei einem Tagesangriff auf Berlin werden ca. 2 500 US-Bomber und Jäger eingesetzt. 44 Bomber wurden abgeschossen. Im Regierungsviertel, im Zeitungsviertel an der Zimmerstraße (Kreuzberg/Mitte), im Norden und Süden der Stadt gab es schwere Zerstörungen.
22. 06. Die KPD-Funktionäre Anton Saefkow und Franz Jacob beraten mit den sozialdemokratischen Funktionären Julius Leber und Adolf Reichwein in der Köpenicker Straße 76 (Mitte) über ein Zusammengehen der linken Kräfte zur Beseitigung der NS-Diktatur.
26. 06. Als Ersatz für die eingestellte Omnibuslinie 34 nimmt die BVG die Personenschiffahrt zwischen Kladow - Wannsee und Kladow - Stößenseebrücke auf.
12. 07. Der Physiker Werner Heisenberg hält im Harnack-Haus auf der vorletzten Zusammenkunft der Mittwochs-Gesellschaft einen Vortrag über das Thema »Was sind Sterne?«.
17. 07. Der Volksgerichtshof verurteilt drei männliche Rundfunkangestellte zum Tode, weil sie ein »Hetzmachwerk« im Rundfunkgebäude in der Masurenallee (Charlottenburg) gelesen, weitergegeben, abgeschrieben oder vervielfältigt hatten.
20. 07. Das Attentat von Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg auf Hitler in der ostpreußischen Wolfsschanze mißlingt. Der Oberst und andere Mitverschwörer wurden noch in der Nacht im Hof der Zentrale des Ersatzheeres im Bendlerblock (Tiergarten) erschossen.
20. 07. Der ehemalige Generalstabschef des Heeres Ludwig Beck unternimmt nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler einen Selbstmordversuch und wird anschließend erschossen. Beck war im Falle des Gelingens des Attentats als Staatsoberhaupt vorgesehen.
21. 07. Auf der Trauerfeier des Historischen Seminars für Arnold Oskar Meyer, der am 3. Juni verstorben war, spricht der Historiker Wilhelm Schüßler den Nachruf.
26. 07. Im Hause des Literaturhistorikers und -kritikers Paul Fechter in Lichtenrade findet die letzte Zusammenkunft der Mittwochs-Gesellschaft statt, die sich als unauffällige Zelle des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus verstand.
01. 08. Der S-Bahnhof Giebelsee (Petershagen Nord) wird eröffnet.
05. 08. Der Berliner NSDAP-Gauleiter Dr. Joseph Goebbels wird zum »Regierungspräsidenten von Berlin« ernannt. In dieser Eigenschaft führte er zugleich die Geschäfte des Polizeipräsidenten.
07. 08. Der Volksgerichshof verurteilt im ersten Prozeß gegen die Beteiligten am Attentat des 20. Juli im Berliner Kammergericht am Kleistpark (Schöneberg) drei Verschwörer zum Tode.
08. 08. Die Mitverschwörer des Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944 Erwin v. Witzleben, Erich Hoepner, Peter Graf York v. Wartenberg, Hellmuth Stieff, Paul v. Hase, Robert Bernadis, Albrecht von Hagen und Friedrich Karl Klausing werden in Plötzensee hingerichtet.
10. 08. Der durch die »Verordnung über die Verfassung und Verwaltung der Reichshauptstadt« am 1. April zum Stadtpräsidenten ernannte Gauleiter Dr. Joseph Goebbels läßt »alle Veranstaltungen nicht kriegsmäßigen Charakters« in Berlin verbieten.
15. 08. Der Berliner Polizeipräsident Wolf Heinrich Graf von Helldorf wird wegen seiner Verstrickungen in das Attentat auf Hitler vom 20. Juli in Plötzensee hingerichtet.
24. 08. Der SPD-Politiker Rudolf Breitscheid wird im KZ Buchenwald ermordet. Er war Stadtverordneter von Berlin-Wilmersdorf, preußischer Innenminister und als Reichstagsabgeordneter Hauptsprecher seiner Partei zu allen außenpolitischen Fragen.
26. 08. Zum letztenmal erscheint die Wochenschrift für Brauerei der Versuchs- und Lehranstalt in Berlin. Sie hatte sich in den sechzig Jahren ihres Erscheinens die Anerkennung der in- und ausländischen Fachwelt erworben.
01. 09. Das Plaza-Theater am Küstriner Platz (Franz-Mehring-Platz, Fr'hain) wird, wie alle noch spielenden Theater, geschlossen. Bei den Kämpfen um Berlin 1945 war das Gebäude stark beschädigt worden. 1952 wurde an seiner Stelle ein Heizkraftwerk errichtet.
01. 09. Bei der BVG wird ein Kriegs-Einheitstarif eingeführt, der u.a. die Abschaffung von Teilstreckentarifen sowie die Abschaffung des Schülerfahrscheins beinhaltet.
01. 09. Die Berliner Theater werden gemäß einer Anordnung vom 24. August geschlossen. Lediglich in der Oper und im Schauspielhaus fanden noch Konzerte, Opernausschnitte und Lesungen statt.
08. 09. Der Widerstandskämpfer Carl Friedrich Goerdeler wird in Berlin vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Die Vollstreckung wurde jedoch in der Hoffnung auf weitere Informationen zunächst ausgesetzt und erst fünf Monate später vollzogen.
12. 09. Die USA, Großbritannien und die UdSSR verabschieden in London das »Protokoll über die Besatzungszonen in Deutschland und die Verwaltung von Groß-Berlin« (Londoner Protokoll). Es wurde am 5. Juni 1945 präzisiert.
14. 09. Der Boxer Ernst Pistulla stirbt. Er gewann bei den Olympischen Spielen in Amsterdam 1928 die Silbermedaille im Halbschwergewicht. Er war 1928 Europa- und Deutscher Meister. Als Profi bestritt er 41 Kämpfe, war 1931 Europa- und 1930 Deutscher Meister.
18. 09. Der Antifaschist und KPD-Funktionär Anton Saefkow wird nach seiner Verurteilung durch den »Volksgerichtshof« im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Er hatte die Widerstandsgruppe Saefkow-Jacob-Bästlein mit ihrem Schwerpunkt in Berlin aufgebaut.
29. 09. Der sozialdemokratische Widerstandskämpfer Wilhelm Leuschner wird in Plötzensee hingerichtet.
06. 10. Auf Berlin erfolgt der schwerste Tagesangriff der Bomber der US-amerikanischen Air Force seit dem 21. Juni. Über 1 200 Flugzeuge warfen 800 t Bomben ab. Besonders betroffen von den Zerstörungen war Spandau.
17. 10. Der Geophysiker Adolf Friedrich Karl Schmidt, Mitglied des Berliner Zweigvereins der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft ab 1903 und Leiter des Meteorologisch-Magnetischen Observatoriums Potsdam, stirbt in Gotha.
19. 10. Der Volkssturm wird gebildet. Unter Berufung auf den Landsturm von 1813 sollte er im örtlichen Bereich die Truppen der Antihitlerkoalition aufhalten.
20. 10. Die Sozialdemokraten Julius Leber und Adolph Reichwein, die u.a. mit dem »Kreisauer Kreis« zusammengearbeitet hatten, werden vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Reichwein wurde noch am selben Tag in Plötzensee hingerichtet, Leber am 5. Januar 1945.
21. 10. Ein Ministerialerlaß verfügt, daß der Lehrbetrieb an der Technischen Hochschule zu Berlin weiterhin durchgeführt wird.
24. 10. Das Gebäude der Beuth-Schule wird bombardiert und so beschädigt, daß der Unterricht nicht mehr durchgeführt werden kann.
24. 10. Der Spielfilm »Das war mein Leben« von Paul Martin mit Carl Raddatz, Leny Marenbach und Paul Dahlke in den Hauptrollen wird in Berlin uraufgeführt.
24. 10. Der Berliner Ringer und Antifaschist Werner Seelenbinder wird im Zuchthaus Brandenburg-Görden durch das Fallbeil hingerichtet. Im Stadion Neukölln wurde ein Urnengrab mit einem Gedenkstein eingerichtet.
28. 10. Das Spandauer Stadtzentrum wird durch einen britischen Luftangriff weitgehend zerstört.
28. 10. In Hoppegarten findet der letzte Renntag vor Ende des Zweiten Weltkriegs statt.
29. 10. Der Radsportler Bruno Goetze stirbt. Goetze gewann bei den Olympischen Spielen in London 1908 die Silbermedaille in der 4000-m- Mannschaftsverfolgung.
04. 11. Die »Gesetzlose Gesellschaft zu Berlin« begeht mit einer Feier im »Deutschen Club« unter der Leitung des »Zwingherrn« Carl Semper (Zwingherr von 1937 bis 1948) ihr 135. Stiftungsfest.
13. 11. Die letzte der vielen Verordnungen gegen jüdische Bürger verbietet ihnen auch in Berlin den Aufenthalt in Wärmehallen.
13. 11. Die Männer des Volkssturmkreises I (Charlottenburg-Spandau) leisten auf dem Olympischen Platz (Charlottenburg) ihren Fahneneid.
14. 11. Der Chemiker Ernst Täuber stirbt in Berlin. Täuber war Dozent an der Technischen Hochschule zu Berlin und an der Akademie der Künste sowie Regierungsrat am Kaiserlichen Patentamt. Er arbeitete auf dem Gebiet der Farbstoffe.
16. 11. Der Mediziner Prof. Georg Bessau, Leiter der Kinderklinik der Charité, stirbt in Berlin. Bessau, seit 1922 ordentlicher Professor und Direktor der Universitätskinderklinik in Leipzig, lehrte von 1932 an als Professor an der Berliner Universität.
22. 11. Das Prinz-Albrecht-Palais (seit 1935 Sitz des Reichssicherheitshauptamtes) in Kreuzberg brennt nach einem Bombenangriff aus.
03. 12. Der Mediziner Hans Kleinschmidt übernimmt die Leitung der Kinderklinik an der Charité.
19. 12. Der deutsche Spielfilm »Der Engel mit dem Saitenspiel« von Heinz Rühmann mit Hertha Feiler, Susanne von Almassy und Hans Nielsen wird in Berlin uraufgeführt.

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