Berlin im Jahr 1874
01. 01. In der Elisabethstraße 27a wird eine Anstalt für weibliche Hospitaliten eröffnet. Sie war eine Filiale des 1849 zur Versorgung alter, der Fürsorge der Armenverwaltung anheimfallender Personen gegründeten Friedrich-Wilhelm-Hospitals (Palisadenstraße 37).
01. 01. Die Vereinigung von Zehlendorf, Schönow und dem Gutsbezirk Düppel zu einem Amtsbezirk wird rechtskräftig. Grundlage war die am 13. Dezember 1872 veröffentlichte neue preußische Kreisordnung.
01. 01. Die Vereinigung von Deutsch-Rixdorf und Böhmisch-Rixdorf zur Gemeinde Rixdorf unter den Schulzen Schinke für Deutsch-Rixdorf und Wanzlick für Böhmisch-Rixdorf wird für rechtskräftig vollzogen erklärt.
05. 01. Mit einem letzten Guß schließt die Königliche Eisengießerei in der Invalidenstraße (Mitte) nach 70 Jahren ihre Pforten.
08. 01. Die Forster Straße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
14. 01. Der Techniker Johann Georg Hossauer, der in Berlin die Technik des Metalldrückens einführte, stirbt in Berlin.
15. 01. Eine »Gesellschaft der Charité-Ärzte« wird mit dem Ziel gegründet, eine Berliner Medizinische Schule von internationalem Ansehen zu schaffen.
16. 01. Die Kapelle für das Domkandidatenstift an der Nordseite des Parks Monbijou, Oranienburger Straße (Mitte), wird geweiht.
17. 01. Georg Schlesinger wird in Berlin geboren. Der Ingenieur war einer der Begründer der neuen Disziplin der Betriebswissenschaft und leitete von 1904 bis 1933 den ersten deutschen Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb zu Berlin.
18. 01. Die Baerwaldstraße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
19. 01. Friedrich Bendemann wird in Berlin geboren. Der Ingenieur wurde nach dem Studium an der Technischen Hochschule Konstruktionsingenieur im Maschinen-Labor und 1912 erster Direktor der Versuchsanstalt für Luftfahrt in Adlershof.
26. 01. Friedrich Leitner wird in Wien geboren. Der Wirtschaftswissenschaftler wurde 1908 zum ordentlichen Professor an der Handels-Hochschule Berlin berufen.
04. 02. Otto Eggert wird in Tilsit geboren. Der Geodät war seit 1921 Professor für Geodäsie an der Landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin, später an der Technischen Hochschule zu Berlin.
05. 02. Der Philologe Moritz Haupt stirbt. Der Professor für deutsche Sprache und Literatur wirkte von 1853 an 21 Jahre lang an der Berliner Universität.
13. 02. Oberbürgermeister Arthur Hobrecht ernennt den Stadtschulrat Ernst August Friedel zum Vorsitzenden der Kommission für die Einrichtung und Verwaltung der Berliner Volksbibliotheken.
22. 02. Friedrich Gottfried Franz Löffler, preußischer Militärarzt und Professor der Kriegsheilkunde in den militärärztlichen Bildungsanstalten zu Berlin, stirbt in Berlin.
26. 02. Der Schriftsteller Georg Ludwig Hesekiel stirbt in Berlin. Hesekiel war bis zu seinem Tode ein angesehener Redakteur der »Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung«, bei der er aufgrund seiner Sprach- und Landeskenntnisse den »französischen Artikel« führte.
27. 02. Carl Bosch wird in Köln geboren. Der Chemiker war von 1937 bis 1940 Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.
28. 02. Johann Christian Poggendorff feiert in Berlin im Kreise von über 200 Personen ein besonderes Jubiläum. Seit 50 Jahren hatte er die Redaktion der »Annalen der Physik und Chemie« erfolgreich in seiner Hand.
02. 03. In Gegenwart des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, des späteren Kaisers Friedrich III., findet im Konsistorialgebäude in der Niederlagstraße 1/2 (nahe der Friedrichswerderschen Kirche) die letzte Sitzung des Konsistoriums der Französischen Gemeinde statt.
06. 03. Die »Berliner Burschenschaft Germania« nimmt an einem Kommers teil, der zu Ehren des Historikers, Akademiemitglieds und Professors der Berliner Universität, Theodor Mommsen, veranstaltet wurde.
08. 03. Wilhelm Erman, 1850 in Berlin geboren, tritt nach dem Studium der Geschichte, Geographie, Linguistik und klassischen Philologie in Berlin und Leipzig als Hilfsarbeiter in die Königliche Bibliothek in Berlin ein.
09. 03. Das Französische Konsistorium hält in seinem neuen Amtsgebäude Adlerstraße 9 (Werderscher Markt, Mitte) seine erste Sitzung ab.
09. 03. Karl Foerster wird in Berlin geboren. Foerster besuchte in den Jahren 1892 und 1893 die Königliche Gärtnerlehranstalt Wildpark (bei Potsdam) und war später als Handelsgärtner - speziell für Staudengewächse - in Bornim tätig.
17. 03. In einem Brief wird Oberbibliothekar Karl Richard Lepsius mitgeteilt, daß Kaiser Wilhelm I. den Vorschlag zu einem Bibliotheksneubau auf dem Gelände zwischen den Linden, der Charlotten-, der Dorotheen- und der Universitätsstraße genehmigt hat.
20. 03. Der Geograph Johann Samuel Heinrich Kiepert tritt als ordentlicher Professor die Nachfolge von Carl Ritter an der Berliner Universität an.
20. 03. Dem Vertrag vom 15. Dezember 1873 über die Bildung einer Aktiengesellschaft unter dem Namen Berliner Stadt-Eisenbahn-Gesellschaft wird die gesetzliche Genehmigung erteilt.
02. 04. In seiner »Akademierede« nimmt Theodor Mommsen Stellung zur finanziellen Sicherung übergreifender wissenschaftlicher Aufgaben.
15. 04. Johannes Stark wird in Schickenhof (Oberpfalz) geboren. Der Physiker, der 1919 den Nobelpreis für Physik erhielt, war von 1933 bis 1939 Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin.
25. 04. Ein Universitätsausschuß richtet an Kaiser Wilhelm I. die Bitte, in der Nähe des geplanten Denkmals für Alexander von Humboldt auch eines für Wilhelm von Humboldt errichten zu lassen.
04. 05. Die Große Berliner Pferde-Eisenbahn AG eröffnet die Linie Schönhauser Tor - Pankow.
12. 05. Die Preußische Eisenbahnverwaltung ordnet die Farben Gelb, Grün, Braun und Grau als Kennfarben für Fahrkarten und Wagen der 1., 2., 3. und 4. Klasse an.
18. 05. Das Deutsche Archäologische Institut (Ansbacher Straße 46, Schöneberg) erhält den Status einer Reichsanstalt.
25. 05. Der Ägyptologe Karl Richard Lepsius, der seit April 1873 die Königliche Bibliothek in Berlin kommissarisch leitete, wird zum »wirklichen Oberbibliothekar« ernannt.
01. 06. An der Görlitzer Eisenbahn werden die Bahnhöfe Adlershof, Hankels Ablage (Zeuthen), Neuer Krug (Schöneweide) und Schmöckwitz (Eichwalde) eröffnet.
06. 06. Der Oberbibliothekar der Königlichen Bibliothek, Karl Richard Lepsius, kehrt nach einer vierwöchigen Reise, auf der er mit dem Architekten Martin Gropius in Deutschland, Frankreich und Holland 21 Bibliotheken besichtigt hatte, nach Berlin zurück.
13. 06. Der preußische Minister August Freiherr von der Heydt stirbt in Berlin. Er setzte wichtige Neuerungen im Post- und Telegraphenwesen, beim Eisenbahn-, Straßen- und Kanalbau sowie im preußischen Gewerbewesen durch.
23. 06. Felix Tannhäuser wird in Reinerz (Kreis Glatz) geboren. Der Mineraloge, Petrologe und Geologe war seit 1900 Assistent am Mineralogisch- Petrographischen Institut, war am Museum der Berliner Universität tätig und Professor an der Technischen Hochschule.
24. 06. Erich Seelmann-Eggebert wird in Heide (Schleswig-Holstein) geboren. An der Handels-Hochschule Berlin hielt er Vorlesungen über das Genossenschaftswesen und das Genossenschaftsrecht.
01. 07. Der Physiker und Astronom Hermann Karl Vogel beginnt seine Tätigkeit an der Berliner Sternwarte.
02. 07. In der Berliner Nikolaikirche wird die dritte Säkularfeier des Berlinischen Gymnasiums zum Grauen Kloster mit einem Festakt begangen.
02. 07. Der Philologe und Pädagoge Rudolf Hercher hält seine Eintrittsrede als ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin.
02. 07. Werner Siemens hält seine Antrittsrede in der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
07. 07. Theoder Fontane beginnt mit der Yacht »Sphinx« des Eigners Barkhusen vom Berliner Segler-Club eine bis zum 9. Juli dauernde Segeltour von der Schloßinsel Köpenick nach Teupitz.
16. 07. Die Niederschlagshöhe bei einstündigem Regen in Berlin beträgt 19,6 mm.
29. 07. Das erste Reglement des Astronomischen Recheninstituts, das sich aus einer Abteilung der königlichen Sternwarte entwickelt hatte, tritt in Kraft.
13. 08. Die Kommunalbehörden der Stadt billigen den Entwurf von Direktor Gill zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Berliner Wasserwerke und bewilligen die erforderlichen Mittel.
13. 08. In Köpenick wird letztmalig stadtoffiziell der traditionelle Grenzenzug durchgeführt.
04. 09. Ein Ortsstatut regelt in Verbindung mit der für Berlin erlassenen Polizeiverordnung vom 14. Juli 1874 die Ausführung von Hausanschlüssen zum Anschluß an die Kanalisation.
04. 09. Dem Berliner »Verein zur Förderung höherer Bildung und Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts« (Lette-Verein) werden durch den Bundesrat die Rechte einer juristischen Person verliehen.
05. 09. Die Sorauer Straße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
11. 09. Der Jurist und ordentliche Professor Ludwig Eduard Heydemann, dem Friedrich Carl von Savigny den ersten Lehrstuhl für allgemeines Landrecht in Berlin eingerichtet hatte, stirbt in Berlin.
29. 09. Die Versuchsanstalt des Vereins der Spiritusfabrikanten in Deutschland wird in Berlin gegründet. Sie hatte zunächst Arbeitsplätze für Studierende an der Gewerbeakademie, später dann im Landwirtschaftlichen Institut in der Dorotheenstraße (Mitte).
01. 10. Franz Riedel übernimmt von seinem Vater, Johann Daniel Gustav Riedel, die Apotheke in der Friedrichstraße (Mitte). Die Apotheke war nach dem Umzug der Riedelschen Chemiefabrik in die Gerichtstraße 12/13 (Wedding) aus dem Unternehmen ausgegliedert worden.
01. 10. Die Registrierung der Geborenen, der Eheschließungen und der Sterbefälle geht von den Kirchenämtern auf die neugegründeten Berliner Standesämter über.
04. 10. Der Berliner »Wahlverein der sozialdemokratischen Arbeiter-Partei« wird gegründet.
08. 10. Das erste stadteigene Krankenhaus, das Städtische allgemeine Krankenhaus Friedrichshain, erbaut nach Plänen von Martin Gropius und Heino Schmieden, wird eröffnet. Eine zweckgebundene Schenkung des Rentiers Jean J. Fasquel hatte das Projekt ermöglicht.
08. 10. Im neuerrichteten ersten Städtischen Krankenhaus Friedrichshain werden die ersten Patienten aufgenommen.
09. 10. Das Märkische Provinzial-Museum wird gegründet. Es befand sich im Roten Rathaus. 1875 zog es in das Podewilssche Palais (Klosterstraße), 1880 in das Cöllnische Rathaus (Breite Straße), 1899 in die Zimmerstaße 90/91. Seit 1908 ist es am Köllnischen Park.
17. 10. Mühlenmeister Karl Albert August Stechan übernimmt ein Mühlengrundstück in Britz (Stechansche Mühle) von dem Mühlenmeister Dörfer für 19 000 Taler.
18. 10. Der evangelische Geistliche Adolf Stoecker wird in sein neues Amt als Hofprediger am Berliner Dom eingeführt, das er bis zu seiner Entlassung 1890 innehatte.
20. 10. Der Jurist Carl Gustav Homeyer stirbt in Berlin. Homeyer lehrte von 1822 bis 1872 an der Berliner Universität, wo er 1827 zum Professor ernannt worden war.
31. 10. Die »Spenersche Zeitung« erscheint mit ihrer Abendausgabe zum letztenmal. Am selben Tag gab die »National-Zeitung« den Ankauf des Spenerschen Blattes bekannt.
01. 11. Die Urbanstraße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
01. 11. Die »Spenersche Zeitung« wird nach mehrfachem Besitzerwechsel mit der »National-Zeitung« verschmolzen. Mit der letzten Ausgabe am 31. Oktober endete die mehr als hundertvierunddreißigjährige Geschichte des Berliner Blattes.
01. 11. Die Böckhstraße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
01. 11. Die Lachmannstraße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
01. 11. Die Grimmstraße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
01. 11. Die Fichtestraße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
02. 11. Rudolf Breitscheid wird in Köln geboren. Der SPD-Politiker und Publizist wirkte früh als Redakteur nationalliberaler Zeitungen in Berlin und war Herausgeber der Wochenzeitung »Das Freie Volk«. Von 1920 bis 1923 war er Reichstagsabgeordneter.
09. 11. Eine Allerhöchste Kabinetts-Order verleiht der Kolonie Friedenau (bislang zum Gutsbezirk Deutsch-Wilmersdorf gehörig) den Rang einer selbständigen Landgemeinde.
13. 11. Vor dem Berliner Kammergericht muß sich der Redakteur K. Becker verantworten, der durch die Veröffentlichung einer »Deutschen Arbeitermarseillaise« in der Zeitung »Socialdemokrat« vom 8. Mai die Bevölkerung zu Gewalttaten »aufgereizt« haben sollte.
17. 11. Der Bergbauingenieur Rudolph von Carnall, 1849 bis 1855 Dozent für Bergbaukunde an der Berliner Bergakademie, Mitbegründer der Deutschen Geologischen Gesellschaft, stirbt in Breslau.
22. 11. Die Zeitung »Socialdemokrat« konstatiert, daß das Vereins- und Versammlungsrecht ein Schmerzenskind des preußischen Staates ist.
29. 11. Franz Carl Leonhard Elsner stirbt in Berlin. Elsner war von 1834 bis 1850 Chemielehrer an der Gewerbeakademie in der Klosterstraße (Mitte). Nach dem Ausscheiden aus dem Schuldienst war er in der Königlichen Porzellanmanufaktur tätig.
04. 12. Die Große Berliner Pferde-Eisenbahn AG eröffnet die Strecke Tegel - Weidendammer Brücke.
07. 12. Die Mittenwalder Straße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
07. 12. Die Solmsstraße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
11. 12. Paul Hermann Wegener wird in Jerentowitz (Arnoldsdorf bei Graudenz) geboren. Der Schauspieler war seit 1906 in Berlin, zuerst am Deutschen Theater und in der Folge an verschiedenen Bühnen Berlins. Zwischen 1934 und 1937 führte er Regie in sieben Filmen.
15. 12. Im Großen Saal des Handwerkervereinshauses in der Sophienstraße 18 (Mitte) findet die erste gemeinsame Versammlung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (Lassalleaner«) mit den Sozialdemokraten (Eisenacher«) statt.
26. 12. Die Mariendorfer Straße (ab 1. Dezember 1936 Riemannstraße, Kreuzberg) erhält ihren Namen.
26. 12. Die Zossener Straße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
26. 12. Die Fürbringerstraße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
27. 12. Der Buchdrucker und Zeitungsverleger Ernst Theodor Litfaß, der als erster in Berlin Reklamesäulen (Litfaßsäulen«) aufstellen ließ, stirbt während einer Kur in Wiesbaden. Bestattet wurde er auf dem Kirchhof in der Chausseestraße 126 (Mitte).
30. 12. Der Archäologe Friedrich Matz stirbt in Berlin. Er wurde auf dem Alten Kirchhof der St.-Matthäus-Gemeinde in Schöneberg beigesetzt.

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