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Eckart Elsner
Macht und Zahl

Die Mächtigen, das Recht und die Statistik
Hrsg.: Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Stuttgart

Die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Vorstandssekretariat 3, als Editor hat die Broschüre nicht datiert, sie liegt seit August 1999 vor. Es ist der Versuch, sich dem weithin für spröde gehaltenen Stoff Statistik allgemeinverständlich zu nähern, ihn auf knappem Raum in ein historisches Umfeld zu stellen und für die Jetztzeit »ein Weiterentwickeln der statistischen Rechtsgrundlagen« zu fordern, um der Statistik »eine viel größere Akzeptanz in der Bevölkerung« zu sichern, wie der Autor zusammenfassend schreibt. Die Statistik werde »das für eine hohe Datenqualität notwendige Vertrauen erst gewinnen können, wenn sie den Einflüssen der Mächtigen sichtbar entzogen ist«, denn sie habe »auch über das zu berichten, was der Regierung weniger genehm sein mag«.
     Der Versuch ist gelungen. Der Autor ist unbestreitbar sachkundig. Dies, eigentlich selbstverständlich, sei ausdrücklich festgestellt, weil heute zu viele Leute sich nach dem Motto »Wenn man's weiß ungefähr ...« bei nur geringen Kenntnissen der Materie mit allen möglichen Themen beschäftigen, und dies nicht nur im Tagesjournalismus. Elsner arbeitet seit 1975 im Statistischen Landesamt Berlin, ist seit 1981 dessen stellvertretender Leiter und hat seit 1983 in seinem Fach eine Professur an der Technischen Universität Berlin. Und er vermag, was auf solchem Gebiet nicht gang und gäbe ist, sich populärwissenschaftlich zu äußern. Ein formaler Einwand sei in diesem Zusammenhang gleich angebracht: Der Autor verwendet im Text zwei unterschiedlich gekennzeichnete Zahlenreihen als

Fußnoten, die eine – mehr erläuternde – Reihe von 1 bis 44 als »Anmerkungen«, die andere von 1 bis 127 als »Quellennachweis«. Diese unübliche Doppelung von Verweisen in zwei verschiedenen Schrifttypen verwirrt, sie hätte sich leicht vermeiden lassen.
     Der Inhalt umfaßt – zwischen Vorbemerkung und Resümee sowie einem hilfreichen Stichwortverzeichnis – zwei Hauptteile: Statistik im Umfeld der Vergangenheit und Statistik im Umfeld heute. Die Vorbemerkung macht bereits das Anliegen des Autors und zweifellos auch des gewerkschaftlichen Herausgebers deutlich. Es gibt, heißt es da, »Anlaß genug, darüber nachzudenken, wie die amtliche Statistik >schönenden<, d. h. verzerrenden und mißbräuchlichen Einflüssen Mächtiger, in der Regel von Politikern, völlig entzogen werden kann«. Bekanntlich werde »unter autoritären Regimen lediglich das Genehme verkündet«. Elsner weist dies in dem aufschlußreichen historischen Teil eindrucksvoll nach, jüngstes unrühmliches Beispiel war die DDR. Aber auch demokratisch legitimierte Regierungen haben »ihre Probleme mit der Statistik. Manchem hochrangigen Vertreter der Exekutive fällt es schwer, das von der Statistik tatsächlich Gemessene in den Medien unbeeinflußt verkünden zu lassen.«
     Die Beweise für diese These bleibt der Autor keineswegs schuldig. Er macht auch darauf aufmerksam, daß das Statistische Landesamt Berlin – andernorts dürfte es kaum anders sein – seine Daten nicht in eigener Verantwortung publizieren darf. Vielmehr sind seine Pressemitteilungen und Berichte fünf Tage vor Veröffentlichung den Pressereferenten und Persönlichen Referenten der Senatoren bzw. der Bezirksbürgermeister vorzulegen, damit diese – so die Festlegung – Gelegenheit haben, zu prüfen, »ob aus politischer oder fachlicher Sicht eine ergänzende Erläuterung erforderlich ist«. Diese feinsinnige Anordnung gilt seit 1984, es handelt sich hier, was der Autor nicht hinzufügt, um das Datum des ersten Amtsantritts des Regierenden Bürgermeisters Diepgen.
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Elsner stellt fest, daß die vom Bundestag im Januar 1987 erstmals für die Statistik gesetzlich festgelegten Prinzipien – Objektivität, Neutralität, wissenschaftliche Unabhängigkeit – einen unverkennbaren Fortschritt gebracht haben. Dennoch sei zumindest für Berlin zu fragen, ob die Statistik »als Erfüllungsgehilfe der Verwaltung« fungieren und in diesem Sinne »amtliche« Statistik sein soll, oder nicht vielmehr als »öffentliche« Institution zu wirken habe, als ein dem unmittelbaren Einfluß der Regierenden entzogenes Amt. Hierzu wird keineswegs zufällig auf die Unabhängigkeit des Berliner Datenschutzbeauftragten hingewiesen.
     Für den an Berliner Geschichte Interessierten bietet der zweite Teil dieser Publikation, Statistik im Umfeld der Vergangenheit, zahlreiche aufschlußreiche und manche bisher kaum bekannte Informationen. Aus politischer Sicht relevant ist die Anregung, die sich aus der Publikation insgesamt ergibt, »über die Notwendigkeit der Beseitigung obrigkeitsstaatlicher Relikte« in diesem Bereich verstärkt nachzudenken. Der Autor äußert in dieser Hinsicht allerdings keine großen Hoffnungen. Er weist jedoch darauf hin, daß für 2001 eine republikweite Volkszählung geplant ist, und macht darauf aufmerksam, daß die für 1987 vorgesehene Zählung vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 15. Dezember 1983 ausgesetzt wurde. Sie ist, wie man dem Urteil entnehmen kann, letztlich am Mißtrauen der Bevölkerung gegenüber solcher Befragung gescheitert. Mißtrauen gibt es, weil Statistik nicht nur verschieden interpretiert, geschönt, manipuliert, unterdrückt, sondern auch mißbraucht werden kann. Elsner will deswegen keine Alarmglocke läuten, aber doch wohl eine Warnung anklingen lassen.
Karl-Heinz Arnold
Volker Wagner
Die Dorotheenstadt im 19. Jahrhundert

Vom vorstädtischen Wohnviertel barocker Prägung zu einem Teil der modernen Berliner City De Gruyter- Verlag Berlin–New York 1998 (Veröffentlichungen der Historischen KommissionzuBerlin,Bd.94)

Dissertationen unterliegen offenbar auch immer mehr dem Trend zu Dickleibigkeit – wo ist die rezensentenfreundliche Zeit geblieben, da um die Wende zum 20. Jahrhundert eine Dissertation z. B. auf 28 Druckseiten das Problem »Burg und territoriale Grafschaft« klärte? Die vorliegenden 753 Seiten sind schon die gekürzte Fassung einer Dissertation, die 1995 zur Promotion an der TU Berlin angenommen wurde.
     Das vom Verfasser verfolgte Anliegen ist jedoch wichtig genug, um sich über Hunderte von Seiten durch viele Wiederholungen und stete Rückgriffe auf die Thesen und Meinungen früherer Autoren zu quälen, denn es geht ihm um die Aufklärung eines Mißverständnisses hinsichtlich eines traditionsbeladenen Berliner Stadtteils. Auch der Rezensent muß zugeben, daß er immer der eingeschliffenen Vorstellung gefolgt ist, die nach 1670 entstehende »Neustadt«, die ab 1681 »Dorotheenstadt« genannt wurde, sei als ein »quartier des nobles« bzw. »des riches« entstanden und habe dieses Charakteristikum ins 18. Jahrhundert mit hinübergenommen oder gar noch weiter ausgeprägt. Solche schon von Nicolai geprägte Ansicht scheint überdies einleuchtend, denn schließlich war die Dorotheenstadt ja »Westen«, und die in unserer Region vorherrschenden Westwinde erlaubten den dort sich Ansiedelnden, den Gerüchen der gewerbereichen Altstädte auszuweichen. Wagner will nun nachweisen, daß die Ansicht von den Vornehmen und Reichen als

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prägender Bewohnerschicht in der Dorotheenstadt auf der unzulässigen Gleichsetzung von Unter den Linden und Friedrichstraße zwischen Behrenstraße und Weidendammer Brücke mit der gesamten Dorotheenstadt beruht.
     Allerdings ist die Quellenlage für das 17./18. Jahrhundert mager und nicht mit der Quellendichte zu vergleichen, die sich dem Autor für das 19. Jahrhundert erschlossen hat: Trotz einiger Verluste immer noch reichlich vorhandene Bauakten und – die Propagierung dieser Quelle muß man ihm besonders hoch anrechnen! – die bislang unter dem Gesichtspunkt der Baugeschichte weitestgehend vernachlässigten Akten der Berliner Feuersozietät. Jedoch läßt die ausführliche, ja über weite Strecken redundante Darlegung der sozialräumlichen und funktionalen Strukturen in der Dorotheenstadt im Jahre 1822 ohne Zweifel (da muß dem Autor zugestimmt werden) konkrete Rückschlüsse auf die Strukturen im 18. Jahrhundert zu, weil sich Berlin 1822 in seinem Gesamtmuster noch nicht von der Residenzstadt des 18. Jahrhunderts abhob. Das Stichjahr ist gut gewählt, denn – wenn man auch um ein oder zwei Jahre streiten könnte – tatsächlich beginnt etwa in dieser Zeit der Prozeß von Industrialisierung und Urbanisierung, der, wie die meisten anderen Städte auch, Berlin total umkrempelte. Die detaillierte Untersuchung, die Wagner für 1822 bietet, ist überzeugend: Eine homogene räumlich- funktionale Struktur der Dorotheenstadt ist keineswegs auszumachen, und nur in einzelnen Teilbereichen (nicht einmal im Totalbereich der Straße Unter den Linden, wo die Schnittkante zwischen adliger Repräsentation und bürgerlichem Gewerbe zwischen Süd- und Nordseite verläuft!) ist eine stringente soziale Abgrenzung auszumachen. Das »quartier des riches« ist eine immer wieder von Vorgängern abgeschriebene Legende!
     Eine zweite These voller Voreingenommenheit hat Wagner in der Einordnung der Dorotheenstadt am Endpunkt der Urbanisierung ausgemacht:
Mangels wirklicher Untersuchungen ist die Dorotheenstadt zu Beginn des 20. Jahrhunderts stereotyp mit der Prägung »City« versehen worden – der »alten City«, wie die Gegend dicht bei der Friedrichstraße auch immer noch gern benannt wird. Dieser City-Bildung geht der Autor nun nach. Den Prozeß der City-Bildung sieht er – älteren Verfassern folgend – als einen Prozeß der Umbildung großstädtischer Kerngebiete zu einem urbanen Raum, der überwiegend durch Arbeitsstellen des Handels und der Verwaltung bei gleichzeitiger Abstoßung der einst dort angesiedelten gewerblichen (und industriellen) Arbeitsstellen gekennzeichnet ist, verbunden mit einer Verdrängung der Wohnfunktion urbaner Siedlung zugunsten renditeträchtigerer Nutzung der Häuser. Und auch in dieser Hinsicht enttäuschen seine – zugegeben weitschweifigen – Untersuchungen die bequemen Abschreiber. Natürlich hat die Dorotheenstadt nach 1871 einen Funktionswandel erfahren, sind Wohn- und gewerblich- produzierende Nutzung zurückgegangen zugunsten von Handel (dem mit Gütern wie dem mit Dienstleistungen). Aber die Dorotheenstadt hatte auch 1914 noch ein hohes Maß funktional durchmischter Grundstücke aufzuweisen, und das mag wirklich auf die örtliche Tradition als Wohnstadt zurückzuführen sein. Plausibler scheint die Erklärung, daß die Zunahme von technischem Hauspersonal, das sehr oft in Dienstwohnungen untergebracht war, die städtische Unterschicht nicht vollends zugunsten mittleren und gehobenen Bürgertums aus dieser Stadtgegend eliminierte. Das glitzernde Gefunkel der Amüsiermeile Friedrichstraße und dessen Widerspiegelung in den Schilderungen von Provinzonkeln und Lokalreportern verdeckte die Tatsache, daß in den Nebenstraßen gehobene Unter-, gutbürgerliche Mittel- und behäbige Oberschicht nicht nur ihre Arbeits-, sondern zu einem guten Teil auch ihre Wohnstätte hatten. (Wenn nicht andere Quellen herangezogen werden, wird man ausgangs des 21. Jahrhunderts vielleicht auch glauben, daß im Sommer 1999 ganz
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Berlin nur dem US-Schinken »Star Wars–Episode 1« entgegenfieberte, schließlich wird's in Blättern des Sommers 1999 nachzulesen sein.)
     Mit dem vorliegenden Werk ist eine Lücke in der Geschichtsschreibung über Berlin geschlossen worden, denn des Autors (rechtfertigender?) Bemerkung, die Dorotheenstadt als städtischer Raum sei in der Berlin- Historiografie bis dato unterbewertet, ist nichts hinzuzufügen. Sehr schön hat er übrigens an ihrem Beispiel herausgearbeitet, daß ein historisch geprägter Name für einen Stadtteil keineswegs impliziert, der habe immer dieselben Verwaltungsgrenzen gemeint; Kenntnis der Berliner Verwaltungsgeschichte gehört also allemal zum Handwerkszeug des Historikers, der sich einer Stadtregion zuwendet. Aber selbst wer auf diesem Gebiet sattelfest ist, muß auf einem Gebiet, auf dem der Autor sich offenbar heimisch fühlt, zu einer Nachfrage berechtigt sein: Wenn stets mit dem sekundären, tertiären, ja selbst quartären Sektor der Ökonomie hantiert wird und darunter allem Anschein nach die (gewerblich- industrielle) Produktion, der Handel mit Gütern und der Handel mit Dienstleistungen zu verstehen ist, was ist dann der primäre Sektor? Etwa die Extraktion von Rohstoffen?
Kurt Wernicke
Elisabeth Kraus
Die Familie Mosse

Deutsch- jüdisches Bürgertum im 19. und 20. Jahrhundert
Beck'sche Verlagsbuchhandlung, München 1999

Wenn von dieser Familie die Rede ist, wird sehr schnell der Verleger Rudolf Mosse genannt. Er kam 1867 nach Berlin und machte mit seiner Annoncen- Expedition das große Geschäft. Aus dem jungen Mann wurde ein Medienzar, einer der einflußreichen Männer des Kaiserreiches und der Weimarer Republik. Dort, wo er einst das berühmte »Berliner Tageblatt« druckte, gibt es heute ein Mossezentrum. Obwohl ein neugebautes Bürohaus auf dem Platz seiner ehemaligen Stadtvilla Mossepalais heißt, erfährt man nicht allzuviel über die Familie. Endlich schließt jetzt ein Buch die Wissenslücken. Mit wissenschaftlicher Genauigkeit wird der Leser durch einen Zeitraum von etwa 100 Jahren geführt. Im Mittelpunkt steht eine Familie, die besonders erfolgreich das deutsch- jüdische Bürgertum repräsentierte. Die Mosses waren reich und anerkannt, bis 1933, dann gehörten auch sie zu den Geächteten.
     Nach der »Machtergreifung« emigrierten die meisten Mosses. Von fünf Familienmitgliedern weiß man, daß sie über Theresienstadt nach Auschwitz deportiert wurden und nicht mehr wiederkamen. Die Überlebenden, die in den USA, in Australien oder Großbritannien Fuß faßten, arbeiteten in ihren Berufen erfolgreich weiter. Ungewöhnlich viele nahmen führende Stellungen ein, waren in Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst tätig. Bekannt wurden der Maler Martin Bloch, der Kunsthistoriker Erwin Panofsky, der Biochemiker und Nobelpreisträger Konrad Bloch und der Historiker Werner Mosse. Auch George L. Mosse, ebenfalls Historiker und Enkel von Rudolf Mosse, gehörte dazu. Im Februar dieses Jahres starb er 80jährig. Er galt als einer der führenden Historiker seiner Generation und lehrte an der Universität Wisconsin in Madison Geschichte.
     Das Leben von vier Generationen wurde erforscht und im jeweiligen Umfeld betrachtet. Die Autorin Elisabeth Kraus, Privatdozentin für Neuere Geschichte, hat in jahrelanger Arbeit die Bestände der Archive durchgesehen. Vor allem in New York, Yad Vashem und Berlin fand sie Spuren. Doch es ging ihr nicht nur um die Biographie des einzelnen. Sie zeigt Zusammenhänge, vergleicht und wertet. Ein kurzer Blick durch den Türspalt reicht ihr nicht, sie stößt die Tür zur Vergangenheit weit auf.

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Die sechs Schwestern Mosse (1891)
Sieben der acht Brüder Mosse (1891)
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Und so zeichnet sie nicht nur das Porträt einer jüdischen Familie, sondern das einer ganzen Epoche.
     Der Stammvater der Familie war ein gebürtiger Moses. Erst nach einem Namenswechsel nannte er sich Markus Mosse. Dieser Mann ließ sich 1835 als Arzt in Graetz nieder, einer kleinen Stadt, die zur preußischen Provinz Posen gehörte. Etwa die Hälfte der Einwohner waren Juden, Markus fand hier bald eine Braut aus gutem Hause. Mit Ulrike gründete er eine Familie, zu der mit der Zeit vierzehn Kinder gehörten. Sie wurden zu Arbeitsliebe, Ordnung, Unterordnung und all den Tugenden des preußisch- deutschen Bürgertums erzogen. Markus Mosse hoffte mit Recht, daß er so seinen Kindern den Zugang zu einem besseren Leben erleichtert.
     Die zweite Generation, zu der auch Rudolf Mosse gehörte, machte Karriere. Die Geschwister waren nach und nach, auch auf den Rat des Vaters, von Graetz nach Berlin übergesiedelt. Sie begannen als Konfektionslehrling, Buchhandlungsgehilfe oder Schüler und gehörten schließlich zu den Honoratioren der Stadt, fünf von ihnen wurden Multimillionäre. Trotz beruflichen Engagements vergaßen sie nie, für die jüdische Gemeinschaft zu wirken. Rudolf als Vorsitzender der Reformgemeinde, Albert als Leiter des Kuratoriums der Hochschule für die Wissenschaften des Judentums.
     Die dritte Generation konnte und wollte sich nicht allein auf das ererbte Vermögen verlassen. Viele von ihnen wählten akademische Berufe. Und auch für die vierte Generation, die schätzungsweise aus 60 Personen bestand, trifft dies zu. Trotz der Verunsicherung, die durch die neuen Umstände nach der Emigration zu bewältigen waren, erreichten viele hohes Ansehen in ihrem Beruf. Die Autorin stellt sich die Frage, welcher Zusammenhang zwischen Judentum und Bildung besteht. Darauf gibt es viele Antworten, und sie sind auch in diesem Buch zu finden.
Thea Koberstein
Bildquelle: Die Familie Mosse
Nachtrag zum Beitrag über die »Marc Aurel«- Büste (BM 8/99)

Der Maler und Schriftsteller August Kopisch (1799–1853) schrieb in seinem postum erschienenen Werk »Die Königlichen Schlösser und Gärten zu Potsdam« (Berlin 1854, S. 87), daß schon zu Lebzeit Friedrichs II. auf dem Kamin im Arbeits- und Schlafzimmer von Schloß Sanssouci »zwei kleine antike Büsten von weissem Marmor« standen: »Julius Caesar als Kind und der Kaiser Marc Aurel«. Da Kopisch keinen Beleg für diese Behauptung anführt und die Primärquellen nur von einer Büste, nämlich der des »Marc Aurel« sprechen, erschien mir seine Aussage wenig glaubwürdig. Übernommen hat Kopisch die Angabe, wie sich bei einer erneuten Recherche herausstellte, aus dem Werk von Friedrich Rumpf »Beschreibung der aeussern und innern Merkwürdigkeiten der Königlichen Schlösser in Berlin, Charlottenburg, Schönhausen in und bey Potsdam« (Berlin 1794). Dort heißt es auf S. 185: »Auf dem marmornen, von Schwizer gearbeiteten Kamin steht ein kleines antikes Bruststück Mark Aurels, der Kopf ist von weißem Marmor, das Gewand von vielfarbigem Achat. Ein Gegenstück von Mark Aurel, Antike von Marmor. Julius Caesar als Kind, eine Antike.« Somit dürfte feststehen, daß die (heute nicht mehr nachweisbare) vermeintlich antike Kinderbüste des »Julius Caesar« erst nach dem Tode Friedrichs II. bzw. nach dem von Erdmannsdorff durchgeführten Umbau des königlichen Arbeits- und Schlafzimmers und vor dem Erscheinen der Rumpfschen »Beschreibung«, d. h. zwischen 1786 und 1794, auf den Kamin gelangt sein kann. Insofern hatte Kopisch nicht ganz unrecht.
     Das Porträt des Lucius Verus lehnt sich eng an den um 160 n. Chr. geschaffenen Bildnisbzw. Haupttypus an, der durch zahlreiche Repliken überliefert ist.
Harry Nehls

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