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Hans-Heinrich Müller
Tabakanbau in Lichtenberg

Als infolge des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges (1775–1781) die Zufuhr von Tabakblättern aus Virginia stockte, erfuhr der Tabakanbau in der Mark Brandenburg eine beträchtliche Ausdehnung, die sich bald als Überproduktion herausstellte. Angebaut wurde der damals übliche Landtabak, dessen Qualität nicht besonders gut war. Der preußische König Friedrich II. (1712–1786, König ab 1740) war aber geradezu von der Vorstellung besessen, die virginischen Blätter für die Fabrikation durch einheimische vollwertig zu ersetzen.
     Er habe die Idee, schrieb er am 16. Januar 1780 an Franz Carl Achard (1753–1821), den Chemiker der Berliner Akademie der Wissenschaften, »ob es möglich sei, eine solche Sauce zu erfinden, die auf keine Weise schädlich sei und dennoch den hiesigen Landblättertabak verbessern kann, daß solche dem virginischen, wo nicht in totum, so doch in tantum an Bonité gleichkömmt. Ich bin gesonnen und verspreche es hiermit, demjenigen, der ein dergleichen Mittel, das nicht schädlich sei, ausfindig macht, ... eine Pension von eintausend Taler jährlich zu geben, und trage Euch also hierdurch auf,

allen ersinnlichen Fleiß daran zu wenden und recht darauf zu studieren, wie Ihr mittelst Eurer chemischen Kenntnisse ein dergleichen Mittel erfinden möget.«1)

15 Briefe Friedrichs II. zur Verbesserung des einheimischen Tabaks

Achard stürzt sich auf das Feld der Tabakkultur, trifft Vorbereitungen, setzt sich mit dem Generaldirektorium (Regierung) und der Tabakadministration in Verbindung, um Blätter und Samen zu besorgen. Aufmerksam verfolgt der König die Versuche, läßt sich berichten und korrespondiert in den nächsten drei Jahren mit Achard über die Tabakkultur, wovon allein fünfzehn Briefe des Königs an Achard zeugen.
     Schon im Sommer 1780 unterrichtet Achard Friedrich II. über diesbezügliche Versuche, worauf der König am 12. August antwortet: »Die Art in der Sie die Sache angehen, ist Mir gleich, sei es durch Anbau oder auf andere Weise. Welcher Weg zu diesem Ziel auch immer eingeschlagen wird, es zählt nur, daß Sie zu einer wirklichen Verbesserung kommen. Dies ist um so wünschenswerter, als man nicht ständig Virginia- Tabakblätter beschaffen kann, vor allem in Kriegszeiten, das ist, wie Sie wissen, mit hohen Kosten und viel Hindernissen verbunden. Wenn man bei der Verbesserung des einheimischen Tabaks dazu kommt, sich allmählich dem aus Virginia anzunähern,

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wäre dies ein großer Vorteil, wir hätten keine Schwierigkeiten oder sie wären weniger groß; in dem Maße, wie er sich verbessert, würde er die Blätter aus Virginia ersetzen, wir könnten unsere Käufe aus dem Ausland allmählich verringern oder sie vielleicht vollständig einstellen, wenn der einheimische Tabak die gleiche Qualität erreicht. Ich billige also die Idee, verschiedene Wege zu versuchen; es wäre Mir angenehm, wenn Sie Mir berichten und Mir auch mitteilen, was ein solcher großer Versuch ungefähr kosten würde.«2)
     Am 7. Oktober 1780 übersandte Achard dem König zwei Pläne, die jedoch keine Berücksichtigung fanden, weil die darin vorgeschlagene Größe der Tabakplantage (312 Morgen) und die Kosten in Höhe von etwa 5 200 Talern keine Aussicht auf eine Verwirklichung hatten.
     Doch Friedrich II. wandte sich an den zuständigen Minister für die Kurmark Brandenburg, Friedrich Gottlob Michaelis, und beauftragte ihn mit der Beschaffung von fünf Morgen Land entweder vor dem Schönhauser Tor oder in Lichtenberg, wo man »eine ordentliche Probe« mit den Tabakversuchen machen kann. Am 20. Oktober 1780 berichtete die kurmärkische Kammer, daß fünf Morgen Land, gutes, viel gedüngtes, mit Lehm vermischtes »Gerstland« im Brachfeld des Kämmereigutes Lichtenberg »zwischen den beiden Wegen nach
Friedrichsfelde und Marzahn« ausfindig gemacht werden konnten, die Achard auch zusagten. Die Fläche wurde eingezäunt, die Kosten der Einzäunung und der Pacht wurden von der kurmärkischen Kammer übernommen. Außerdem wurde ein Planteur eingestellt, der Achard zur Hand ging, nachdem ihm die Leitung dieser Plantage übertragen wurde.
     Friedrich II., der sich mit der Lage der Plantage und den Kosten einverstanden erklärt hatte, ließ Minister Michaelis dann wissen: »Indessen wenn Ich von der Tobacks- Administration nur erst weiß, wie der von Achard gewonnene Toback befunden worden«, so ist dafür Sorge zu tragen, daß man die Tabakbauer in der Uckermark, wo der beste Tabak angebaut wurde, darin unterrichtet, »wie sie zu Werke gehen müssen bei der Plantation, um besseren Toback zu gewinnen«.3)
     Achard hatte inzwischen mit den Versuchen begonnen, baute nicht nur den langblättrigen Virginia- Tabak an, sondern zog auch rundblättrige Pflanzen aus ungarischen, orientalischen und asiatischen Tabaksamen. Er unterrichtete den König von Zeit zu Zeit über den Fortgang der Versuche und der angewandten Methoden. Der wiederum veranlaßte, die aus virginischen und asiatischen Samen gewonnenen Tabakblätter, wenn sie getrocknet waren, an die Tabakregie einzusenden zwecks Prüfung, welche der beiden Sorten besser sei.
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Und er beauftragte Achard, die Menge des benötigten Samens zu bestimmen, um ihn zu beschaffen.
     Am 16. Juni 1781 berichtete Achard dem König über seine erfolgten Bemühungen, und zwei Tage später erklärte Friedrich II. seine »volle Zustimmung« zu dem Inhalt des Briefes und fügte hinzu: »... ich fordere Sie auf, Ihre Versuche mit der gleichen Aktivität und der gleichen Sorgfalt fortzuführen, mit der Sie begonnen haben, damit Sie das vorgesehene Ziel erreichen. Wir werden nach der Ernte die Qualität des Tabaks feststellen, der sich am weitesten der des Virginischen annähert oder ihn ersetzen könnte; und die versprochene Belohnung wird nicht auf sich warten lassen.«4)
     Für die Beschaffung von Tabaksamen wandte sich Achard am 14. August 1781 auch an den polnischen König Stanislaw II. August Poniatowski, der daraufhin die Direktion des polnischen Tabakunternehmens anwies, Achard »die Samen der verschiedenen Tabakpflanzen zu beschaffen«, die »er haben möchte«.
     Wie der französische Gelehrte Dieudonné Thiebault, Mitglied der friderizianischen Akademie der Wissenschaften, in seinen Erinnerungen schrieb, habe Achard, »allen Unbilden der Jahreszeiten« zum Trotz, »ganze Tage damit verbracht, seine Verfahren zur Vervollkommnung der Tabakkultur zu begutachten, und so aus den von ihm erhaltenen Ergebnissen
23 000 Dreisätze unter Feldbedingungen angestellt«.5)
     Achard nahm danach eine statistische Berechnung und Aggregation, eine Aufbereitung der Versuchsergebnisse über klimatische Pflanzenadaption vor und hat damit eine nicht zu unterschätzende Leistung zur biologischen Statistik erbracht.

Achard erhält vom König 500 Taler auf Lebenszeit

Friedrich II. war »über die wahrhaft löbliche Mühe und Sorgfalt«, die Achard zur Verbesserung der Tabakkultur verwandt hat, sehr zufrieden, was er Achard am 15. September 1781 bescheinigte. Ein dreiviertel Jahr später, am 14. März 1782, bedankte sich der König nochmals bei Achard für die »Denkschrift und die Aufstellung über die Möglichkeiten der Verbesserung des Tabaks durch Anbau. Ich billige Ihre Arbeit hinreichend und zolle den Beobachtungen Beifall.«6)
     Der König war also mit der Wirkung der Anbauversuche zufrieden, und Achard erhielt von ihm eine »aus der Extraordinarien- Kasse« zu entnehmende »Prämie« von jährlich 500 Talern auf Lebenszeit für seine Verdienste um die Verbesserung der inländischen Tabakkultur. Achard bedankte sich am 26. April 1782 für diese »Auszeichnung« und schrieb dem König: »Es erfüllt mich mit der nicht zu beschreibenden Dankbarkeit, daß ich versuchen werde, meine

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akademischen Tätigkeiten noch eifriger und fleißiger auszuführen, um zu beweisen, daß ich keinen größeren Wunsch habe als Euer Majestät Wohlgefallen würdig zu sein.«7)
     Indes kam es nicht nur auf die Anpflanzung fremder Tabaksorten oder Veredlung einheimischer Sorten an, sondern auch auf die Behandlung einheimischer Blätter. Doch gerade das Ergebnis dieser Versuche hat dem König eine Enttäuschung bereitet. Nach dem Bericht der General-Tabak- Administration vom 27. Juli 1782 hatten von den 1 180 eingesandten Proben außer 34 alle übrigen keinen Vorzug vor dem ordinären Landtabak, und die 34, »ungeachtet sie dem äußeren Ansehen nach gute Miene machten«, schienen noch nicht geeignet, ohne Nachteil des Absatzes unter die aus virginischen Blättern hergestellte Ware gemischt zu werden, »weil sie zum Teil den schlechten Landblättergeruch, teils einen ihnen eigenen Geruch hätten, der mit dem virginischen gar nicht übereinkäme. Der Vorzug, welchen diese 34 Proben haben, besteht demnach darin, daß sie zu einer Artgemeinen Schnupftabak und zu einer geringen Sorte Rauchtabak, zu welchen beiden bisher die Fabrikanten aus alten Landblättern die besten haben aussuchen müssen, gebraucht werden können.«8)
     Dennoch bewahrte Friedrich II. Achard sein Wohlwollen, er bat ihn am 16. März 1783, »eine Aufstellung seiner Unkosten und Außenstände für die Versuche vorzu-
legen, die er 1781 und 1782 durchgeführt hat«. Diese Unkosten gab Achard mit 816 Talern und 13 Groschen an, die dem König doch »recht hoch« erschienen. Und am 16. Juni 1783 ließ Friedrich II. Achard wissen: »... obgleich Ihre Versuche über den Tabak Meinen Erwartungen nicht entsprochen haben, werde ich jedoch sehen, wie man den Kosten beikommen kann, die Ihnen entstanden sind.«9)
     Achard hat nach dem Erhalt der Gratifikation von jährlich 500 Talern den Tabakanbau und die Versuche weitergeführt, womöglich auf seinem Ende 1782 erworbenen Gut Kaulsdorf, wobei seine Hauptaufmerksamkeit auf asiatischen Tabak gerichtet war, von dem Friedrich II. meinte: »Bisher scheint der Anbau von Tabak aus Asien guten Erfolg zu haben und der König hat noch nichts davon gehört, daß er den Fehler hätte, zu stark und narkotisch zu sein. Es könnte jedoch sein, daß man ihn zu fein geschnitten oder mangelhaft behandelt hat. Das läßt Seine Majestät durch die Generalverwaltung prüfen und beurteilen.«10)
     Noch am 15. Mai 1785 forderte der König Achard auf, »die Versuche zur Kultivierung von Tabak« nicht zu unterbrechen. »Im Gegenteil, ich bin sehr geneigt, sie zu begünstigen. Aus dieser Sicht ist Ihre kleine Pflanzung, die entsprechend Ihrem gestrigen Brief nur zu Forschungen und Versuchen über die verschiedenen Orienttabake be-
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stimmt ist, nicht in das allgemeine Verbot des Kreises Niederbarnim einbezogen, und entsprechend gebe ich Meine Weisungen an die Tabakgeneralverwaltung sowie an Meine Königliche Kriegs- und Domänenkammer.«11)
     Am 18. Mai 1785 befahl Friedrich II. der Kurmärkischen Kammer, das allgemeine Verbot des Tabakanbaues im Kreis Niederbarnim für Achard auszusetzen und seine Versuche »nicht im geringsten zu unterbrechen«, sondern »seine Plantage ganz frei fortsetzen zu lassen«.12)
     Wie der Tabakanbau und die Versuche in Lichtenberg ausgegangen sind, ist unbekannt. Es ist zu vermuten, daß nach dem Tode Friedrichs II. die Versuche ausgelaufen sind und Achard sich immer mehr dem Anbau von Farbpflanzen und Runkelrüben zuwandte. Immerhin hat Friedrich Wilhelm II. (1744–1797, König ab 1786) am 29. Oktober 1786 Achard bestätigt, daß die »fünfhundert Taler Jahresgehalt, die Ihnen bisher aus dem Etat der Tabak-Kasse angewiesen wurden, verbleiben, ... damit Sie sie genießen können«.13)
Quellen:
1     Universitätsbibliothek Bonn, Handschriftenabteilung (UBB), S. 1077, Nr. 11
2     Ebenda, Nr. 13
3     Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin-Dahlem (GStA), II, Gen. Dir. Kurmark, Tit. CCLXVII, Nr. 5, Bl. 17
4     UBB, S. 1077, Nr. 18
5     Dieudonné Thiebault, Mes Souvenirs de vingt ans de Séjour á Berlin, ou Frédéric le Grand, sa Famille, sa Cour, son Gouvernement, son Académie, ses Ecoles, et ses Amis littérateurs et philosophes, Paris 1804, S. 36 f.
6     UBB, S. 1077, Nr. 19 u. 22
7     GStA, Rep. 96, Nr. 434 A, Bl. 157
8     UBB, S. 1077, Nr. 24 a
9     Ebenda, Nr. 35
10     Ebenda, Nr. 33
11     Ebenda, Nr. 43
12     GStA, II, Gen. Dir. Kurmark, Tit. CCLXVII, Nr. 5, Bl. 23
13     UBB, S. 1077, Nr. 48
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