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Helmut Caspar
Eine Moschee als Pumpenhaus

Im Park von Sanssouci wurde ein königlicher Traum wahr

Friedrich der Große (1712–1786, König ab 1740), als Flötenspieler, Mäzen, Bauherr und Kriegsheld erfolgreich, scheiterte kläglich mit seinem Traum, im Park von Sanssouci nach Versailler Vorbild Wasserkaskaden in die Höhe schießen zu lassen. Nur einmal, im Jahr 1754, konnten holländische Spezialisten den König von Preußen für weniger als eine Stunde mit dem Anblick einer solchen Fontäne erfreuen. Doch wie groß war des Herrschers Zorn, als er erfuhr, daß man ihn schnöde hintergangen hatte. Denn was da vom Ruinenberg hinter dem Sommerschloß in ein Bassin nahe der Bildergalerie floß, um sich mit dünnem Strahl in die Lüfte zu erheben, war kein Havelwasser, wie die Fontänenbauer versprochen hatten, sondern nur zusammengefegter und in der Frühlingssonne geschmolzener Schnee. Der Versuch, das Flußwasser mit Hilfe von »Kunstmühlen« auf den Berg zu pumpen, um es dann abfließen und durch den Eigendruck in die Höhe schießen zu lassen, scheiterte an dem Unvermögen, zuverlässige

Leitungen herzustellen und den Höhenunterschied von 42 Metern zu bewältigen.

Mißerfolge und Machtlosigkeit

Genau 168 490 Taler, aufgewendet für ein immer wieder zerberstendes Leitungssystem aus Holzröhren, waren verloren – eine ungeheure Summe, die auch einen König schmerzte. Der enttäuschte Herrscher schickte Voltaire ein Epigramm, wie H. E. R. Belani in seinem Buch »Geschichte und Beschreibung der Fontainen von Sanssouci« (Potsdam 1843) erzählt, in dem er die Macht der Könige beschrieb, welche wie Neptun mit dem Dreizack die Wogen des Krieges ebnen, aber nicht dem Wasserstrahl gebieten können, »bergan zu steigen«. Scharlatane und Glücksritter, die sich dem Alten Fritzen als Fontainiers andienten, wurden zum Teufel gejagt. 1780 bestimmte der König nach einem erneuten Mißerfolg, alles, was mit seiner gescheiterten Wasserkunst zu tun hat, bestmöglich zu verkaufen.
     Sechzig Jahre später, in Zeiten der Dampfmaschine, war das Transportproblem gelöst, wie eine neue Ausstellung der Preußischen Schlösserstiftung in der »Moschee« am Ende der Breiten Straße in Potsdam schildert. Das Maschinenhaus wurde 1841/42 in Anlehnung an islamische Bauten in Kairo und Cordoba auf Befehl Friedrich Wilhelms IV. (1795–1861, König 1840–1858) errichtet. Der »Romantiker auf dem Thron« hatte schon als

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Das als Moschee gebaute Dampfmaschinenhaus

Kronprinz in Charlottenhof nahe dem Neuen Palais im Park von Sanssouci eine kleine Dampfmaschine für Wasserspiele bauen lassen. Der Architekt Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) versteckte die Anlage am Maschinenteich allerdings in einem »antiken Gebäude«, das die Gestalt eines Kandelabers bekam. Der aus dem verzierten Schornstein aufsteigende Rauch wurde als belebendes Element in der Landschaft geschätzt.

Minarett als Schornstein

Nach der Thronbesteigung von 1840 wies Friedrich Wilhelm IV., der mit seiner Gemahlin Elisabeth von Bayern das lange verwaiste Schloß Sanssouci bezog, den Architekten Ludwig Persius (1803–1845) an, ein Maschinenhaus »nach Art der türkischen Moscheen mit einem Minarett als Schornstein« zu errichten, denn dem königlichen Schöngeist war die Vorstellung zuwider, von seiner Schloßterrasse auf ein fabrikartiges Gebäude schauen zu müssen, aus dem das Havel-

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wasser hinüber zum Ruinenberg gepumpt wurde. Die in der Fabrik des späteren Berliner Lokomotivkönigs August Borsig (1804–1854) nach Entwürfen des Architekten, Mathematikers und Lehrers an der Berliner Gewerbeschule Adolph Brix (1798–1870) gebaute 81,4-PS-Dampfmaschine erhielt am Ufer der Havel eine exotische Hülle. Die Moschee ist neben der Neuen Synagoge in Berlin ein besonders auffälliges Beispiel für orientalisierendes Bauen in Preußen. Die malerische Wirkung der Stein gewordenen Reminiszenz an »Tausend und eine Nacht« wurde noch durch die Spiegelung im Havelwasser erhöht.
     Als Standort für das neue Maschinenhaus, dessen Errichtung der erste Auftrag war, den der neue König auslöste, wurde die zu Füßen des Schlosses und des Parks Sanssouci liegende Neustädter Havelbucht ausgewählt. Hier lagerten auf landesherrlichem Grund und Boden die Baumaterialien, die für den Unterhalt der Schlösser und Gärten benötigt wurden. Da man den verschiedenen Nutz- und Maschinenhäusern in den königlichen Gärten einen hohen ästhetischen Stellenwert beimaß, wurde ihre Gestalt sorgfältig geplant. Das ebenfalls nach Entwürfen von Persius gebaute Dampfmaschinenhaus im Park Babelsberg etwa wurde als »normannische Burg« errichtet, wobei der zinnenbewehrte Turm als Schornstein diente. Im Gegensatz zur komplett erhaltenen Ausstattung in der Potsdamer »Moschee« existiert
die Dampfmaschine in diesem Gebäude unweit des Schlosses Babelsberg nicht mehr.

Ehrenvoller Auftrag

Für August Borsig war der Bau der bis dahin größten Dampfmaschine Preußens eine große Ehre und eine besondere Herausforderung, der er sich trotz großer technischer und Zeitprobleme mit Bravour stellte. Der Fabrikant stand unter erheblichem Druck, sollte die Fontäne doch am 15. Oktober 1842, dem 45. Geburtstag des Königs, in die Höhe steigen. Persius bedrängte Borsig mit den Worten »Bedenken Sie, daß die Anlage der Wasserwerke zur Zeit das größte Bauunternehmen im Staate ist, daß der König, das Land, ja man kann sagen, die Welt an der von Ihnen zugesagten Vollendung des Werks Anteil nimmt, das durch das historische Interesse, was sich daran knüpft, zu einem wahrhaft nationalen Unternehmen gestempelt wird.« Fast alle Maschinenteile konnte Borsig in seiner eigenen, erst 1837 gegründeten Fabrik herstellen, nur die besonders großen Schwungräder von vier Meter Durchmesser bezog er aus England, der damaligen »Werkstatt der Welt«.
     Zum Leidwesen aller Beteiligten konnte der vom König gesetzte Termin nicht eingehalten werden, was eine Vertragsstrafe für Borsig in Höhe von 500 Talern zur Folge hatte. Doch ein paar Tage später war das Werk geschafft, und so erhob sich am 23.

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Oktober 1842 im Beisein der preußischen Majestäten unterhalb des Schlosses Sanssouci ein »imposanter Wasserschweif« von 38 Metern in die Höhe, wie Belani schreibt. Die begeisterten Zuschauer nahmen dabei gern in Kauf, von der Fontäne besprüht zu werden. Die Bewältigung des königlichen Wunsches hatte für Borsig manch angenehme Folgeeffekte. So wurde er auch mit dem Bau der Kuppel der Potsdamer Nikolaikirche beauftragt.
     Wie in der mit Zeichnungen, Lageplänen, Chroniken, aber auch exotischen Wasserspeiern und Brunnenfiguren sowie einem Stück Holzröhre aus der Zeit Friedrichs des Großen ausgestatteten Ausstellungen zu

Pumpenhaus, gestaltet wie eine »normannische« Burg, im Babelsberger Park

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erfahren ist, sollte die im »maurischen Styl« reich verzierte Riesenpumpe schon in der Kaiserzeit abgebrochen werden, weil sie den stark gestiegenen Wasserbedarf für zahlreiche Fontänen und Sprudelgewässer im Park Sanssouci nicht mehr befriedigte. Chroniken berichten, daß die Kohlenschipper zwanzig Stunden zu tun hatten, wenn Wilhelm II. im Sommer seine Residenz ins Neue Palais verlegte und darauf bestand, daß alle Fontänen aufstiegen. Immerhin zählten sie zu den großen Attraktionen in Potsdam. Zum Glück unterblieb der Abriß nicht nur aus Kostengründen, sondern weil man die mit vergoldeten Halbmonden und farbigen Ziegelbändern verzierte und im Inneren mit reicher Schablonenmalerei geschmückte Moschee mit ihren farbig verglasten Fenstern nicht gefährden wollte, die um die Maschine herum gebaut worden war. Neue Aggregate erledigten, was Borsigs schnaufendes Ungetüm nicht mehr schaffte.

Adler als Fliehkraftregler

Auch heute wird das Ruinenberg-Becken als Ausgangspunkt für die Fontänen von Sanssouci genutzt, doch jetzt erledigen computergesteuerte Elektromotoren den Wassertransport von der Havelbucht auf den Berg. Für Besucher der Moschee – sie ist nur am Wochenende von 10 bis 17 Uhr geöffnet – wird gelegentlich auf elektrischem Wege per Knopfdruck das alte Borsig- Gestänge in

Bewegung gesetzt. Rasselnd und schnaufend heben und senken sich dann die Kolben der doppelwirkenden Niederdruckdampfmaschine mit Einfachkompression, wie Fachleute das einzigartige Technikdenkmal beschreiben.
     Ende des Zweiten Weltkriegs beschädigt, ist das Gebäude Mitte der achtziger Jahre restauriert worden. Auch die reich mit bemalten Ornamenten aus Eisen- und Zinkguß verzierte Maschine, über der der vergoldete Preußenadler als Fliehkraftregler hockt, bekam ihre Beweglichkeit zurück. Die damals eingerichtete Ausstellung wurde jetzt erneuert und durch bisher unbekannte, im Archiv des Deutschen Technikmuseums Berlin liegende Dokumente aus Borsigs Nachlaß ergänzt. Die Preußische Schlösserstiftung hofft, daß die Stadt Potsdam sich des Technikdenkmals in kostbarer Hülle bewußt wird und wenigstens das steinernhäßliche Umfeld bepflanzt, wenn sie schon die monströsen Plattenbauten aus DDR-Tagen stehenlassen muß.

Fotos: Autor

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© Edition Luisenstadt, 1999
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