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Horst Wagner
29. August 1636:
Edikt wider den blauen Montag

»Edict, daß die Handwercks-Pursche nicht mehr guten Montag halten, nach dem Zapfen-Strich kein Bier gezapfet werden, niemand des Abends ohne Laterne und brennender Fackel gehen, niemand des Tags noch Nachts mit den Spiel-Leuten und Musicanten auf die Strassen gehen und jauchzen noch weniger das Gewehr blössen und in die Steine hauen solle, bey Straffe des Eselsitzens oder gar des Wippens.« So der volle Titel eines Edikts, das Brandenburgs Kurfürst Georg Wilhelm (1595–1640, Kurfürst ab 1619) »de dato Cölln an der Spree den 29ten August 1636« erließ.
     Es war eine schlimme Zeit für Brandenburg. Die, wie es in der Einleitung des Edikts hieß, »schwere und fast unträgliche Straffe des Krieges«, des Dreißigjährigen nämlich, währte nun schon 18 Jahre. Etwa seit 1630 war Brandenburg wechselseitig von den kaiserlichen und von den schwedischen Heeren bedrängt, die Doppelstadt Berlin-Cölln mehrmals mit dem Krieg in enge Berührung gekommen. Pest und Hunger hielten grausame Ernte. Verrohung der Sitten, aber auch Ausgelassenheit und Lebensgier

waren die natürlichen Antipoden zum allzeit drohenden Tod.
     Im genannten Edikt forderte der Kurfürst, daß »ein jeder ein nüchternes, stilles Leben« führe. Er habe mit Bedauern erfahren, daß »ein so unordentliches Wesen mit schwelgen und sauffen, sonderlich unter dem gemeinen Mann und Handwercks-Gesellen getrieben«, auch »daß viel Tumult, Schlägerey, ja gar Totschläge ... auf den Gassen verübet und begangen werden«. Deshalb müsse er »Landesväterlich und gantz ernstlich« mahnen, »von allem überflüssigen Sauffen, leichtfertigem Umlaufen und anderen Ungebühren hinfort abzustehen«.
     An die Spitze seiner Verordnung setzte Georg Wilhelm das Verbot des nicht erst seit Beginn des Krieges bei den Handwerksgesellen üblichen »blauen Montags«, an dem die Arbeit ruhte und gemeinsam gefeiert wurde. Es müsse Schluß sein mit dem »guten Montag, wie sie ihn, aber sehr übel, zu nennen pflegen ... und sich auf demselben des Müßiggangs und Zechens befleißigen«. Vielmehr solle »ein jeder alsdann in seines Meisters Haus verbleiben« und seine Arbeit wie zu anderen Tagen verrichten. Andernfalls drohe ihm »Gefängnüß oder schimpfliche Abschaffung aus der Stadt«. Außer der Arbeitszeit seien den Handwerksgesellen »ehrliche Zusammenkünfte wohl gegönnt«, aber sie müßten dabei »Ordnung halten und keinen Überfluß in Fressen und Sauffen vorgehen lassen«. Auch müsse sich »ein
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jeder in Zeiten und in der Stille wieder nach Hause an seinen Orth verfügen«.
     Ferner gebot der Kurfürst, daß abends, nachdem die Trommel geschlagen wurde, »welches allemahl wenn es in unseren Kirchen 9 Uhr schläget, geschehen soll«, in den Wirtshäusern – außer im Ratskeller – kein Wein oder Bier mehr ausgeschenkt werden dürfe, sondern die Gäste nach Hause geschickt werden sollten. »Alles bey willkürlicher Straffe«, die »Unserem Fisco« beziehungsweise den »Rähten in denen Städten« zukommen soll. »Unser eigentlicher Wille und Meinung«, so der Kurfürst weiter, sei auch, »daß sich keiner von Manns-Personen, er sey Hoff-Diener, Soldat, Bürger oder Handwercks-Mann, Knecht oder wer sonst«, sich nach dem neun Uhr abendlichen Trommelschlag, »ohne bey sich habende Laterne, brennende Kiehn oder Fackeln auf der Gassen finden lassen solle«. Würde einer ohne entsprechende Leuchte angetroffen und könne keine Auskunft über sein Tun geben, »soll er biß auf den Morgen in der Corps de garde beybehalten werden, damit man alsdann weitere Nachfrage anstellen könne«. Keiner dürfe »bey Tage oder des Nachts mit Spielleuten über die Gasse gehen oder einiges Schreien und Jauchzen von sich hören lassen«. Noch weniger sei erlaubt, »das Gewehr zu blössen und in die Steine zu hauen«.
Hiergegen wurde als Strafe »Eselsitzen« (Sitzen auf einer scharfen Kante) oder sogar das vermutlich recht unangenehme »Wippen« angedroht.
     Das Edikt hatte Georg Wilhelm, den man wegen seiner schwankenden Bündnispolitik und seines vergeblichen Bemühens, ein schlagkräftiges Heer aufzustellen, auch den glücklosen Kurfürsten nannte, vier Jahre vor seinem Tod erlassen. Sein Sohn und Nachfolger, der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688, Kurfürst ab 1640) mußte sich auf den Wiederaufbau des verwüsteten Landes konzentrieren und verfolgte auch deshalb eine in vielem tolerantere Politik. Das Verbot des »blauen Montags« hat sich offenbar nur schwer durchsetzen können. Jedenfalls machten sich gelegentlich Neuauflagen nötig. So in einer »scharfen Verordnung« von Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688 –1740, König ab 1713) »gegen das Feiern des blauen Montags« vom 9. August 1734.

Quelle:
C. O. Mylius: Corpus Constitutionum Marchicarum, V. Band, 5. Teil, 1540–1736, S. 637.

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