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Hainer Weißpflug
Die Goldammer, Vogel des Jahres

Man kann sie auch in Berlin singen hören, die Goldammer, Emberiza citrinella mit lateinischem Namen, Vogels des Jahres 1999. Der Naturschutzbund Deutschlands (NABU) wählt schon seit 1971 besonders gefährdete Vogelarten Deutschlands als Vogel des Jahres aus, um eine nachhaltige Verbesserung ihrer Lebensbedingungen und damit der Bestände zu erreichen. Beim Weißstorch (1984 und 1994), der Saatkrähe (1986) und beim Steinkauz (1972) gelang das auch.
     Die Goldammer ist ein Singvogel, der vom Februar bis weit in den Herbst sein Lied erklingen läßt. Sie bevorzugt eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft, ihr Lebensraum sind vor allem baumbestandene Freiflächen, Baum- und Buschinseln inmitten von Feldern und Wiesen, Heide- und Ödflächen mit Büschen, lichte Waldränder, Feldraine, Gräben und Erdwälle. Der volkstümlich auch Hämmerling, Emmerling, Ammeritz, Gelbling, Gilberitz oder Bauernkanari genannte Vogel ist etwas größer als ein Sperling. Das Gefieder des Männchens ist hellgelb bis kastanienbraun, vor allem am Hals ist es leuchtend gelb. Das Federkleid der Weibchen ist matter und bräunlicher als

das der Männchen. Die Goldammer ernährt sich von Sämereien, Getreidekörnern, Früchten und Insekten. Im Herbst und Winter ist sie häufig auf abgeernteten Feldern, aber auch auf Bauernhöfen, in der Nähe von Stallungen und Dunghaufen zu beobachten. Goldammern sind Bodenbrüter, ihr Nest befindet sich gut versteckt am Boden oder in Hecken, aber nicht höher als einen Meter über dem Boden. Von April bis August legt das Weibchen etwa zwei bis fünf weiße, auch blaßrosa gefärbte Eier mit einer braunen verschnörkelten Zeichnung. Das Weibchen brütet die Eier in 13 Tagen allein aus. Von beiden Elternteilen gefüttert, sind die Jungen nach 11 bis 13 Tagen flügge. So brüten die Goldammern manchmal zwei- oder dreimal in einem Jahr.
     Ihr Verbreitungsraum ist ganz Nord- und Mitteleuropa, auch Südwest- und Osteuropa. Selbst in weiten Teilen Rußlands ist sie ein noch relativ häufiger Brutvogel. Die Grenzen ihres Verbreitungsgebietes sind in Nordeuropa das Nordkap und in Rußland der Polarkreis, im Süden die nördliche Mittelmeerküste, im Westen die Nordküste Spaniens und im Osten das mittelsibirische Hochland. Sie leben in Höhenlagen bis 1 800 Meter über dem Meeresspiegel.
     In Europa ist der Vogel noch nicht bedroht, aber es gibt schon lokal und regional begrenzte Rückgänge der Bestände. So mußte die Goldammer in den Niederlanden und Belgien auf die Rote Liste der vom Aussterben
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Goldammer, Vogel des Jahres
bedrohten Arten gesetzt werden. In Deutschland werden die Bestände auf rund zwei Millionen Brutpaare geschätzt. Die Art ist gefährdet durch die Einschränkung ihrer Brutplätze: Hecken und Büsche werden beseitigt, Feldraine umgepflügt; hinzu kommen der intensive Einsatz von Düngemitteln und andere moderne landwirtschaftliche Bewirtschaftungsmethoden sowie die Erschließung ehemaliger Öd- und Brachflächen für landwirtschaftliche bzw. bauliche Nutzungen.
     Auch auf Berlins Freiflächen und Fluren ist der Vogel heimisch. Allerdings hat die
Bebauung in der Stadt immer mehr Freiflächen, Feldfluren, Ödflächen usw. verschwinden lassen und damit den Vogel immer mehr in die Randgebiete und ins Umland verdrängt. Doch auch dort haben großflächige Felder ohne Hecken und Einzelbäume ihren Lebensraum eingeschränkt. Im Berliner Raum ist die Goldammer auf den buschreichen Flächen der ehemaligen Rieselfelder und den verbliebenen Feldern, Wiesen und Weiden in den Randbezirken zu finden. Regelmäßig durchgeführte Untersuchungen über die Brutvogelbestände in Berlin zeigen, daß die Bestände der Goldammer auch hier
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Lichtungen und Schonungen des Spandauer Forstes und in den busch- und gehölzreichen Bereichen des Rieselfeldes Gatow, 1966 noch eine Dichte von 0,9 Brutrevieren auf 10 Hektar Fläche gefunden (insgesamt gab es 1966 in Gatow 28_37 Reviere), so waren es 1983 nur noch im Ganzen 17. Einen kontinuierlichen Rückgang stellten die Ornithologen auch im Spandauer Forst fest: 1977 gab es hier 24 Brutreviere, 1983 nur noch 15. (Die Vögel in Berlin [West]. Eine Übersicht. Ornithologischer Bericht für Berlin [West] 1978, Sonderheft, 1989 Heft 2)
     Für den Ostteil der Stadt wurden zwischen 1978 und 1982 Untersuchungen über die Brutvogelarten durchgeführt. Im »Atlas der Brutvögel von Berlin«, der 1988 in der Reihe Naturschutzarbeit in Berlin und Brandenburg veröffentlicht wurde, werden Brutgebiete der Goldammer auf den ehemaligen Rieselflächen und Feldfluren der Bezirke Pankow, Weißensee,
Brutvogelkartierung 1978-1982
zurückgehen und ihre Art bereits stark gefährdet ist. In Marienfelde, Rudow, Frohnau, in Gatow und am Rande des Spandauer Forstes lagen ihre Brutgebiete im Westteil der Stadt. Der bekannte Ornithologe Wendland konnte die Goldammer noch als häufig vorkommende Art im Süden der Stadt und im Feldgelände von Lübars und Heiligensee beschreiben. Seit Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre, so belegen Dokumentationen, existiert diese Art hier nicht mehr. Wurde in ihrem Hauptverbreitungsgebiet, den Waldrändern, Marzahn, Hellersdorf und Köpenick beschrieben (siehe nebenstehende Karte). Bleibt zu hoffen, daß es gelingt, die Bestände der Goldammer zu erhalten und durch die Wiederherstellung ihrer Lebensräume zu verstärken.

Bildquellen:
Archiv, Naturschutzarbeit in Berlin und Brandenburg, Heft 8, Berlin, Potsdam 1988

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© Edition Luisenstadt, 1999
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