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Gerhard Holtz-Baumert
BERLIN wie es im Buche steht. Neue literarische Spaziergänge

Herausgegeben von Ingeborg Holtz-Baumert. Mit einem Vorwort von Eva Strittmatter
Das Neue Berlin, 1999

Der in der DDR u. a. als Vater von Alfons Zitterbacke zu Berühmtheit gelangte Kinderbuchautor hatte die berlinspezifische Literatur schon durch seine prallen Lebenserinnerungen an »Die pucklige Verwandtschaft« bereichert, ehe er in den neunziger Jahren unter den Bedingungen des wiedervereinten Berlin auf literarische Spurensuche in seiner Heimatstadt ging und die aufgefundenen Erinnerungsstücke aus Belletristik und Dokumentaristik in der Berlin-Beilage einer linken Berliner Tageszeitung deren Lesern vorstellte. Ein erster, wesentlich darauf beruhender Sammelband ist noch zu Lebzeiten des 1996 verstorbenen Autors mit dem auch beim Vorliegenden gewählten Titel (begreiflicherweise ohne den jetzigen Zusatz »Neue«) erschienen. Was uns jetzt vorgestellt wird, ist also eigentlich der Zweite Band eines Gesamtwerks. Daß die Herausgeber-Witwe ihre Freundin Eva Strittmatter für ein einfühlsames Vorwort gewinnen konnte, rührt an; denn Eva Strittmatter hatte Ursache, dem lebenden Gerhard Holtz-Baumert mit Distanz zu begegnen, was sie in einer achtenswerten Art auch durch ihr Vorwort durchscheinen läßt – achtenswert deshalb, weil von etlichen anderen Mitgliedern der Zunft unter Vernachlässigung ihrer eigenen Leichen im Keller die alten Scharmützel nicht selten mit Geschmack an fäkalischem Gusto repetiert werden.
     Dem Kenner von Berliner Geschichte und deutscher Literatur bietet Holtz-Baumert bei seinem Stö-

bern in Büchern, die Berliner Verhältnisse zum literarischen Gegenstand haben, nur wenig Neues – aber für den Kenner schreiben Feuilletonisten ja auch nicht. So muß man dem Spurensucher und Autor dankbar sein, daß er in lockerer Form kaum oder gar nicht vorgebildete Zeitungsleser an literarische bzw. dokumentarische Zeugnisse heranführt (und, wo zu erwähnen, die Reprints bzw. Neuausgaben benennt), die auf vergangene, oft genug in der Gegenwart konservierte Zustände verweisen und auf Stätten aufmerksam machen, die trotz der Kriegsfurie und der unzähligen Abriß- und Bausünden zwischen Müggel- und Wannsee immer noch nachvollziehbar sind. Holtz-Baumert verzeichnet mit Genugtuung, wenn im Rahmen einstiger und heutiger Berliner Gedenktafel-Programme hier und da – zumeist nicht mehr die originalen Häuser, aber doch immerhin – der Ort der einstigen Wohnstätte für die Heutigen gekennzeichnet ist. Selbst wenn, wie im Falle der von Gerhart Hauptmann noch persönlich wahrgenommenen Wohnmaschine in der 1767 erbauten einstigen Kaserne des Infanterie-Regiments Nr. 23 in der Alexanderstraße, in der seine »Berliner Tragikomödie« mit dem Titel »Die Ratten« spielt – selbst wenn dieses Gebäude also, schon 1911 abgebrannt, nicht mehr zu sehen ist, so lokalisiert der Autor den Ort dankenswerterweise ziemlich genau in der heutigen Straßenstruktur. Daß zwischen Ostbahnhof und Alexanderplatz nun beim besten Willen die realen Vorlagen für literarische Verarbeitungen keine Atmosphäre mehr zu verbreiten imstande sind, ist in erster Linie Flächenbombardements zu verdanken; westlich davon sieht es besser aus – aber Alfred Döblin ist schon im ersten Band abgehandelt, und nur Kafka bleibt mit der Immanuelkirchstraße für den Osten übrig; daß die Anekdote von der vergeblichen Suche nach Herrn Immanuel Kirch (S. 115) nicht erfunden sein muß, kann der Rezensent sehr gut beurteilen: hat er doch selbst jahrelang an der Kreuzung Holzmarkt-/ Lichtenberger
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Straße gelesen, daß die Michael-Kirch- Brücke gesperrt sei! Ausgesprochen dankbar muß man dem Spurensammler sein, daß er den Berlinern Kenntnisse über den 1876 (nicht, wie der Autor schreibt, 1878) in der Spreegasse 8 (nicht in der Sperlingsgasse, wie man liest, denn so heißt die Straße erst seit dem 100. Geburtstag Wilhelm Raabes 1931) geborenen Hermann Frey zukommen läßt, dessen Texte durch Paul Lincke und Claire Waldoff bis in den letzten Winkel der Spreemetropole drangen (z. B. »Petrus schließt den Himmel zu ...« und »Und denn schleich ick still und leise ...«); leider hat er nicht dessen Todesjahr recherchiert, weshalb es hier nachgereicht wird: Frey starb 1950, 74jährig, in München.
     Eigene Wende-Erfahrungen spielen offenbar mit, wenn Holtz-Baumert mit einem ganz kleinen Schlenker zu Manfred Haußmann (1898–1986) feststellt (S. 91), »nach 1945 bestand Haußmann darauf, der inneren Emigration angehört zu haben«. Die im Nachhinein der Erinnerung entlockte Oppositionshaltung kommt nach jedem Systemwechsel als Stereotyp daher.
     Etlichen Redakteuren der heutigen Berliner Presselandschaft ist der knappe Essay (S. 144–146) zu Ernst Lissauer (1882–1937) zur Lektüre zu empfehlen, der als ansonsten schwacher Poet 1915 eine Sternstunde mit seinem »Haßgesang auf England« hatte, weil er den Zeitgeist in hervorragendster Weise bediente: Nachdem die ganze Sache gegen England schiefgelaufen war, verfiel er der allgemeinen Verachtung! Der Erfinder der Titelseite »Irrer Serbe zwingt uns zum Krieg!« zieht es schon jetzt vor, in der Anonymität zu bleiben und – anders als der vom Kaiser mit dem Roten Adler-Orden dekorierte Lissauer – einer immerhin möglichen Dekoration mit einem Verdienstkreuz aus dem Weg zu gehen.
Ein kleiner Fehler muß angemerkt werden: Der Prinz Leopold, der (S. 127) als einziger Hohenzoller gerühmt wird, der in der Novemberrevolution die rote Fahne auf seinem Palais aufzog, war mitnichten ein Sohn Kaiser Wilhelms II., sondern ein Enkel des Prinzen Karl, dritter Sohn von Friedrich Wilhem III., also Bruder von Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. Leopold – der richtig Friedrich Leopold heißt und in Nikolassee einer Straße seinen Namen gegeben hat – war demnach ein Cousin dritten Grades von Wilhelm II.
Kurt Wernicke

 

Dieter B. Herrmann/ Karl Friedrich Hoffmann (Hrsg.)
Die Geschichte der Astronomie in Berlin

Archenhold-Sternwarte und Wilhelm-Foerster-Sternwarte Berlin, 1999

65 Jahre nach seinem Tod hatte man sich endlich geeinigt, wie Friedrich der Große in Berlin zu ehren sei: Am 31. Mai 1851 wurde das Reiterstandbild Unter den Linden enthüllt. Vom Tempel bis zur Neuauflage des Pantheon war wohl alles vorgeschlagen worden, bis Christian Daniel Rauch den Auftrag für das Reiterdenkmal erhalten hatte. Knapp ein Jahr nach dem Tode Friedrichs II. schon hat ihm der berühmte Berliner Astronom Johann Elert Bode ein ganz außergewöhnliches Denkmal gesetzt, ein Sternendenkmal, »dauernder als alle Monumente von Erz und Marmor, zwischen dem Cepheus und dem Pegasus, unter der Benennung Friedrichs-Ehre, welches von allen Astronomen angenommen worden« (S. 36).

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Bestand hatte »Friedrichs-Ehre« wohl nicht, Bestand haben aber wird die von Herrmann und Hoffmann herausgegebene Geschichte der Astronomie in Berlin. Zwölf kompetente Autoren berichten über dieses spannende Kapitel der Berliner Wissenschaftsgeschichte, das mit dem Hofmathematiker und Astrologen Carion am Hofe des Kurfürsten Joachim I. 1522 begann. Wenn die Herausgeber Herrmann, Direktor der Archenhold-Sternwarte und des Zeiss- Großplanetariums, und Hoffmann, 1. Vorsitzender des Vereins der Wilhelm-Foerster- Sternwarte mit Zeiss-Planetarium am Insulaner, in ihrem Vorwort an die einmalige Kompetenz der Stadt auf diesem Gebiet erinnern, so geschieht das wohl mit Recht. Sind doch die Diskussionen nach der Vereinigung, ob Berlin denn zwei Sternwarten und zwei Planetarien brauche, noch in Erinnerung.
     Diese erste Gesamtdarstellung der Geschichte der Berliner Astronomie wird Sternenfreunde wie auch an der Geschichte der Stadt Interessierte ansprechen. Über weite Strecken wird populär und doch wissenschaftlich, also ganz im Sinne von Alexander von Humboldts berühmten Kosmos-Vorlesungen, Wissen über ein Gebiet vermittelt, das auch heute noch Tausende in seinen Bann zieht. Die Besucherzahlen in den Sternwarten und Planetarien belegen es ebenso wie die zahlreichen astronomischen Arbeitsgemeinschaften.
     Vom schwierigen Anfang der Akademiesternwarte wird berichtet, von den Sternstunden der Entdeckung der Planeten Uranus und Neptun, von Schinkels neuer Sternwarte in der Nähe des Halleschen Tores, die leider 1915 abgerissen wurde, vom Wirken Friedrich Simon Archenholds und Wilhelm Julius Foersters, dem hochgeschätzten Forscher und Lehrer an der Berliner Universität. Und die wenigsten werden wissen, daß die Berliner Normaluhren auf ihn zurückzuführen sind.
»Anknüpfend an die 1787 übernommene Verpflichtung der Sternwarte, für die minutengenaue Zeitangabe der ersten Normaluhr Berlins zu sorgen, erwarb sich Foerster ebenfalls bleibende Verdienste auf dem Gebiet der Chronometrie. Mit den zwischen 1869 bis 1875 errichteten ersten Normalsekundenuhren Deutschlands und den 1892 in Betrieb genommenen >Uraniasäulen<, sie verkörperten eine einzigartige Kombination von Uhren, Wetter- und Litfaßsäulen, begründete er in Berlin ein ... Netz öffentlicher Normaluhren ...« (S. 68)
     Daß die beiden Herausgeber die Geschichte ihrer Einrichtungen interessant erzählen, versteht sich von selbst. Zur Gesamtdarstellung gehört auch die Dokumentation von Wissenschaftseinrichtungen in der DDR, so u. a. das Astronomische Recheninstitut, das Astrophysikalische Observatorium Potsdam, das Zentralinstitut für Astrophysik. Bedauerlich, daß man dem Kapitel »Zur Astronomie zwischen 1945 und 1991 in und um Potsdam« fast nur Aufzählungen und Namen entnehmen kann, jegliche Wertung und Einschätzung fehlt.
     Zwar wird der Leser anhand von Jahreszahlen auf dem Rand der Seiten durch die Geschichte der Astronomie geführt, eine Zeittafel im Anhang aber hätte dem Buch mehr Übersichtlichkeit und Informationswert verliehen. Bemerkenswert das ausführliche Literaturverzeichnis, beim Personenregister freut man sich über die Zusatzinformation der Lebensdaten, so sie gefunden werden konnten, vermißt aber Verweise auf die Seite im Buch.
     Kaufen kann man dieses trotz kleiner Schönheitsfehler gelungene Buch allerdings nicht im Buchhandel, sondern nur in den beiden Sternwarten.
Jutta Arnold
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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hrsg.)
Schloß und Park Glienicke

Ein Fotoband von Jürgen Weise mit Erläuterungen von Susanne Fontaine und Christoph Martin Vogtherr und einem Vorwort von Michael Seiler,
Potsdam 1998

Seit der großen Glienicke-Ausstellung im Jahre 1987 ist es recht still geworden um die ehemalige Sommerresidenz des Prinzen Carl von Preußen. Eine gewisse Lethargie hat sich breitgemacht. Daran ändert auch nichts der dreiste, 1996 erfolgte Diebstahl des (inzwischen wieder vor dem Casino stehenden) »Betenden Knaben«, der wohl berühmtesten Antikenkopie. Für den Besucher ist das an der Nahtstelle zwischen Berlin und Potsdam gelegene Schloß (seit 1995) nur an den Wochenenden zugänglich. Jüngsten Pressemeldungen zufolge soll im Jahr 2000 im Erdgeschoß des Kavalierhauses, das einst als Pferdestall diente, ein Ausstellungsraum entstehen, in dem eine Dauerausstellung zur Berliner Bildhauerschule des 19. Jahrhunderts zu sehen sein wird. Dann soll auch der aus dem Komplex Kavalierhaus-Remise aufragende, 1832 nach Karl Friedrich Schinkels Entwurf errichtete und 1872 durch eine Turmhalle erhöhte Turm, der »gute Carl«, wieder begehbar sein, sofern nicht die Finanznöte Berlins diesen begrüßenswerten Planungen entgegenstehen.
     Um so erfreulicher ist es, daß Dank einer überaus großzügigen Geldspende seitens Jürgen Weise die in Potsdam ansässige, 1995 aus der Taufe gehobene Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin- Brandenburg mit einem Fotoband zu Schloß und Park Glienicke aufwartet.

Im Gegensatz zu den mit großem Einfühlungsvermögen und mit viel Liebe zum Objekt gefertigten Farbfotos, die auch vom Ästhetischen her sehr ansprechend sind, lassen speziell die erläuternden Kommentare der Schloßkastellanin Susanne Fontaine und des Kunsthistorikers Christoph Martin Vogtherr manches zu wünschen übrig. Völlig unverständlich ist, weshalb bei einer über einhundert Seiten zählenden Broschüre auf die Seitennumerierung verzichtet wurde. Mit Ausnahme des von Michael Seiler signierten Vorwortes über Schloß und Park Glienicke und eines Beitrages über den Pleasureground bleiben alle übrigen Texte anonym, so daß man nur raten kann, wer was schrieb.
     Ebenso unverständlich bleibt, weshalb dem Leser gängige Termini wie Casino (»ein zu einer Villa gehörendes Gartenhaus«) erklärt werden, weniger geläufige, wie z. B. Serliana (Architektur- bzw. Palladio-Motiv), dagegen nicht.
     Bedauerlicherweise sind die meisten Erläuterungen zu den Farbfotos äußerst dürftig ausgefallen und enthalten auch einige Irrtümer: So wird dem Leser beispielsweise suggeriert, die in die Wand des Laubengangs eingelassene spätantike Porphyrschale sei »bei Ausgrabungen in den Caracalla-Thermen gefunden« worden. Tatsächlich aber ist deren Provenienz völlig ungesichert. Von den im Fußboden der Vorhalle der Kleinen Neugierde verlegten »antiken Mosaiken« sind mindestens zwei nicht antik. Die nackte Kolossalstatue auf dem den Autoren offenbar nicht erwähnenswerten oberitalischen Rundaltar rechts neben dem Südeingang des Casinos stellt den römischen Kaiser Nerva im ikonographischen Schema des thronenden Jupiter dar. Die Bronzestatue des Betenden Knaben vor dem Casino ist keine »antike Kopie«, sondern eine Kopie des 19. Jahrhunderts (1826 in Berlin gegossen, vgl. dazu Harry Nehls, Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 40, 1989, S. 140 ff.).
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Daß Prinz Carl »kein besonderes Interesse« am Bau der von Reinhold Persius errichteten Glienicker Kirche hatte, ist unzutreffend. Schon 1879 hatte er testamentarisch verfügt, »den Armen von Klein-Glienicke fünfzehnhundert Mark zur Vertheilung durch den Prediger« zukommen zu lassen, und neben dem von ihm zur Verfügung gestellten Bauplatz brachte er einen Großteil der mit 20 000 Mark veranschlagten Rohbaukosten durch Spenden auf (vgl. Andreas Kitschke, Die Klein-Glienicker Kapelle in Potsdam-Babelsberg, Passau 1994), und nicht zuletzt war Prinz Carl sowohl bei der Grundsteinlegung am 20. August 1880 als auch bei der Einweihungsfeier am 31. Oktober 1881 höchstpersönlich zugegen. Mehr Beweise für das prinzliche Interesse an der seit 1992 unter Denkmalschutz stehenden Kirche bedarf es wohl kaum.
     Gelegentlich vermißt man in den kargen Texten bzw. Fotokommentaren Hinweise auf Künstler. So erscheint zwar im Bilde zweimal die Marmorbüste des Prinzen Carl; daß sie von dem Bildhauer Julius Simony geschaffen wurde, ist für die Autoren ohne Belang. Ähnlich verhält es sich bei der reizvollen Kopie der Bronzefigur des Milchmädchens (sogenannte Laitière), die ein Werk des russischen Bildhauers Pawel Sokolow ist. Weshalb der »Erzieher« des Prinzen Carl namentlich nicht genannt wird, bleibt dem Rezensenten ein Rätsel. Zumal er für immerhin zehn Jahre, von 1810 bis 1820, die Sammelleidenschaft seines Zöglings für jegliche Altertümer entscheidend befördert hat und – last but not least – 1823 den Grundstock für die Ägyptische Altertümersammlung Berlins legte.
Den Namen des Freiherrn von Minutoli zu erwähnen, hätte der Leser gewiß verkraftet. Überfordert ist er freilich, wenn im Kontext zu dem pompejanischen Gärtchen am Casino die Rede ist von einer fotografischen »Aufnahme von 1913«, die, auch bei intensivster Suche, nirgendwo zu entdecken ist. Auml;rgerlich ist auch die viel zu knapp geratene und fehlerhafte Bibliographie. Statt »Katalog der Antikensammlung des Prinzen Carl von Preußen im Schloß Klein-Glienicke bei Potsdam« müßte es korrekt heißen Katalog der Antikensammlung des Prinzen Carl von Preußen im Schloß zu Klein-Glienicke bei Potsdam. Die Publikation von Gerd-H. Zuchold über den Klosterhof besteht nicht aus drei, sondern aus zwei Bänden, und sie erschien auch nicht 1988, sondern 1993.
     Zur besseren Kenntnis der umfangreichen Glienicke-Literatur sei den Autoren dringend die im Oktober 1998 zu Potsdam erschienene, von Dorothee Geßner und Hannelore Röhm bearbeitete Bibliographie »Schlösser und Gärten in Potsdam und Umgebung« empfohlen.
Harry Nehls
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Luise Lemke
Im Spitznamen des Volkes

Mit 80 Cartoons von Jens Jeddeloh
arani Verlag 1998

Das Vorwort des Verlegers Volker Spiess ermuntert den eingeborenen Rezensenten geradezu: »Der Berliner neigt naturgemäß zur Kritik, und diese Kritik geht leicht in derben Spott über ...« Also los. »Luise Lemke, deren Berliner Sprüche und Witze zu den Höhepunkten Berliner Humors gehören, widmet sich mit der ihr eigenen Schnoddrigkeit achtzig Bauten und Denkmalen in Berlin«, fährt Spiess fort, dem gar nicht auffällt, daß von den achtzig Bauten und Denkmalen kaum ein Viertel im Zentrum der Stadt stehen – im ehemaligen Ostsektor nämlich. Da kennt sich Frau Lemke offensichtlich nicht so gut aus.
     Immerhin beginnt das von Jens Jeddeloh, um es vorsichtig auszudrücken, adäquat illustrierte Werk mit dem Fernsehturm am Alex, dem die Bezeichnungen Großstadtpimmel, auch Protzkeule oder die Rache des Papstes nachgesagt werden. Na gut, man lernt auch als gelernter Ossi gerne dazu; Renommierpimmel und St. Walter waren mir – anders als Frau Lemke – geläufiger. Der Funkturm heißt auch bei ihr nur ganz brav (was sie leger-schlaksig nennt) Langer Lulatsch und auch zur Hungerharke weiß sie nichts Schnoddriges anzumerken.
     Über das ICC und etliche abstrakte, also ebenso leicht zu verscheißernde Denkmäler gelangt die Autorin dann auf Seite 13 zu Berlins Trümmerbergen und behauptet: »Wenn Berlin Berje hätte, müßtense höher sein«, was der Rezensent als »wär'n se ville höher« kennt. Trümmertaunus, Tränenberg, Hitlers gesammelte Werke hingegen sind ihm sämtlich nicht vertraut. Mont Klamott aber hat die gute Luise einzig

für den Insulaner in Schöneberg reserviert und schließt den Trümmertext mit der ihr eigenen Schnoddrigkeit ab: »Ein anderes Zitat heißt: Mißtraut den Grünanlagen!«
     Moment mal. Beginnt mit diesem Satz nicht Heinz Knoblochs meisterlicher »Herr Moses in Berlin«? Anläßlich der Verleihung des Moses-Mendelssohn-Preises 1994 hat Knobloch die Mahnung, bezogen auf den geschändeten Jüdischen Friedhof in der Großen Hamburger, noch einmal ausgesprochen. Von Trümmerbergen war auch zwei Jahre später nicht die Rede, als der Transit Verlag diesen Titel für einen Band von Knoblochs besten Feuilletons wählte. Wäre da nicht bei L. L. ein bißchen weniger Schnoddrigkeit angebracht gewesen?
     Auch mit echten Informationen hält sie sich bescheiden zurück. Daß die Viktoria auf dem Brandenburger Tor eine Reiterin sein soll, nimmt sich immerhin origineller aus als viele andere Beliebigkeiten, von den allemal ulkigen Kirchenbeinamen einmal abgesehen. Ziemlich daneben liegt sie beispielsweise beim Roten Rathaus und beim Brunnen am (gemeint ist: auf dem) Strausberger Platz, dessen Schöpfer Fritz Kühn sie nicht kennt oder nennt; und was die von den Nazis eingeschmolzene Alex-Berolina unter Luisens zeitgenössischen Schnoddrigkeiten zu suchen hat, bleibt ebenso ihr Geheimnis wie die Herkunft von Bonzenklo (für das ehemalige Finanzministerium und spätere ZK-Gebäude) oder Alu-Moschee für die als Lehrerzirkus bekannte Kongreßhalle.
     Es ließe sich über manches mit der Autorin rechten. Vielleicht genügt den geneigten Lesern dieser Rat: Mißtraut den ach so schnoddrigen Spitznamen des Volkes. Erfunden haben sie übrigens meistens Journalisten.
Jan Eik
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© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de