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Dieter B. Herrmann
Am 11. August: Die Sonne wird dunkel

Berlin ist eine Stadt mit großer Tradition auf dem Gebiet der Astronomie. Bereits im Jahre 1700 wurde zugleich mit der Sozietät der Wissenschaften die erste Berliner Sternwarte gegründet. Damit begann eine nunmehr fast 300jährige erfolgreiche Geschichte astronomischer Forschung mit vielen Höhepunkten und bedeutenden Entdeckungen. Besondere Beachtung fand beispielsweise die erstmalige Auffindung des Planeten Neptun im Jahre 1846 durch Johann Gottfried Galle (1812–1910) an der Berliner Sternwarte. Weltweit bekannt wurden auch das von der Berliner Sternwarte herausgegebene »Astronomische Jahrbuch« und die großen Projekte der Akademie der Wissenschaften, wie beispielsweise die »Akademischen Sternkarten«. Diese Forschungen mündeten dann sogar in die Gründung von Bildungseinrichtungen, wie die von Alexander von Humboldt (1769–1859) initiierte Urania-Gesellschaft oder die Treptower Sternwarte.
     Natürlich gab es in den 300 Jahren auch viele spektakuläre Himmelsereignisse: Viermal stand in dieser Zeitspanne allein der berühmte Halleysche Komet über dem Himmel von Berlin (1759, 1835, 1910, 1986).

Unzählige Male trat der Mond über Berlin in den Schatten der Erde. Nur stiefmütterlich wurde Berlin dagegen mit totalen Sonnenfinsternissen versorgt, während es an teilweisen Bedeckungen der Sonne durch den Mond keinen Mangel hatte. Doch dieser Umstand liegt in der Natur der Sache ...
     Totale Sonnenfinsternisse zählen zu den spektakulärsten Naturschauspielen. Sie entstehen, wenn der Mond bei seinem Umlauf um die Erde vor die Sonne tritt. Eine Laune der Natur hat es gefügt, daß die scheinbaren Durchmesser von Sonne und Mond fast übereinstimmen. Beide Himmelskörper erscheinen uns am Firmament unter einem Winkel von rund 0,5 Grad. Dieser Betrag schwankt, da sich sowohl die Erde als auch der Mond auf elliptischen Bahnen um die Sonne bzw. Erde bewegen. In Wirklichkeit ist der Sonnendurchmesser rund 400mal größer als der Monddurchmesser. Doch auch die Sonnenentfernung übertrifft die des Mondes um den Faktor 400. Dank dieses Zufalls ist eine genaue Bedeckung der Sonne durch den Mond möglich.
     Der Mond bewegt sich in 29,530589 Tagen einmal um die Erde. In diesem Zeitabstand wiederholen sich gleiche Mondphasen, wir sprechen von dem sogenannten synodischen Monat. Um die Sonne abdecken zu können, muß sich der Mond in der Neumondphase befinden. Nun weist aber die Mondbahn eine Neigung von 5 Grad 09 Bogenminuten gegen die scheinbare Sonnenbahn auf. Deshalb
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Total verfinsterte Sonne. Der Mond bedeckt genau die Sonnenscheibe, während die dünne gasförmige Sonnenkorona sich weit in den Raum hinaus erstreckt und im blassen Licht sichtbar wird

 

wandert der Mond bei seiner Neumondphase meistens ober- oder unterhalb der Sonne vorüber. Damit es zur Entstehung einer Sonnenfinsternis kommen kann, muß sich der Mond daher bei Neumond außerdem noch unweit eines der Schnittpunkte seiner Bahn mit der Sonnenbahn befinden, also nahe dem sogenannten Knoten seiner Bahn. Diese

Stellung wiederholt sich im Abstand von 27,212220 Tagen, dem drakonitischen Monat.
     Insgesamt ereignen sich in 1000 Jahren 2 375 Sonnenfinsternisse, von denen 659 total sind. Diese vergleichsweise hohe Zahl bedeutet jedoch wenig für die Chance, an einem bestimmten Ort der Erdoberfläche eine totale Sonnenfinsternis zu erleben.

Die Schattenbreite ist gering

Der Sichtbarkeitsbereich einer totalen Sonnenfinsternis beschränkt sich nämlich auf jene Gebiete der Erdoberfläche, die vom Kernschatten des Mondes getroffen werden. Der Durchmesser des Kernschattens beträgt selbst im günstigsten Fall (Mond in Erdnähe, Erde in Sonnenferne) nur 273 Kilometer. Die Bewegung des Mondes und die Rotation der Erde bewirken nun, daß sich dieser vergleichsweise kleine Schattenkegel über die Erdoberfläche bewegt. Deshalb dauert auch die Totalität maximal 7,6 Minuten – ein Fall, der allerdings extrem selten eintritt. Erst am 16. Juli 2186 wird sich wieder eine totale Sonnenfinsternis ereignen, die diese maximale Dauer (fast) erreicht.

Was bringt die Finsternis vom 11. August 1999?

Die totale Sonnenfinsternis vom 11. August 1999 ist die einzige Finsternis des gesamten 20. Jahrhunderts, deren Totalitätszone durch

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Die Entstehung einer totalen Sonnenfinsternis. Im Kernschattengebiet des Mondes wird eine vollständige (totale) Finsternis, im Halbschattengebiet eine teilweise (partielle) Finsternis beobachtet
Deutschland verläuft. Der Kernschatten streift dabei u. a. die Städte Karlsruhe, Pforzheim, Heilbronn, Stuttgart, Ulm, Augsburg, München – also Süddeutschland. Die Finsternis beginnt im Nordatlantik, wo die Totalität nur 47 Sekunden dauert. Die Kernschattenzone verläuft dann über Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg und Deutschland. Jenseits des süddeutschen Kernschattengebietes rast der Mondschatten weiter durch Österreich, Ungarn, Rumänien, das Schwarze Meer, die Türkei, den Irak, Iran bis Pakistan und Indien. Erst im Golf von Bengalen verläßt der Mondschatten die Erde wieder. Die maximale Dauer der Totalität beträgt nur 2 Minuten 23 Sekunden. Berlin liegt im Halbschatten des Mondes

Viel größer als der Kernschatten ist das Halbschattengebiet. Es kann bis zu 7 000 Kilometer Ausdehnung annehmen. Im Halbschattengebiet verdeckt der Mond die Sonne nur teilweise – wir erleben eine partielle Finsternis. Dabei ist der Grad der Bedeckung um so geringer, je weiter sich der jeweilige Ort im Halbschattengebiet von der Zentrallinie des Kernschattens entfernt befindet.
     Für Berlin tritt bei der Finsternis am 11. August eine Bedeckung von 89,3 Prozent des Sonnendurchmessers (87,2 Prozent der Sonnenfläche) ein. Der zeitliche Verlauf der Finsternis für Berlin gestaltet sich wie folgt:

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Beginn
(Mondscheibe MESZ berührt die Sonnenscheibe)
11 Uhr 21,3 Minuten
MESZ
Größte Phase12 Uhr 40 Minuten
MESZ
Ende
(Mondscheibe verläßt die Sonnenscheibe)
13 Uhr 59,3 Minuten
MESZ

Totale Sonnenfinsternisse in Berlin

Berlin war in den letzten Jahrhunderten mit totalen Sonnenfinsternissen nicht gerade gesegnet. Am 12. Mai 1706 ereignete sich eine totale Verfinsterung der Sonne, deren Totalitätszone durch Spanien, Südfrankreich und Deutschland verlief. Dabei wurde auch Berlin vom Kernschattengebiet erfaßt. Dann folgte am 25. Juli 1748 eine sogenannte ringförmige Sonnenfinsternis, die wiederum von Berlin aus gesehen werden konnte. Dabei handelt es sich um ein Ereignis, bei dem der Mond in Folge größeren Abstands nicht den scheinbaren Durchmesser der Sonne erreicht, so daß ein heller Ring der Sonnenscheibe sichtbar bleibt. Die letzte totale Sonnenfinsternis über Berlin ereignete sich am 18. August 1887. Allerdings waren die Bedingungen für die Beobachtung extrem ungün-

stig, denn die Totalität trat bereits 17 Minuten nach Sonnenaufgang ein, also bei sehr tiefem Sonnenstand. Die nächste totale Sonnenfinsternis, die in Berlin zu sehen ist, ereignet sich am 7. Oktober des Jahres 2135!

     Für die Berechnung der Sonnenfinsternisse über Berlin danke ich Herrn E. Rothenberg; in der Archenhold-Sternwarte finden am 11. August zwischen 10 und 14 Uhr Veranstaltungen statt, die Finsternis kann an verschiedenen Instrumenten beobachtet werden, aus der Totalitätszone werden Live-Bilder übertragen.
     Im Zeiss-Großplanetarium Prenzlauer Allee wird sonnabends um 18.30 Uhr und sonntags um 17.00 Uhr das Programm »Die Jahrhundertfinsternis« gezeigt

Literatur
D. B. Herrmann, Die Jahrhundertfinsternis, PAETEC-Verlag, Berlin 1999. Die Schrift kann an den Kassen der Archenhold-Sternwarte und des Zeiss-Großplanetariums erworben werden.

Bildquelle: Archiv Autor

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© Edition Luisenstadt, 1999
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