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Hans Koch
Eine neue Ära für Schloß Babelsberg

Wenn die Archäologen das königliche Anwesen an der Havel verlassen haben, beginnen die Restaurierungsarbeiten

Nach dem Umzug des Brandenburgischen Landesmuseums für Ur- und Frühgeschichte in den ehemaligen Militärstandort Wünsdorf bei Zossen beginnt für das Babelsberger Schloß eine neue Ära – die schrittweise Rückführung der königlichen Räume auf den Zustand des 19. Jahrhunderts und die Nutzung des bogenartigen Anwesens mit Blick auf die Havel und die Glienicker Brücke als Museumsschloß.
     Als erstes begutachten Experten der Stiftung Preußische Schösser und Gärten Berlin-Brandenburg das Bauwerk vom Dach bis zum Keller und fertigen ein Raumbuch an, in dem alle Schäden festgehalten sind. Dann wird über die Sanierung und Restaurierung entschieden. Die Kosten sind erheblich, viele Millionen werden zusammenkommen. Die Stiftung wird andere Projekte darauf untersuchen müssen, ob sie nicht zugunsten von Schloß Babelsberg reduziert werden können, und sie verzichtet gar auf Immobilien, die – wie die barocken Kavaliershäuser vor dem

Schloß Königs Wusterhausen – eigentlich auch in ihren Zuständigkeitsbereich gehören, aber aus Kostengründen anderen Eigentümern überlassen werden. Immerhin betreut die Stiftung 25 Museumsschlösser und zahlreiche historische Parkanlagen, da muß jede Mark optimal eingesetzt werden, wie uns Schlösserdirektor Burkhardt Göres sagt.
     Seit Ende des Zweiten Weltkrieges, als Teile des Babelsberger Inventars zusammen mit Gemälden und Möbeln anderer Preußenschlösser von der Roten Armee mitgenommen wurden, von denen 1958 glücklicherweise vieles wieder zurückgegeben wurde, ist das Schloß »fremdgenutzt« worden – anfangs als Zentrale Richterschule, DDR-Akademie für Staat und Recht »Walter Ulbricht« und Filmhochschule, seit 1963 vom Museum für Ur- und Frühgeschichte, das hier zeitweilig auch eine Ausstellung zeigte. Vieles wurde damals im Schloß umgebaut, verändert und zugenagelt, sogar Kamine verschwanden. Zwischendurch hat es hier auch gebrannt. Zum Glück aber lassen sich die historischen Ausmalungen und Stukkaturen zum großen Teil restaurieren, wie eine Durchsicht der nun frei gewordenen Räume zeigt.
     Auf einem hügligen Gelände oberhalb der Havel von Karl Friedrich Schinkel, Ludwig Persius und Johann Heinrich Strack zwischen 1834 und 1849 errichtet, war der mit Türmen und Zinnen versehene Bau die »romantische« Sommerresidenz des Prinzen
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Wilhelm und seiner Gemahlin Augusta von Sachsen-Weimar, die 1861 den preußischen Thron bestiegen. Seit 1991 zeigt die Schlösserstiftung sechs Räume im Hauptgeschoß, darunter den achteckigen Teesalon und den ebenfalls achteckigen Tanzsaal, zwei Raumschöpfungen von Schinkel beziehungsweise Strack. Bisher kann lediglich im Tanzsaal die Originalausstattung präsentiert werden. In anderen Zimmern sind Kunstwerke aus verschiedenen Räumen des Schlosses zu sehen. In den kommenden Jahren sollen weitere Schinkel-Räume im Obergeschoß, in denen bis jetzt die Verwaltung des Museums für Ur- und Frühgeschichte untergebracht war, dazukommen und mit

Die mittelalterliche Gerichtslaube der Stadt Berlin

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den dorthin gehörigen Bildern und Möbeln ausgestattet werden, soweit das möglich ist. Schon am »Tag des offenen Denkmals« Anfang September will die Stiftung diese Räume für Besucher öffnen. Sie erhalten so einen Vorgeschmack auf die Qualität spätromantischer Schloßbaukunst in Preußen und können sich, wie Göres ankündigt, auf das in einigen Jahren dann komplett wiederhergestellte Schloß freuen.
     Zu den aktuellen Erschließungsarbeiten im Park gehören die Wiedergewinnung der von Hermann Fürst Pückler entwickelten Bepflanzung des »Babertsbergs«, der später Babelsberg hieß, und die Freilegung markanter Sichtachsen, die auf Bauten und Plastiken weisen: so auf die 1871 nach dem Bau des Berliner Roten Rathauses als »denkwürdiges Wahrzeichen aus der Vorzeit« Kaiser Wilhelm I. verehrte und im Babelsberger Park neu aufgebaute Gerichtslaube, den an das Eschenheimer Tor in Frankfurt am Main erinnernden und vor einigen Jahren gründlich sanierten Flatowturm, von dem man einen herrlichen Rundblick auf die Potsdamer Schlösserlandschaft hat. Dazu gehören auch die an das Pendant im Berliner Tiergarten erinnernde Siegessäule mit einer von Christian Daniel Rauch geschaffenen Victoria obenauf, die ursprünglich mit Büsten bedeutender Militärs geschmückte Generalsbank sowie Brücken, Beamtenwohnungen, Wirtschaftsgebäude und das Kleine Schloß.
Der Babelsberger Park war im nördlichen Bereich durch Bauten der Staats- und Rechtsakademie völlig entstellt, und ein Abschnitt blieb bis zum Fall der Mauer 1989 als ein mit Stacheldraht, Minenfeld und Hunden gesichertes Grenzgebiet nach West-Berlin unzugänglich. Der ehemalige Grenzstreifen ist bereits in großen Teilen rekultiviert. »Für die Nachkriegsbauten, die heute zur Universität Potsdam gehören, bleibt nur zu hoffen, daß sie nach dem Bau neuer Standorte eines Tages verschwinden«, sagt der Schlösserdirektor. »Wir sind es dem baulichen Erbe der Landeshauptstadt und der Pücklerschen Gartenkunst sowie dem UNESCO-Status der Potsdamer Schlösserlandschaft schuldig, den Park und sein Wegesystem in der historischen Form zurückzugewinnen. Auch wenn es manchen Kritikern nicht gefällt, wird störendes und krankes Gehölz fallen. Kuschlige Büsche und zugewachsene Baumreihen haben da nichts zu suchen.«
     Das Schloß Babelsberg ist vom 1. April bis 31. Oktober von 10 bis 17 Uhr (außer Montag) und vom 1. November bis 31. März von 10 bis 16 Uhr (nur am Wochenende) geöffnet, der Flatowturm kann an den Wochenenden von 10 bis 17 Uhr bestiegen werden.

Bildquelle: Foto Autor

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