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Helmut Caspar
Schloß Paretz erwacht aus dem Dornröschenschlaf

Cornelsen-Stiftung unterstützt Tapetenrestaurierung

In den »Wanderungen durch die Mark Brandenburg« fand Theodor Fontane (1819–1898) begeisterte Worte für das preußische Landschloß Paretz bei Potsdam. Sähe der Schriftsteller das Anwesen heute, würde es ihm allerdings die Sprache verschlagen. So aber konnte er über den für königliche Verhältnisse ungewöhnlich bescheidenen Landsitz, von dem er meinte, er würde heutzutage kaum noch den Ansprüchen eines Torflords genügen, notieren: »In diesem also umgeschaffenen Paretz, das bei Freunden und Eingeweihten alsbald den schönen Namen >Schloß Stillim-Land< empfing, erblühten dem Königspaare Tage glücklichen Familienlebens. Die Familie und die Stille waren der Zauber von Paretz ... Da sind noch dieselben Tapeten und Wandgemälde, dieselben kissenreichen, mit Zitz überzogenen Sofas und Ottomanen, dieselben gemalten Papageien und Fasanen, dieselben Büsten und Bilder.«

Das Paretzer Schloß, von dem nach neuesten Forschungen angenommen wird, es sei von Friedrich Gilly (1772–1800) und nicht von seinem Vater David (1748–1808), dem Geheimen Oberbaurat und Gründer der Berliner Bauakademie, vor 200 Jahren für Friedrich Wilhelm III. (1770–1840, König seit 1797) und seine Gemahlin Luise (1776–1810) geschaffen worden, erwacht langsam aus dem Dornröschenschlaf.
     Der Startschuß für die Rückgewinnung des in den frühen DDR-Jahren zur Bauernhochschule umgebauten und 1997 von der Fachhochschule Potsdam übernommenen Anwesens wurde Ende 1998 gegeben. Geplant ist die Nutzung des Schlosses inmitten eines preußischen Musterdorfes als Weiterbildungsstätte und Museum, was der Gegend nordöstlich von Potsdam sicherlich auch einigen touristischen Auftrieb geben würde. Ein Workshop beriet über Nutzungskonzeptionen, Finanzierungsfragen und auch über den Umgang mit Anbauten aus der frühen DDR-Zeit, die man nicht ohne weiteres abreißen kann, weil die Fachhochschule sowie ein Verlag die Räumlichkeiten nutzen.
     Klar ist bereits, daß im Schloß noch erhebliche Reste alter Ausstattung, von Gesimsen und Profilen bis zu Resten der ursprünglichen Ausmalung, erhalten sind. Angehende Restauratoren haben diese – für den geplanten Rückbau des Schlosses sowohl innen wie außen – wichtigen Spuren gesichert. Mit farbigen Darstellungen aus der Entstehungs-
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zeit, die in einer für das Königspaar angefertigten Dedikationsmappe dokumentiert sind, lasse sich diese Rückgewinnung durchaus in verträglichem finanziellen Rahmen bewerkstelligen, heißt es in der Fachhochschule. Gilly, der Vertreter des Einfachen und Schönen, habe einfach und schön gebaut. Das komme der geplanten Rekonstruktion sehr zugute.
     Als erstes sollen in den nächsten drei Jahren die bei Kennern geschätzten Paretzer Tapeten restauriert werden. Die Berliner Cornelsen- Kulturstiftung stellt dafür insgesamt 1,5 Millionen Mark zur Verfügung. Die bemalten und bedruckten Landschaftsdarstellungen, die Tier- und Blumenbilder aus der Zeit um 1800, die nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Schloß umgewidmet und als königlicher Landsitz unkenntlich gemacht wurde, nach Sanssouci gerettet wurden, kommen in zwei Restaurierungswerkstätten nach Kiel und Stuttgart. Dort sollen die mit Leimfarben verzierten Leinwände gereinigt, geglättet und gefestigt werden. Retuschen werden so ausgeführt, daß man die Geschichte noch erkennen kann, wie der Stuttgarter Restaurator Thomas Wieck bei einem Ortstermin erläuterte. Ruth Cornelsen, Inhaberin des gleichnamigen Berliner Schulbuch- Verlags, erklärte bei der Vorstellung des Restaurierungsprogramms, es sei ihr ein großes Bedürfnis, nach der Förderung von Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten im Schloß Caputh und anderer Zeug-
nisse preußischer Schloßbaukunst nun ein weiteres Vorhaben dieser Art zu unterstützen. Bedingung sei, daß die von klassizistischen Bordüren umgebenen Landschaftsansichten nicht »irgendwo« im Schloß Paretz aufgehängt werden, sondern in den ursprünglichen Räumen, deren Wiederherstellung in drei Jahren abgeschlossen sein soll.
     Die Fachhochschule Potsdam, die Studenten in den Fächern Restaurierung, Design, Architektur und Bauingenieurwesen ausbildet und sich mit dieser Themenvielfalt als Nachfolgerin der Berliner Bauakademie versteht und damit auch dem Erbe von Gilly verpflichtet fühlt, sicherte dies zu. Bei der Einrichtung eines kleinen Museums wird die Fachhochschule von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin- Brandenburg und dem Verein Historisches Paretz e. V. unterstützt. Der Verein hofft, daß nach einem unlängst ergangenen Aufruf das eine oder andere Möbelstück oder auch Geschirr, das in Privathaushalten der Umgebung vermutet wird, in das Schloß zurückkehrt, während der Verein der Freunde der Preußischen Schlösser und Gärten e. V. die Wiederherstellung der ersten beiden von sechs Ausstellungsräumen mit 250 000 Mark fördert und sich auf dem Kunstmarkt nach Stücken umschaut, die dem »Schloß Stillim-Land« zugeordnet werden können.
     Die Millionenspende aus Berlin sei ein guter Anfang für die Wiedergewinnung eines Juwels klassizistischer Schloßbaukunst,
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betont der Generaldirektor der Preußischen Schlösserstiftung, Hans-Joachim Giersberg. Zwar habe die Stiftung das Anwesen nicht übernehmen können, bedauert er, denn Paretz schließe die Lücke zwischen dem Marmorpalais am Heiligen See in Potsdam und dem Schloß Charlottenhof im Park Sanssouci, er freue sich aber, daß das Gebäude in die Trägerschaft der Fachhochschule gekommen ist und damit der Öffentlichkeit als »kulturelles Zugpferd in der Gegend« erhalten bleibt. Fachlich werde die Wiederherstellung der Tapeten von der Restaurierungsabteilung der Schlösserstiftung begleitet, die auch über Darstellungen, zum Beispiel Farbaufnahmen von 1943, verfügt, die belegen, wo welches Tapetenstück an der Wand befestigt war. Eine Würdigung des Baumeisters David Gilly ist im Katalog der 1998 im Paretzer Schloß gezeigten Ausstellung »David Gilly: Vom Schönen und Nützlichen.«, herausgegeben von der Fachhochschule Potsdam und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, zu finden. Die Stiftung und der Verein Historisches Paretz e. V. gaben darüber hinaus den Katalog »Schloß Paretz. Ein Königlicher Landsitz um 1800« anläßlich einer Ausstellung im Jahr 1995 heraus, in dem auch einige der oben erwähnten Tapeten abgebildet sind.

Bildquelle:
Dedikationsmappe für Friedrich Wilhelm III. und Luise

Schloß Paretz, Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert

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© Edition Luisenstadt, 1999
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