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Hans Hauser
Platz für Schiffe und Flugzeuge

Neubau des Technikmuseums Berlin geht seiner Vollendung entgegen

Das Deutsche Technikmuseum Berlin, das 1996 aus dem Museum für Verkehr und Technik Berlin hervorgegangen ist, erhält zur Zeit auf dem ehemaligen Betriebsgelände des Anhalter Bahnhofs zwischen Trebbiner Straße und Tempelhofer Ufer im Bezirk Kreuzberg einen 140 Millionen Mark teuren Erweiterungsbau und kann dann zahlreiche wertvolle, bisher in teuer angemieteten Depots verwahrte Schaustücke beträchtlichen Ausmaßes zeigen. Mitte Mai 1999 war Richtfest für das von den Architekten Helge Pitz und Ulrich Wolff konzipierte Gebäude. Wenn die verglaste Stahl- und Beton-Konstruktion im Winter 2000 eröffnet sein wird, besitzt Berlin auf denkmalgeschütztem Gelände ein »Technisches Kulturforum« der Superlative, vergleichbar mit den großen Technikmuseen in München, London oder Chicago, wie Museumsdirektor Günther Gottmann sagt. Möglich sei dies durch politisch weitsichtige Förderung der Sammlung und durch großzügig zugewiesene Flächen und Bauten, die sich mit den Jahren mit

hochinteressanten Exponaten rasch gefüllt haben und zu Anziehungspunkten für ein Millionenpublikum geworden sind. Als das erste Gebäude im Jahre 1983 eröffnet wurde, habe sich niemand in seinen kühnsten Träumen ausmalen können, daß es gelingen würde, so viele reiche Schätze zu finden, anzukaufen und auszustellen und außerdem das historische Bahngelände in dieser großartigen Weise zu restaurieren und auszubauen.
     In dem nach den Dimensionen der Exponate »maßgeschneiderten Neubau«, der auf das Tempelhofer Ufer und den Landwehrkanal ausgerichtet ist, werden bisher der Öffentlichkeit kaum bekannte Stücke präsentiert – Objekte aus der Schiffahrtssammlung, die aus dem ehemaligen Meereskundemuseum hervorgegangen ist, und eine auf der Deutschen Luftfahrtsammlung basierende Kollektion historischer Flugapparate. Darüber hinaus finden in dem Haus, das sich an klinkerverkleidete Bauten aus dem frühen 20. Jahrhundert in der Trebbiner Straße anschließt, das technik-, verkehrs- und industriegeschichtlich bedeutsame Archiv des Museums, die Bibliothek und die Werkstätten ein neues Domizil.
     Für die gastronomische Versorgung der Besucher wird ebenfalls gesorgt. Von den Terrassen des Neubaues können sie die Skyline des Potsdamer Platzes und in entgegengesetzter Richtung die zu Ausstellungshallen umgewandelten früheren Bauten der Bahn betrachten.
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Im Erdgeschoß des Neubaus zeigt das Technikmuseum Schiffe und Kähne, die in und um Berlin ihren Dienst getan haben. Aufgestellt sind bereits ein um 1847 untergegangener Holzkahn, dessen mit Ziegelsteinen gefülltes Wrack 1987 aus dem Schlamm unweit der Spandauer Zitadelle geborgen wurde, sowie ein Dampfschlepper von 1901, der mit seinem Schornstein fast an die achteinhalb Meter hohe Decke stößt. Bisher war die Schiffsabteilung in den Altbauten völlig unterrepräsentiert. Bald schon werden in der riesigen Halle Objekte aus der Binnen-, Küsten- und Hochseeschiffahrt gezeigt, und es wird sogar daran gedacht, später einen kleinen Museumshafen vor dem Neubau einzurichten, an dem museumseigene Schiffe ankern können.
     Auf den um einen Lichthof angeordneten vier Etagen des Neubaus wird die Entwicklung der Luftfahrt mit historischen Gasballons, nachgebauten Flugapparaten Otto Lilienthals sowie mit zivilen und militärischen Flugzeugen dokumentiert. Eine wichtige Rolle spielen hier auch die Anfänge der Motorfliegerei in Deutschland. Das Technikmuseum möchte einige noch in Polen befindliche originale Flugzeuge aus der früheren Deutschen Luftfahrtsammlung Berlin zeigen und hofft auf Rückgabe aus dem Nachbarland. Zu sehen sind auch die in Konzentrationslagern der Nazis von Zwangsarbeitern gebauten sogenannten V-Waffen, die im Zweiten Weltkrieg auf Großbritannien abge-
schossen wurden. Dokumentiert werden ferner die »Luftrüstung« der Nazis und die Auswirkungen der alliierten Bombardierungen. Ein »Rosinenbomber« aus der Zeit der Berlin-Blockade 1948/49 wird auf das Dach der Terrasse montiert, um auf das um zwölftausend Quadratmeter Ausstellungsfläche erweiterte Museum aufmerksam zu machen.
     Während Techniker und Bauleute noch alle Hände voll zu tun haben, den Neubau zu vollenden, herrscht in der bisherigen Ausstellung drangvolle Enge. Mit über 300 000 Besuchern im Jahr ist das Deutsche Technikmuseum Berlin eine der beliebtesten Sammlungen der Stadt. Im Eingangsgebäude an der Trebbiner Straße sind urtümlich anmutende Geräte zu sehen, wie sie vor und nach 1900 in Werkhallen und Haushalten benutzt wurden. Sodann kann man sich mit dem Verhältnis von »Mensch und Maschine« sowie Stufen der Nachrichten- und Rechentechnik, mit der Textil- und Papierherstellung, dem Druckereiwesen sowie mit Metallverarbeitung und Schmuckproduktion, vertreten durch sorgsam restaurierte Apparaturen und Maschinen, vertraut machen.
     In zwei Lokschuppen im Außenbereich sind alte Eisenbahnwagen, Lokomotiven und unterschiedlichste Nachrichtengeräte und Motoren aufgestellt. Hier steht auch ein Güterwagen, mit dem die Reichsbahn Juden in den Tod nach Auschwitz gebracht hat. Fotos berichten von diesen schrecklichen Trans-
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porten. Dazu kommen Modelle aus dem früheren Verkehrs- und Baumuseum im Hamburger Bahnhof.
     Gezeigt werden in der »Historischen Brauerei« hundert Jahre alte Utensilien zur Bierherstellung, während im »Beamtenhaus« unter anderem der wissenschaftliche Instrumentenbau sowie die Geschichte des Schiff- und Wasserbaues dokumentiert werden. Am 12. Oktober 1999 wird hier eine neue Dauerausstellung zur Geschichte der Filmtechnik eröffnet. Im Oldtimerdepot stehen alte Autos, Motorräder und Kutschen, und im Museumspark erwarten ein Wasserturm, Windmühlen und Windräder, eine Solaranlage und eine Hammerschmiede die Besucher.
     Da auch nach der Fertigstellung des Neubaus am Landwehrkanal viele Exponate aus Platzgründen weiter im Depot bleiben müssen, schaut sich Museumsdirektor Günther Gottmann nach neuen Räumlichkeiten um. Denkbar wäre, bisher zweckentfremdet oder gar nicht genutzte Bauten des früheren Güterbahnhofs für Ausstellungszwecke herzurichten und außerdem einen in den sechziger Jahren abgerissenen Teil des mit gelben Klinkern verkleideten Portalbaues dieses Bahnhofs neu zu bauen. Der erhalten gebliebene Teil dieses von dem Architekten Franz Schwechten errichteten Gebäudes wird seit einigen Jahren vom Berliner Science Center »Spectrum« genutzt, in dem Besucher verschiedenste naturwissenschaftliche Experimente ausführen können. Da die Um- und
Ausbaupläne die finanziellen Ressourcen des Landes Berlins sprengen würden, hofft Günther Gottmann auf Investoren, die sich auf dem attraktiven Gelände unweit des Potsdamer Platzes niederlassen und es nach dem Prinzip von »publicprivatpartnership« für sich und für die Zwecke des Museums ausbauen. Das Technikmuseum könnte dann an der 300 Meter langen Museumsstraße seine einmalige Sammlung von Fahrzeugen des Kommunalverkehrs, also Busse, U- und S-Bahnen und Feuerwehren, sowie eine Vielzahl historischer Autos und Motorräder zeigen, Szenen in Manufakturen, Fabriken und Labors nachstellen und besuchernah Stationen der Alltagsgeschichte im Kontext zu technischen Errungenschaften verschiedener Epochen dokumentieren.

Deutsches Technikmuseum Berlin,
Trebbiner Straße 9, 10963 Berlin,
Telefon 030/25 48 40, Fax 030/25 48 41 75.

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 9 bis 17.30 Uhr,
Donnerstag bis 20 Uhr,
Sonnabend und Sonntag 10 bis 18 Uhr.

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© Edition Luisenstadt, 1999
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