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Otto Friedrich
Morgen ist Weltuntergang

Berlin in den zwanziger Jahren
Berlin, Nicolaische Verlagsbuchhandlung 1998

Der amerikanische Historiker und Publizist Otto Friedrich (1929–1995) hatte Verwandte in Berlin und kam im Laufe seines Lebens mehrfach in die deutsche Hauptstadt. Nach einem Aufenthalt im Jahre 1970 entstand sein Buch »Vor der Sintflut. Ein Porträt Berlins in den Zwanzigern« (so der amerikanische Titel im Original. Die deutsche Übersetzung, 1973 bei Nicolai erschienen und nach der amerikanischen Neuauflage von 1995 nun auch in zweiter deutscher Auflage vorliegend, trägt den obigen Titel), das, in einer interessanten Mischung aus journalistischer Kolportage und wissenschaftlicher Recherche entstanden, ebenso lesenswert wie lesbar geschrieben ist. Der Titel täuscht allerdings eine (vielleicht modische?) Berlin-Fixiertheit vor, die das Buch nur in Teilen bestimmt. Eigentlich handelt es sich um eine Geschichte Deutschlands zwischen der Novemberrevolution 1918 und der »nationalsozialistischen Revolution« 1933 (also nicht dem 30. Januar, sondern dem Juli des Jahres), die den wesentlichen Entwicklungslinien der 16 Jahre auf den Grund geht. Überzeugend wird der nach 1945 gern eskamotierte andauernde Rechts-Trend in der kaum geliebten Weimarer Republik nachgezeichnet. Bei des Autors Verliebtheit in die Berliner Wissenschafts- und Kulturlandschaft jener Jahre findet in der Beackerung gerade dieses speziellen Feldes seine Sicht über die deutsche Metropole allerdings nicht hinaus. Andererseits ist der Verfasser klug genug, sich auch nicht den Blick dafür verstellen zu lassen, daß die irgendwie abgehobene Berliner »Szene« kaum Vorstellungen davon hatte, wie miefig

rechts es im allgemeinen im kleinen Rest von Deutschland um das Geistesleben bestellt war.
     Friedrich hat 1970/71 auch eine breite Skala damals noch lebender Zeitzeugen der ins Auge gefaßten Ära befragen können – fast durchweg deutsche Emigranten, die in den USA eine neue Heimat gefunden hatten. Durch diese Breite und die ausgiebige Verwendung zeitgenössischer Erinnerungen ist er der Versuchung entgangen, den weitverbreiteten nostalgischen Aufguß wiederanzurichten, der als »goldene Zwanziger« sehr wahrscheinlich den literarischen Stammtischen deutscher Emigranten- Cafés in Tel Aviv, Paris, Prag und Hoboken entsprungen ist. Friedrich zeigt überzeugend, daß in dem Jahrzehnt nach dem verlorenen Krieg außerhalb der Schicht der neureichen Schieber und der zumeist recht versnobten Hautevolee der »Szene« nicht viel von goldenen Zeiten zu spüren war und ab 1929 sogar wieder der Abwärtstrend bestimmend wurde – verbunden mit dem Aufsteigen der Nazis (das er bestechend an Goebbels festmacht). Ohne die bedeutenden sozialen Leistungen der Berliner Stadtverwaltung beim zeitweilig energischen Anpacken von sozial bestimmtem Wohnungsbau und innerstädtischen Verkehrsproblemen unterzubewerten, sieht er sie doch vor der Folie der ungelösten Fragen einer viel weniger vom – im Nachhinein hochgestochenen – Kulturleben als vom weltwirtschaftlichen Krisenzyklus abhängigen Industriemetropole. Die tödliche Schwäche der Weimarer Republik macht er in der inkonsequenten Novemberrevolution aus. Ebert und Noske widmet der amerikanische Liberale einen geradezu haßerfüllten Kommentar (S. 55). Gegen das – auch heutzutage wieder gebetsmühlenartig wiederholte – Zuweisen gleicher Schuld an radikale Rechte und radikale Linke hinsichtlich des tragischen Schicksals der Ersten Deutschen Republik stellt Friedrich nüchtern fest, daß die Linke wesentlich berechtigtere Motive hatte, mit der Republik unzufrieden zu
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sein. Sie verzieh dem Geburtsakt der Republik nicht, was er alles unterlassen hatte, um mit der Hypothek deutscher Geschichte entscheidend zu brechen. Die Rechte hingegen verzieh der republikgebärenden Revolution nicht, daß sie überhaupt stattgefunden und damit das rechte Glaubensbekenntnis »Weiter so!« in Frage gestellt hatte (S. 207)! Der (damals, 1970) auf der Grundlage der Brüning-Memoiren in Mode gekommenen Beweihräucherung des Zentrum-Reichskanzlers und Erfinders der Präsidialdemokratie stellt er das bissige Zitat eines anderen deutschen Emigranten über dessen Memoiren entgegen: »Er will die Menschen mit absoluter Leidenschaft davon überzeugen, daß er nicht für Hitlers Aufstieg verantwortlich war ...« (S. 330)
     Aufmerken läßt eine ansonsten ungewöhnliche (weil konsequent ausgesparte) Sicht auf die Rolle der russischen Emigration in Berlin. Friedrich macht nachdrücklich darauf aufmerksam, daß aus dem revolutionierten Rußland auch wütende Antisemiten und »Schwarzhunderter« (er nennt sie offen so, wie sie genannt werden müssen: Faschisten) nach Berlin kamen und die »Protokolle der Weisen von Zion« erst der deutschen Öffentlichkeit bekannt machten. Ob allerdings seine These stimmt, daß selbst Hitler erst durch deren Studium zum schäumenden Antisemiten geworden sei, bleibt dahingestellt.
     Friedrichs unausweichliche Seitenblicke auf das Berlin von 1970 betreffen natürlich West-Berlin. Sein New Yorker Verlag verlangte ihm aber Anfang der 70er Jahre offenbar mit Bezug auf die selbst im Bewußtsein amerikanischer Leser vorhandene Berliner Mauer auch Blicke nach Ost-Berlin ab. Diese drei bis vier Pflichtübungen sind so banal, daß man sie überlesen kann – bis auf die grobe Verzeichnung der Humboldt-Universität, bei der jener arrogante amerikanische Journalismus durchschlägt, der glaubt, die Dinge mit einem einzigen Blick von außen her auf ihr innerstes Wesen hin zu durchschauen
So, wie es erst neuerdings das Bundesland Brandenburg erfahren mußte, das kurzerhand von einem als seriös bekannten US-Politmagazin zur europäischen Krisenregion erklärt wurde, wo die Fremdenfeindlichkeit nach einer internationalen Friedenstruppe verlangt.
Kurt Wernicke
 

Widerstand in Berlin

Band 11: Friedrichshain und Lichtenberg

Seit 1984 widmet sich die Gedenkstätte Deutscher Widerstand der speziellen Aufgabe, die zahllosen Aktionen alltäglichen – meist unspektakulär gebliebenen – Kampfes gegen die faschistische Diktatur in Berlin aufzuspüren. Die stadtbezirksweise Erfassung begann mit dem Wedding, wo erstmals die politisch-soziale Vielfalt von Motivationen der Hitlergegner (Kommunisten, Sozialdemokraten, Unabhängige Sozialisten, Christen, Zeugen Jehovas) anschaulich gemacht wurde. Nun liegt mit Widerstand in Friedrichshain und Lichtenberg Band 11 und damit die Übersicht von 16 der 20 zu untersuchenden Berliner Stadtbezirke vor (die Neugründungen Hellersdorf, Hohenschönhausen, Marzahn sind in Lichtenberg und Weißensee berücksichtigt). Der Autor Hans-Rainer Sandvoß, seit 1984 verantwortlich für die Reihe und Verfasser der Mehrzahl der Titel, hat erneut ein immenses Stück Forschungsarbeit geleistet. Allein das Namensverzeichnis weist 1 112 Personen aus; das Straßen- und Ortsverzeichnis – Umbenennungen berücksichtigend – erfordert vier engbedruckte Seiten. Hinzu kommt ein Literaturnachweis, der mit 166 Titeln auch Sekundärliteratur akribisch erfaßt. Besonders dankbar muß man Sandvoß – angesichts permanenter Entfernung von Gedenktafeln sowie Unkenntlichmachung

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ehemaliger Wirkungsstätten von Antifaschisten – dafür sein, daß er insgesamt 58 Erinnerungstafeln, Gedenkorte und Gräber mit genauer Anschrift sowie dem Anlaß der Würdigung erfaßt hat.
     In elf Hauptkapiteln, durchsetzt mit zahlreichen farblich hervorgehobenen Erinnerungsberichten von Zeitzeugen, werden die zwölf finstersten Jahre neuerer deutscher Geschichte auch für Nachgeborene ansatzweise noch nacherlebbar – und erscheinen gerade deshalb wohl gleichermaßen als ungeheuerlich. In der Einleitung nennt der Autor den Berliner Osten »die stadtnahe Ferne« und zeigt insbesondere Friedrichshain als Brennpunkt des Bruderkampfes der beiden Arbeiterparteien. Dann werden die Aktivitäten der Sozialdemokraten und ihres illegalen Organs »Der Rote Stoßtrupp« nachgezeichnet, Prozesse vor Gerichten verfolgt und auch den fast vergessenen Anarcho- Syndikalisten, der Gruppe »Neu Beginnen« sowie den Kämpfern der SAP Achtung bezeugt. Bei der Würdigung des Widerstandes der KPD wird Aktionen der Gruppen um Beppo Römer, Robert Uhrig und Anton Saefkow gedacht, doch hat Sandvoß zusätzlich auch viele zu Unrecht Namenlose dem Vergessen entrissen. Umfangreich und weitgehend neu sind Aktivitäten der Christen und insbesondere um die Bekennende Kirche, die sich bislang vor allem auf Forschungen um den legendären Pfarrer Heinrich Grüber stützten – doch es gab weitaus mehr christliche Antifaschisten. Ein besonderes Kapitel ist »Verfolgungen der Juden/Unbesungene Helden« betitelt, in dem berichtet wird, wie Berliner den »Untermenschen« ihre Solidarität durch oft jahrelanges Verstecken bekundeten und sich damit bewußt zu potentiellen Opfern der Gestapo machten. Wertvoll sind auch die im Kapitel »Alltagserfahrungen« gesammelten Zeugnisse der Solidarität mit Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen sowie die detaillierten Schilderungen in »Gefängnis und Lagerhaft«, wo neben dem bekannten Frauengefängnis Barnimstraße auch die heute weitgehend
unbekannten Orte – »Arbeitserziehungslager« Wuhlheide sowie »Zigeunerlager« Marzahn – wieder in Erinnerung gebracht werden.
     Von Anbeginn wurde als Leserkreis dieser Reihe der geschichtsinteressierte Normalverbraucher anvisiert. Davon zeugen erneut aufgelockerte Gestaltung, der Verzicht auf Fußnoten (nicht jedoch auf Quellen), die vielen Bilder von Originalschauplätzen bis hin zum absoluten Novum – der unentgeltlichen Abgabe der Publikationen durch die Gedenkstätte. Eine Anzahl Berliner Schulen sowie Geschichtskreise haben davon Gebrauch gemacht, doch immer noch zu wenige, erinnert man sich bedenklicher jüngster Erscheinungen wie geschändeter antifaschistischer Gedenkstätten und Symbole. Hoffnungsvoll stimmt die Ankündigung auf Schlußseite 353, daß für das Jahr 2000 die Bände 12 und 13 vorgesehen sind. Dann wird – mit dem Widerstandsgeschehen in Prenzlauer Berg/ Weißensee sowie Schöneberg/ Tempelhof ein Vorhaben abgeschlossen sein, das bereits jetzt das Prädikat »einmalig« verdient hat.
Norbert Podewin
 

Udo Gentzen
Das Sportdenkmal von Berlin-Grünau – gestern, heute, morgen?

Hrsg. Berliner Wassersportmuseum und Berliner Ruder-Club e.V., Berlin 1997

Der Luisenstädtische Bildungsverein präsentiert berechtigt voller Stolz die achtbare Reihe seiner Publikationen, die den bei ihm angesiedelten ABM-Projekten entsprungen sind. Ohne Neid muß er jedoch

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anerkennen, daß auch andernorts ABM-Projekte auf dem Gebiet der Forschung und daraus resultierender Veröffentlichung überzeugende Ergebnisse vorweisen können. Eines der anerkennenswertesten liegt hier vor.
     Gentzen hat jahrelange Erfahrungen in penibler Forschungsarbeit gesammelt, als er Museumsleiter in Dömitz/Elbe war. Sie kamen ihm nun zugute, als auf Initiative des verdienstvollen Initiators und jetzigen Leiters des Grünauer Wassersportmuseums, Werner Philipp, der Auftrag zur Dokumentation des – älteren Berlinern durchaus noch gegenwärtigen – Denkmals an der Grünauer Sportpromenade bzw. (vom Wasser her gesehen) an der Grünauer Regattastrecke als ABM-Projekt bewilligt wurde. Er stürzte sich mit Verve in die Materie, wertete Tageszeitungen, Sportjournale und Archivakten aus. Als Ergebnis liegt nun die allererste wissenschaftliche Publikation zum Thema »Sportdenkmal« vor. Und da erfährt man zuvörderst, daß man es sich jahrzehntelang zu leicht gemacht hat mit dem Denkmal: Nie hat man sich die Inschriften der Steine und Tafeln zu Gemüte geführt, die den unteren Teil des monumentalen Ensembles bildeten – immer hat man die berlinweit verinnerlichte Meinung gepflegt, bei dem Denkmal handle es sich um eine Stiftung des deutschen Rudersports als Dank für die Allergnädigste und Allerhuldreichste Beihilfe von Kaiser Wilhelm II. bei der Begründung von Regattastrecke und Ansiedlung von Rudervereinen an der heutigen Regattastraße. Dabei hätte man nur etwas genauer die bis zum Abriß 1973 deutlich lesbare Inschrift »Der Deutsche Sport« zur Kenntnis nehmen müssen, um sich von der gedanklichen Einengung auf Rudervereine zu verabschieden ... Jetzt erfährt man also, daß die Inschrift vollständig hieß: »Wilhelm / dem Großen / Der deutsche Sport« und die beiden ersten Zeilen erst in den fünfziger Jahren weggemeißelt worden waren. Wilhelm »der Große« sollte nach dem Willen seines Enkels Wilhelm II. der erste
Hohenzollernkaiser benannt werden – also war das Denkmal eine Huldigung an Wilhelm I.! Der hatte zwar 1883 für die Große Grünauer Ruderregatta einen »KAISERPREIS« gestiftet, aber sonstige Verdienste um den Rudersport sind ihm kaum anzulasten.
     Wozu also das Denkmal an der Regattastrecke? Es war gar kein Denkmal, das der tiefen Ehrfurcht der Ruderer entsprungen war, sondern ein devoter Kotau im Rahmen des Rummels um den 100. Geburtstag Wilhelms I., dessen Umfang und dessen Zielsetzung hinsichtlich ideologischer Beeinflussung ein ehemaliger DDR-Bürger sich gut vorstellen kann, wenn er z. B. an den 100. Lenin-Geburtstag (1970) denkt.
     Die deutschlandweiten Festtage vom 21. bis 23. März 1897 (der eigentliche Gedenktag war der 22. März) wurden im Juni durch ein drei Tage umfassendes Allgemeines Deutsches Centenar-Sportfest ergänzt, in dessen Rahmen der 19. Juni als Wassersport-Festtag zum Ruhme Wilhelms I. (und damit des Hohenzollern-Kaisertums überhaupt) auf der seit 1881 traditionellen Strecke der »Großen Grünauer« ablief. Angesichts der über Deutschland schwappenden Welle von Grundsteinlegungen für Kaiser-Wilhelm- Denkmale war ein solcher Akt an der Regattastrecke fast schon naturgegeben. Der Idee der hochgestellten Initiatoren, daß alle deutschen Sportvereine für einen Riesenhügel je einen Denkstein spenden und schicken sollten, stellten sich aber nach der Grundsteinlegung statische wie vereinsmeierisch-politische Gründe entgegen: Erstens konnte man einen solchen Riesentrumm nicht in die Landschaft setzen, und zweitens trafen nur von ca. 200 Vereinen Steine ein (allerdings mehr als die Hälfte von Rudervereinen, andererseits auch sechs von Hundesportvereinen – u. a. dem Berliner Foxterrier-Club). Gentzen hat zur Ernüchterung der Nostalgiker festgestellt, daß während der Existenz des Denkmals nie – wirklich nie! – eine Auflistung der aufgehäuften und zusammengefügten Steine vorgenommen wurde.
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Irgendwie gehörte das Sportdenkmal nach seiner Fertigstellung im Sommer 1898 zur Landschaft – etwa wie der Müggelturm auf der gegenüberliegenden Seite des Langen Sees. Den Bilderstürmereien der ersten Nachkriegsjahre, denen u. a. das wahrhaft zivile Denkmal für den Alten Fritz in Berlin- Friedrichshagen zum Opfer fiel, entging es so – wenngleich für »Wilhelm den Großen« kein Platz mehr war und am Gesamtkunstwerk der Zahn der Zeit nagte. Aber in Vorbereitung auf die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Ost-Berlin 1973 fiel eifrigen Funktionären auf, daß auf den Steinen auch Namen deutscher Städte verzeichnet waren, die nun nicht mehr zu Deutschland gehörten. Gentzen läßt es unentschieden, ob dies das allein auslösende Moment für den im April 1973 getätigten Abriß war. Gentzen fand natürlich auch zeitzeugende Widerstandskämpfer, die ihren Abscheu vor dem Abriß demonstrierten, indem sie einzelne Steine retteten: Wie der Rezensent sich allerdings erinnert, bedurfte es keines Mutes, die herumliegenden Steine an sich zu nehmen und sie sich z. B. in den Garten zu stellen – nur, leider, waren sie für private Bergungen meist einfach zu schwer. Mindestens sieben Steine wurden auf diese Weise bewahrt, drei davon gehören – zusammen mit vier weiteren, 1991 durch Taucher geborgenen – heute zum Fundus des Wassersportmuseums. Natürlich machte die Wende 1989 den lokalen Ärger über das Verschwinden eines Grünauer Wahrzeichens öffentlich, und PDS- wie SPD-Ortsorganisation warben für eine Wiedererrichtung. Abgesehen von den inzwischen mehr auf finanzielle Voraussetzungen gerichteten Überlegungen dürfte Gentzens Arbeit beiden linken Parteien nahelegen, dieserhalb mit sich zu Rate zu gehen: Wenn an der über Deutschlands Grenzen hinaus bekannten nationalen und internationalen (ja selbst seit 1936 olympischen) Regattastrecke ein Denkmal seinen Platz finden sollte, dann doch bitte eines, das in der Tat dem Ruhme des in Deutschland als Leistungswie Freizeitsport populären Ruderns gewidmet ist – und nicht eines zum Ruhme des ersten und zugleich vorvorletzten Hohenzollernkaisers, den die deutsche Geschichte auch – was Gentzen schamhaft ausklammert – 1848 als »Kartätschenprinzen« und 1849 als kaltherzigen Unterzeichner standgerichtlicher Erschießungsurteile gegen deutsche Freiheitshelden kennt, die für rechtsstaatliche, demokratische und soziale Basiswerte kämpften, auf denen heute unser Grundgesetz beruht.
Kurt Wernicke
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