76   Porträt Wolfgang Heinz  Nächste Seite
Heinrich Gebauer
Vom Autodidakten zum Charakterdarsteller

Ehrenbürger Wolfgang Heinz (1900–1984)

Wolfgang Heinz hat eine der glaubwürdigsten Verkörperungen von Lessings »Nathan der Weise« gestaltet und damit einem der eindringlichsten Sinnbilder von Toleranz lebendigen Ausdruck verliehen. Der Sohn des Journalisten Julius Hirsch und seiner Ehefrau Camilla – Wolfgang Heinz war sein später angenommener Künstlername – wurde am 18. Mai 1900 geboren. Er besuchte in Wien die Volksschule und das Erzherzog-Rainer- Realgymnasium von 1906 bis 1917. Als 17jähriger verließ er auf eigenen Wunsch die Schule. Um nicht als Soldat der österreichischen Armee im Ersten Weltkrieg kämpfen zu müssen, überredete er seine Mutter, daß er in Berlin einem Theateragenten vorsprechen durfte, denn er hatte als eifriger Theaterbesucher beschlossen, Schauspieler zu werden.
     An seinem 17. Geburtstag unterschrieb er seinen ersten Vertrag mit den Theatern in Friedrichroda und Eisenach. Ohne je eine


Wolfgang Heinz

Schauspielschule besucht zu haben, spielte Heinz im Schauspiel oder in der Operette. Im November 1918 bewarb er sich bei Max Reinhardt, dem Direktor des Deutschen Theaters in Berlin. Nach einer Spielzeit wechselte Heinz ans Staatliche Schauspielhaus Berlin, das er 1923 verließ. 1927 wurde er wieder ans Staatstheater engagiert. 1930 kam der kommunistische Schauspieler Hans Otto an das Preußische Staatstheater. Durch seinen Einfluß wurde Wolfgang Heinz Mitglied der KPD. Aus diesem Grund erfolgte nach der Machtergreifung der Nazis schon am 27. Februar 1933 seine Entlassung.
     Er ging auf Gastspielreisen nach Graz und Karlsbad, Holland und England. Da ihm in Deutschland die Verhaftung drohte, führte ihn sein weiterer Weg über Wien an das Zürcher Schauspielhaus. Hier entstand 1934

SeitenanfangNächste Seite


   77   Porträt Wolfgang Heinz  Vorige SeiteAnfang
eine der wichtigsten deutschsprachigen Bühnen im antifaschistischen Europa. Das bedeutende Ensemble aus deutschen und österreichischen Emigranten arbeitete unter außerordentlich komplizierten politischen und materiellen Bedingungen. Neben zahlreichen Rollen als Schauspieler begann Heinz 1938 zunehmend selbst zu inszenieren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 war die Aufgabe des Zürcher Schauspielensembles erfüllt, und das Ensemble ging auseinander. Wolfgang Heinz erhielt in Wien von der sowjetischen Besatzungsmacht das im sowjetischen Sektor Wiens gelegene Theater in der Scala. Mit der Aufführung des Stückes »Die russische Frage« von Simonow wurde es am 6. März 1948 eröffnet. Heinz war als Schauspieler, Regisseur und Direktor an der »Scala« tätig. Besonders mit Inszenierungen von Maxim-Gorki- Stücken hatte er große Erfolge. Zunehmend kam es zum Künstler-Austausch zwischen der »Scala« und dem Deutschen Theater in Berlin sowie dem Berliner Ensemble. Auch Heinz führte 1953 am Deutschen Theater Regie.
     Nach dem Abzug der Sowjetarmee wurde die Wiener »Scala« am 30. Juni 1956 geschlossen. Gemeinsam mit anderen Scala-Schauspielern wurde Wolfgang Heinz von Intendant Wolfgang Langhoff an das Deutsche Theater Berlin engagiert. Seither wohnte er gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Schauspielerin Erika Pelikowsky, in Berlin-
Spindlersfeld, Harnischweg 5. Seit 1958 wirkte er als Oberspielleiter des Deutschen Theaters und Direktor der Staatlichen Schauspielschule Berlin. 1959 erfolgte seine Berufung zum Professor. Von 1963 bis 1969 leitete er das Deutsche Theater. 1966 wurde er zum Präsidenten des Verbandes der Theaterschaffenden der DDR gewählt. Am 9. November 1975 spielte Wolfgang Heinz das letzte Mal den Nathan. Aus gesundheitlichen Gründen mußte er das Theaterspielen aufgeben, blieb jedoch weiterhin der Regiearbeit treu und erteilte Schauspielunterricht.
     Am 30. September 1983 wurde der Schauspieler auf Beschluß der Ostberliner Stadtverordnetenversammlung für seine beispielhafte Theaterarbeit die Berliner Ehrenbürgerschaft verliehen. In die neue Gesamtberliner Ehrenbürgerliste, wie sie vom Senat und Abgeordnetenhaus im Herbst 1992 beschlossen wurde, ist er übernommen worden.
     Wolfgang Heinz starb am 30. Oktober 1984 und wurde auf dem Friedhof in Berlin-Adlershof beigesetzt. Eine Straße in Berlin-Buch erhielt seinen Namen. Der Verband der Theaterschaffenden verlieh alle fünf Jahre den #187;Wolfgang-Heinz- Ring« für hervorragende Leistungen junger Künstler. Nachdem der Theaterverband aufgelöst wurde, ging das Recht der Verleihung an den Intendanten des Deutschen Theaters.
SeitenanfangAnfang

Berlinische Monatsschrift Heft 5/99
© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de