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Vom Eimer zur Feuerlöschkanne

Historische Kleinlöschgeräte

Ende des vorigen Jahrhunderts führte die zunehmende Industrialisierung auch zu einer raschen Entwicklung von Kleinlöschgeräten. Ihre Erfindung und massenhafte Einführung in den deutschen Feuerwehren führte zu großen Fortschritten bei der Brandbekämpfung. Einige dieser Neuentwicklungen wurden im »Archiv und Centralblatt für Feuerschutz, Rettungs-, Feuerlösch- und Versicherungswesen« vorgestellt. In den Ausgaben 21 vom November 1893 und 22 vom März 1894 findet man die Beschreibung des folgenden – auch bei der Berliner Feuerwehr eingesetzten – Kleinlöschgeräts.
Heinz Gläser

»Feuerlöschkanne der Berliner Feuerwehr«

»... Im Jahre 1892 wurde die Berliner Feuerwehr zu 966 Bränden gerufen, bei welchen eine fahrbare Spritze nicht in Tätigkeit kam. Diese Brände wurden vielmehr als sogenannte Kleinfeuer entweder mittels der Löschkanne oder der kleinen Zimmerspritze gelöscht. Beides sind Löschapparate, die bequem durch einen Mann getragen werden können und an den Herd des Feuers

gebracht, hier vorzügliche Dienste leisten.
     Die Zimmerspritze, die ältere von beiden Einrichtungen, hat sich für jede Feuerwehr als ein durchaus unentbehrliches Gerät erwiesen. Dieselbe dient nicht nur zur Löschung kleinerer Brände, sondern auf großen Brandstellen nach Bewältigung des Feuers auch noch zum Ablöschen von Balkenköpfen, Verzapfungen sowie Fußboden- und Deckenbränden usw. Weniger geeignet ist die Zimmerspritze für Entstehungsbrände, da zu ihrer Inbetriebnahme immer ein Eimer oder sonstiger Wasserbehälter, eine Saug- und Druckschlauchleitung sowie viel manueller Aufwand nötig sind. Im Winter besteht die Gefahr des Einfrierens der Pumpe. Oft ist ein Eimer Wasser das einfachste Löschutensil.
     Branddirektor Stude, der auch schon die Stockspritze bei der Berliner Feuerwehr einführte, rüstete die Personenwagen der Löschzüge mit einem eimerartigen Behälter aus, der stets mit Leitungswasser gefüllt war. Dieses Zinkblechgefäß war mit Griffen und einem Deckel versehen, so daß ein leichtes Handhaben möglich und das Überlaufen während der Fahrt vermieden wurde.
     Weitere Erfahrungen auf Brandstellen führten dazu, beide Geräte – Eimer und Stockspritze – möglichst gleichzeitig am Brandherd zur Verfügung zu haben. Es gelang dem früheren Brandinspektor der Berliner Feuerwehr und jetzigen Branddirektor in Altona, Reichel, beide Geräte 1892 derart
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miteinander zu kombinieren, daß die so entstandene Feuerlöschkanne dazu geeignet erscheint, ein unentbehrliches Gerät für jede Feuerwehr zu werden ... Damit die Löschkanne ohne jede besondere Anstrengung zu tragen und möglichst bequem zu handhaben ist und das Ausgießen des Wassers teilweise oder mit einem Male geschehen kann, hat man derselben eine zylindrische Form von 42 cm Höhe und 20 cm Durchmesser gegeben. Diese Abmessungen stehen übrigens in einem Verhältnis, welches dem Gefäß ein ansehnliches Äußeres verleiht. Um das Gewicht möglichst klein zu halten, ist Stahlblech in notwendiger Stärke verwendet worden. Der Fuß der Kanne ist durch Bandeisen verstärkt, an dem auch der untere Handgriff befestigt ist.
     Der Deckel ist in seinem waagerechten Teil mit dem Gefäß verlötet und in dem nach oben gerichteten Teil mit einem Scharnier versehen. Durch den festliegenden Teil des Deckels führt eine senkrechte Rohrhülse bis auf den Boden der Kanne, welche die Stockspritze aufnimmt. Der quer zur Kolbenstange stehende Kolbengriff greift bei eingeschobener Stockspritze unter zwei an der Außenwand der Kanne angebrachte eiserne Haken und dient so gleichzeitig für den Transport der Löschkanne als Tragegriff ...
Obwohl die Feuerlöschkanne durch ihre bequeme Handhabung, die besondere Form der Ausgußöffnung und Vorhandensein des Deckels einem gewöhnlichen Eimer gegenüber schon außerordentliche Vorzüge bietet, so wird dieselbe noch besonders wertvoll durch die dazu gehörige Stockspritze. Durch


Feuerlöschkanne der Berliner Feuerwehr

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Trennung des Tragegriffes um einen kurzen Bogen nach links wird dieser Bogen frei, die Stockspritze kann mittels des Tragegriffes aus der Rohrhülse herausgezogen und nun als Spritze benutzt werden.
     ... Die Stockspritze, in ganz gediegener, sauberster Ausführung, bietet durchaus keinerlei Schwierigkeiten in ihrer Benutzungsart. Zylinder und Kolben sind mit größter Sorgfalt hergestellt und Reparaturen für mehrere Jahre absolut ausgeschlossen. Die Stockspritze faßt etwa 1/2 Liter Wasser, kann demnach, da die Kanne 12 Liter enthält, etwa 24mal aus letzterer gefüllt werden. Ihr Strahl trägt etwa 12 Meter weit oder 11 Meter hoch, während durch Wurfbewegung mit der Kanne ein Feuer auf etwa 10 Meter zu erreichen ist. Die Reichel'sche Feuerlöschkanne ist bis jetzt bei den Berufsfeuerwehren in Berlin, Hamburg, Altona, Breslau, Bremen, Chemnitz, Danzig, Dortmund, Düsseldorf, Hannover, Königshütte sowie bei einer Anzahl von freiwilligen Feuerwehren eingeführt ...
     Der Fabrikant der Reichel'schen Feuerlöschkanne ist von Herrn Zivil-Ingenieur und Brandmeister a. D. Wielandt, Berlin SO, Köpenicker Straße 48/49 übernommen worden. Demselben ist es in hervorragendem Maße gelungen, der Kanne ein durchaus ansprechendes, ja elegantes Äußere zu verleihen, wodurch jedoch die Haltbarkeit und Solidität derselben keinerlei Abbruch erleidet ...
Bereits beschafft wurde die Kanne für die Kaiserliche Yacht Hohenzollern, mehrere kaiserliche Schlösser, die Kaiserliche Werft in Kiel, das Kommando der II. Torpedo-Abteilung Wilhelmshaven, die Magdeburger Feuerversicherungs- Gesellschaft, die Fabrik der Gebrüder Burbach in Gotha, Eisengießerei Keyling & Thomas in Berlin, Hotel Deutsches Haus in Königsberg i. Pr., Elbinger Aktiengesellschaft für Leinenindustrie usw.
     Der Preis der Löschkanne ist mit Rücksicht auf die außerordentliche solide und geschmackvolle Ausführung, derzufolge der Apparat sehr wohl in besser eingerichteten Räumen aufgestellt werden kann, ein äußerst geringer, er stellt sich auf 40,– Mark. Die für 9 bzw. 6 m dazu gelieferten galvanisierten resp. bronzierten Konsolen sind Musterstücke saubersten Eisengusses.«

Bildquelle:
Archiv H. Gläser

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