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Es geschah gestern in Berlin
März 1999

Was gestern noch Schlagzeilen machte, ist heute fast schon wieder in Vergessenheit geraten. Wir dokumentieren deshalb Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit

1. März
Das Statistische Landesamt
teilt mit, daß im zweiten Quartal 1998 in Berlin auf je 1 000 Geburten 406 Abtreibungen kamen. Damit wies Berlin bundesweit die höchste Quote vor Thüringen (353) und Brandenburg (352) auf.
     Sein neues Berliner Gebäude an der Kronenstraße 73/74 in Mitte bezieht der »Bund der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte«. Zuvor hatte er seinen Sitz in Bonn.

2. März
Für unzulässig
erklärt der Senat auf Antrag von Innensenator Werthebach (CDU) das Volksbegehren »Mehr Demokratie«. Der Antrag auf das Volksbegehren der Bürgerinitiative wurde in drei Punkten für verfassungswidrig erklärt.

3. März
Die Schönhauser-Allee-Arcaden,
werden eröffnet. Das Einkaufszentrum mit 90 Läden entstand genau dort, wo sich vorher die Halle des S-Bahnhofs befand und jeden Tag rund 50 000 Fahrgäste am Kreuzungspunkt von U- und S-Bahn ein- oder umsteigen.
     Über 81 000 Verfahren hat die Ermittlungsgruppe gegen Schwarzarbeit in den zehn Jahren ihres Bestehens eingeleitet, teilt die Innenverwaltung mit. Nach Angaben des Landesarbeitsamtes arbeiten derzeit 10 bis 15 Prozent der Baubeschäftigten schwarz.

4. März
Ein technischer Fehler
auf einer Baustelle in Mitte führt zu einem mehrere Kilometer langen Ölteppich auf der Spree. Heizöl war durch eine automatische Baustellenpumpe in Höhe der Museumsinsel in den Fluß geleitet worden.
     Weiterhin Reichstag soll das Reichstagsgebäude heißen, beschließt der Ältestenrat des Bundestages. Wegweiser sollen die Aufschrift »Deutscher Bundestag« führen. Die Adresse solle »Deutscher Bundestag, Platz der Republik«, lauten.

5. März
Der neue Erweiterungsbau
des Bundeswirtschaftsministeriums in der Scharnhorststraße in Mitte wird übergeben. Der 76 Millionen Mark teure Bau schloß eine Lücke im Ensemble des ehemaligen Invalidenhauses, die der Krieg gerissen hatte.

6. März
Der DDR-Politiker Klaus Gysi
stirbt knapp 87jährig. Aufgewachsen im gebildeten jüdischen Bürgertum Neuköllns, war er 1966 bis 1973 Kulturminister, 1973 bis 1978 Botschafter in Rom und 1979 bis 1988 Staatssekretär für Kirchenfragen.
     Loni Heuser-Mackeben stirbt im Alter von 91 Jahren in Berlin. Als Sängerin und Schauspielerin war sie ein Star in Varieté, Film und Kabarett.
     Die Internationale Tourismusbörse (ITB) wird auf dem Messegelände unter dem Funkturm eröffnet. Mehr als 7 400 Aussteller aus 190 Ländern präsentierten ihre Angebote.

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7. März
Für zwei Tage
werden in der Berliner Filiale von Sotheby's im Palais am Festungsgraben Gemälde des Berliner jüdischen Malers Felix Nussbaum gezeigt. Nussbaum kam 1944 im KZ Auschwitz um.
     In der Nikolaikirche in Mitte wird die diesjährige »Woche der Brüderlichkeit« zur Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus eröffnet. Unter dem Motto »Lerne aus den Jahren der Geschichte« standen 80 Veranstaltungen auf dem Programm.

8. März
Der Martin-Gropius-Bau
in Kreuzberg wird nach einjähriger Umbauzeit der Berliner Kulturverwaltung übergeben. Für die umfassende Renovierung des 1881 als »Königliches Kunstgewerbemuseum« eröffneten Gebäudes waren 20 Millionen Mark erforderlich.
     Die Republik Moldova eröffnet in der Gotlandstraße in Prenzlauer Berg als erster der 183 in Deutschland akreditierten Staaten ihre diplomatische Vertretung in Berlin. 72 Staaten haben sich ihre Standorte gesichert, 45 besitzen Grundstücke, 77 suchen noch.

9. März
Bundesbauminister Franz Müntefering
schlägt in Berlin vor, erneut über ein Nutzungskonzept für den Schloßplatz in Mitte nachzudenken und bis Ende 2000 zu entscheiden, so auch über die Zukunft des Palastes der Republik.
     Der Fernsehsender Sat. 1 sagt zu, den zerstörten Glockenstuhl der Parochialkirche in Mitte instand zu setzen. Das soll eine Wiedergutmachung für die Beschädigung der Mittelsäule des Brandenburger Tores bei Dreharbeiten im Dezember 1998 sein.

10. März
Der Tierschutzverein
Berlin kündigt an, gegen die Absicht der CDU/SPD-Koalition, generellen Leinenzwang für alle Hunde einzuführen, gerichtlich vorzugehen.

11. März
3,6 Millionen Touristen
haben 1998 die Stadt besucht, teilt die Berlin Tourismus Marketing GmbH mit. Das ist ein Anstieg um 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit war Berlin als Städtereiseziel unangefochten die Nummer eins in Deutschland.
     Rund 79 000 Unfälle wurden 1998 in Schulen und Kitas Berlins gemeldet, teilt die Unfallkasse mit. Besonders betroffen waren die Ostbezirke. Mit 254 Unfällen je 1 000 Kindern führt Hellersdorf vor Marzahn (233) die Negativ-Statistik an.

12. März
Yehudi Menuhin,
Geiger und Dirigent, stirbt im Alter von 82 Jahren in Berlin an akutem Herzversagen. Menuhin war 1946 der erste jüdische Künstler, der nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in Berlin auftrat.

13. März
Das Hertie-Kaufhaus
am Blücherplatz in Kreuzberg schließt nach gut 100 Jahren Standorttreue seine Tore. 85 der 140 Beschäftigten wurden arbeitslos. Der neue Eigentümer, »Einrichtungs Domäne«, will zehn Millionen Mark in den Umbau investieren.
     Das Potsdamer-Platz-Projekt von Daimler/Chrysler wird auf der Immobilienmesse MIPIM im südfranzösischen Cannes mit dem »MIPIM-Award« der Rubrik Geschäftszentren ausgezeichnet. Das Projekt setzte sich gegen berühmte amerikanische und britische durch.

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14. März
Der Geschäftsführer des Senders 104.6 RTL,
Bernt von zur Mühlen, wird beurlaubt, weil der Stimmenimitator des Senders, Marc Döhring, sich in einem Telefonat mit Bundeskanzler Schröder als Roman Herzog ausgab, um über Lafontaines Rücktritt zu sprechen.

15. März
Um die Rechtschreibreform
doch noch zu verhindern, übergibt der Berliner Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege der Senatsinnenverwaltung Listen mit 35 000 Unterschriften für ein Volksbegehren.

16. März
Den Wettbewerb
für das Holocaust-Mahnmal auszusetzen, beschließt der Senat gegen den Wunsch von Bundesregierung und Bundestag.
     Das Landeskriminalamt versucht mit einer Razzia, Einfluß auf die Rauschgift-Szene am Helmholtzplatz zu nehmen. Das Areal in Prenzlauer Berg war nach Breitscheid- und Hermannplatz zum drittgrößten »offenen« Drogenumschlagsplatz geworden.

17. März
In der Volksbühne
(Mitte) hat Christoph Schlingensiefs Boulevardstück »Berliner Republik« Uraufführung.
     Boleslaw Barlog, früherer Theaterintendant, stirbt im Alter von 92 Jahren in seinem Haus in Lichterfelde (Tempelhof).

18. März
Oskar Lafontaine (SPD),
zurückgetretener Finanzminister, nimmt im Schloß Bellevue (Tiergarten) von Bundespräsident Roman Herzog die Entlassungsurkunde entgegen.

19. März
Das Kammergericht Berlin
weist die Berufung der Berliner Springer-Tochter Ullstein-Verlag gegen eine Entscheidung vom Dezember 1998 zurück, mit der die einstweilige Verfügung gegen das kostenlose Erscheinen der Zeitung »15 Uhr aktuell« aufgehoben wurde.

20. März
Zur Erinnerung
an die Auflösung des Depots der »Aktion Entartete Kunst« am 20. März 1939 wird am Victoria-Speicher I in der Köpenicker Straße 24 a in Kreuzberg eine Informationstafel angebracht. Hier waren von Nazis beschlagnahmte Kunstwerke eingelagert.
     Zum 70. Geburtstag von Christa Wolf findet in der Akademie der Künste Berlin- Brandenburg eine Festveranstaltung statt. Vor übervollem Haus gratulierte der Schriftsteller Günter Grass.

21. März
Eine neue Schnellbuslinie
der BVG zwischen dem Stadtzentrum und dem Flughafen Tegel nimmt den Betrieb auf.
     Mark Lammert, Berliner Grafiker und Maler, wird mit dem Käthe-Kollwitz-Preis 1999 der Akademie der Künste Berlin- Brandenburg ausgezeichnet.

22. März
Die Berliner Polizei
veröffentlicht die Kriminalstatistik 1998. Es wurden 586 528 Straftaten, 6 110 weniger als im Vorjahr, registriert. 49,4 Prozent wurden aufgeklärt.
     Die Beendigung der Werbeaktion der Berliner Stadtreinigung mit dem Plakat »We kehr for you« fordert der Verein zur Wahrung der deutschen Sprache und wendet sich damit gegen die Tendenz »Schreib-wie-Du-sprichst«.

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23. März
Auf der Baustelle
des künftigen Bundesjustizministeriums zwischen Jerusalemer und Mohrenstraße (Mitte) bricht in den frühen Morgenstunden ein Brand aus. Teile des denkmalgeschützten ehemaligen Geschäftshauses Nagel wurden vollständig zerstört.

24. März
Zum Europäischen Sondergipfel
treffen die 15 Staats- und Regierungschefs der EU in Berlin ein. Die Tagungsstätte im Hotel Intercontinental in Tiergarten war von 3 000 Journalisten umlagert. Es wurde weiträumig abgesperrt.

25. März
In der Ehrenbürgergalerie
des Abgeordnetenhauses in Mitte wird ein Porträt Michail Gorbatschows aufgehängt.

26. März
Über das Finanzierungskonzept
des Großflughafens Berlin- Brandenburg International (BBI) in Schönefeld einigen sich Bundesregierung, Berlin und Brandenburg. Der Flughafen soll 6 bis 8 Milliarden Mark kosten und die Flughäfen Tegel und Tempelhof ersetzen.

27. März
Ein 47 m langer Tunnel
wird nahe der Marschallbrücke in Mitte in zehn Meter Tiefe unter der Spree eingezogen. Er gehört zum System, mit dem das Parlamentsviertel beliefert und entsorgt werden soll.

28. März
Der Schauspieler Rolf Ludwig
stirbt 73jährig in seiner Berliner Wohnung. Ludwig gehörte zu den bekanntesten Theater- und Filmschauspielern der DDR.
     Mehr als 3 500 Berliner beteiligen sich bei kühlem und regnerischem Wetter am Halbmarathon.

29. März
Die 1798 erbaute Jungfernbrücke
über den Spreekanal in Mitte wird nach zweijähriger Rekonstruktion wieder geöffnet.
     Ein neues Strahlungslabor der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt wird im Wissenschaftspark Berlin- Adlershof in Betrieb genommen.

30. März
Der 73jährige,
stark gehbehinderte und unter Alkohol stehende Horst P. aus Tempelhof wird mit seinem Krankenfahrstuhl und Tempo zehn auf der A 100 von der Polizei erwischt.

31. März
Der Vertrag
für die Privatisierung der Berliner Flughafen-Holding BBF wird in Berlin unterzeichnet. Damit ist der Weg frei zum Bau des ersten privat betriebenen deutschen Flughafens in Berlin- Schönefeld.

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