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Helmut Caspar
Neue Formsteine für alte Giebel

Verjüngungskur für das Märkische Museum am Köllnischen Park

Das 1901 bis 1909 nach Plänen des Berliner Stadtbaurats Ludwig Hoffmann (1852–1932) erbaute Märkische Museum am Köllnischen Park, im Zweiten Weltkrieg stark zerstört und danach zu großen Teilen wieder aufgebaut, gewinnt seine alte Schönheit und Funktionalität zurück. Ende 1998 wurden die Restaurierungsarbeiten an zwei Ziergiebeln abgeschlossen, die einen der Museumsflügel, die »Gotische Kapelle«, schmücken. Die Wiederherstellung der Giebel, die denen der Katharinenkirche zu Brandenburg an der Havel nachempfunden sind, hatte 15 Monate gedauert und rund 900 000 DM gekostet. Aus dem filigranen Mauerwerk mit Rosetten, Fialen und Pilastern hatten sich in den letzten Jahren zahlreiche Ziegel und farbig glasierte Formsteine gelöst, so daß Standfestigkeit und Haltbarkeit der Giebel nicht mehr gewährleistet waren, wie die mit der Restaurierung befaßten Architekten Christina und Knud Peter Petersen betonen. »Schuld an der Instabilität waren die in der Erbauungszeit verwendeten

Anker und Verstrebungen aus Eisen, die so stark verrostet sind, daß sie ihre Aufgabe nicht mehr erfüllen und die Steine einfach wegsprengen.« Bei einer Bestandsaufnahme zeigte sich, daß zahlreiche Formsteine fehlen und daher durch Nachbildungen ersetzt werden müssen. Zweitausend dieser Backsteine mit und ohne Glasur wurden von den Hedwig-Bollhagen- Werkstätten in Marwitz nachgeformt und »wie im Mittelalter« glasiert und gebrannt.
     Die Arbeiten an den Ziergiebeln der »Gotischen Kapelle« – hier fand eine Fontane-Ausstellung zum einhundertsten Todestag des Romanciers und »Wanderers durch die Mark Brandenburg« statt – sind Teil der umfassenden Generalsanierung, die das zur Stiftung Stadtmuseum gehörende Haus seit 1990 erlebt. Ziel sei es, so der Generaldirektor der Stiftung Stadtmuseum, Reiner Güntzer, den seinerzeit von Ludwig Hoffmann konzipierten Rundgang zurückzugewinnen und auch jene Räume für das Publikum zu öffnen, die bisher als Depot unzugänglich waren. Wiederhergestellt wird die große Kirchenhalle, in der das aus den Nähten platzende Museum weitere Ausstellungsstücke zeigen will, und auch der ungenutzte Dachbereich soll für die wissenschaftliche Arbeit hergerichtet werden. Bei der Platzgewinnung sei man bereits sehr gut vorangekommen, sagt Güntzer. Wurden 1990 nur 55 Prozent der Räume für Museumszwecke genutzt, so sind es heute bereits 95 Prozent. Güntzer hofft, daß die
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Museumsbibliothek recht bald in den hoch aufragenden Turm einziehen kann, den Hoffmann nach dem Vorbild des Turms der Wittstocker Bischofsburg nachgebildet hatte. Er soll ganz oben einen Leseraum für Museumsbesucher erhalten, die von hier aus einen herrlichen Rundblick haben werden.
     In diesem Jahr will die Stiftung Stadtmuseum ein Konzept erarbeiten, wie weitere Räume in ihrer alten Gestalt zurückgewonnen und überhaupt die Attraktivität des nunmehr 90 Jahre alten Märkischen Museums erhöht werden kann, das sich auch einen Museumsshop zulegen will. Dazu gehören auch die behindertengerechte Erschließung des Gebäudes und die Pflege
Ludwig Hoffmann hat mit dem Märkischen Museum eine Art Architekturmuseum geschaffen, das er um zwei Innenhöfe gruppierte. Sein aus einer Fülle von Entwürfen hochrangiger Architekten hervorgegangenes »Märkisches Provinzial-Museum« beschrieb Hoffmann folgendermaßen: »Bei der Anfertigung des Bauentwurfs war der Gedanke maßgebend, die verschiedenartigen Ausstellungsstücke in einer ihrer Eigenart entsprechenden räumlichen Umgebung und Belichtung zur Erscheinung zu bringen. Bei den verschiedenen Ansprüchen, welche die verschiedenen Abteilungen in dieser Beziehung stellen, wäre es wohl nicht richtig gewesen,
der ziemlich verwahrlosten Außenanlagen, die dem Bezirksamt Mitte unterstehen. Die Stiftung will die hier aufgestellten oder in eine Mauer eingefügten Plastiken, die zum Teil aus abgerissenen Gebäuden stammen, durch ein Gitter vor Anschlägen durch Vandalen schützen und auch ein Café einrichten, das in der warmen Jahreszeit die Möglichkeit bietet, unter freiem Himmel auszuruhen und etwas zu sich zu nehmen.
Restaurierter Giebel der »Gotischen Kapelle«
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Einfügung des Baues in den Köllnischen Park und seinen mit herrlichen Bäumen bestandenen Teil des alten Walls so eher Rechnung getragen werden konnte.«
     So entstand eine stimmungsvolle Kombination von Kirche und Burg, Rathaus und Bürgerhaus, bei der Hoffmann sich von alten Bauten der Mark Brandenburg inspirieren ließ. Dunkelrote Backsteinbauten der Gotik kontrastieren mit verputzten Fassaden in den Formen der Renaissance, die mit Wappen märkischer Städte geschmückt sind. Eine Besonderheit der Museumssammlung sind zahlreiche Plastiken, Grabmäler und Architekturrelikte, die in Berlin bei Abbrucharbeiten geborgen werden konnten. Stadt- und landesgeschichtlich besonders wertvoll ist das spitzbogige Portal aus dem »Hohen Haus«, das 1931 bei Abbrucharbeiten in der Klosterstraße geborgen wurde und ins Märkische Museum kam. Mit der Öffnung der Gotischen Kapelle kann dieses interessante Architekturdenkmal erstmals seit vielen Jahrzehnten wieder besichtigt werden. Eine Rolandfigur, dem »Brandenburger Roland« von 1474 nachgebildet, bewacht seit 1906 den Eingang und erinnert daran, daß Berlin im Mittelalter ebenfalls einen solchen »Ritter des Rechts« besessen hat, ihn aber bei Auseinandersetzungen mit der feudalen Obrigkeit verloren hat.

Bildquelle: Autor

Detail aus Sandstein an der dem Park zugewandten Seite des Museums
ein einheitliches Gebäude mit gleichen Stockwerkshöhen, gleichen Fensterachsen, gleichgroßen Fensteröffnungen und gleichartigen Architektursystemen zu errichten; es wurde vielmehr eine freie Bauanlage geschaffen, welche es ermöglicht, jede Sammlung in eigens zu ihr gestimmten Räumen unterzubringen. Eine solche gruppierte Bauanlage ließ sich auch äußerlich der alten märkischen Bauweise eher anpassen, wie auch der unregelmäßigen Form des Grundstücks und einer ungezwungenen malerischen
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© Edition Luisenstadt, 1999
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