84   Geschichte und Geschichten Bayern und Preußen  Nächste Seite
Hans Hauser
Weißwurst und Pickelhaube

Ab Mai in Berlin: Landesausstellung »Bayern & Preußen«

Daß Preußen und Bayern sich nicht mögen, ist, gemessen an den jahrhundertealten guten Beziehungen beider Länder, ein neuer Hut und historisch nicht zu begründen. Dies will die Ausstellung »Bayern & Preußen – Schlaglichter auf eine historische Beziehung« nachweisen, die vom Haus der Bayerischen Geschichte in Augsburg und der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns vom 13. Mai bis 20. Juni 1999 in der Ende 1998 eröffneten Vertretung des Freistaats in der Berliner Behrenstraße gezeigt wird. Eine umfangreichere und um die Darstellung der Problematik »Preußen in Bayern« erweiterte Version ist vom 8. Juli bis 10. Oktober auf der Plassenburg in Kulmbach, einst Residenz der »fränkischen Brandenburger«, zu sehen. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten steuert der Ausstellung prächtige Exponate als Beleg für die guten Beziehungen auf Herrscherebene bei, das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz und die Staatlichen Museen suchten Urkunden und Gemälde zusammen. Auch andere Leihgeber

sind in der Exposition vertreten, zu der ein etwa 400 Seiten starker Katalog erscheinen soll.

Diese Postkarte zeigt einen Dachauer Bauern beim Tanz mit einer Spreewälderin

SeitenanfangNächste Seite


   85   Geschichte und Geschichten Bayern und Preußen  Vorige SeiteNächste Seite
Klischees beseitigen und Eis auftauen

»Wir möchten alte Vorurteile abbauen, Klischees beseitigen und Eis auftauen«, sagt der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, Claus Grimm, zu den Zielen der Ausstellung, die mit ihren ungewöhnlichen Exponaten auch ein »touristisches Event« sein will. »Zur gleichen Zeit, da Parlament und Bundesregierung nach Berlin ziehen, wollen wir ein Fenster öffnen und zeigen, was sich zwischen beiden deutschen Ländern und ihren Bewohnern ereignet hat.« Ausgangspunkt der Beziehungen zwischen Bayern und Brandenburg- Preußen war das Jahr 1323, als Kaiser Ludwig der Bayer seinen Sohn Ludwig mit der Mark Brandenburg belehnte.
     Die aus Süddeutschland stammenden und als Burggrafen in Nürnberg sitzenden Hohenzollern stiegen zweihundert Jahre später zu Kurfürsten von Brandenburg auf, ein Vorgang, der in einer Konstanzer Bilderchronik des 15. Jahrhunderts veranschaulicht wird. Das Original wird in Berlin gezeigt. Während die Mark Brandenburg und Berlin als Hauptstadt der »märkischen Streusandbüchse« ein dürftiges Dasein fristeten, hielten die »fränkischen Hohenzollern« in Kulmbach, Ansbach und Bayreuth sowie im fernen Königsberg/Pr. bereits glänzenden Hof.

»Ich hatte nicht gedacht, daß man in den Straßen dieser Stadt doch so viele jebildet aussehende Leute treffen würde.«
» Janz einfach zu erklären: drei Ferien-Sonderzüge aus Berlin anjekommen.«

SeitenanfangNächste Seite


   86   Geschichte und Geschichten Bayern und Preußen  Vorige SeiteNächste Seite

»Jetz nimm di z'samm', Schorschl, daß d' koanen derschlagst von die Preuß'n.«

Diesem Zweig hat es der brandenburgische Kurfürst Johann Sigismund im frühen 17. Jahrhundert zu verdanken, daß er Herzog von Preußen wurde. Friedrich III. nannte sich ab 1701 König »in« Preußen. Die über das ganze Heilige Römische Reich Deutscher Nation verstreute und nunmehr zur europäischen Großmacht aufstrebende Monarchie leitete ihren Namen von den ehemals von den fränkischen Verwandten besetzten Ländereien im Osten her. Als Ende des 18. Jahrhunderts die fränkischen Markgraftümer Ansbach und Bayreuth – hier regierte eine Zeitlang auch Wilhelmine, die Lieblingsschwester Friedrichs des Großen – an Preußen fielen, waren es die späteren preußischen Reformer Hardenberg und Wilhelm von Humboldt, die in dem Duodezstaat die Reformen vorwegnahmen, zu denen sich Friedrich Wilhelm III. erst nach der verheerenden Niederlage von 1806 bequemte. Assistiert wurden sie dabei vom Grafen Montgelas, dem späteren Reformer Bayerns, wie Hauptkonservator Johannes Erichsen von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns betont.

Der Alte Fritz und der Kartoffelkrieg

Die preußische Ära in Franken endete 1807 mit dem Frieden von Tilsit, seither sind diese Ländereien bayerisch. »Daß die Geschichte der Hohenzollern nicht unwesentlich auch ein Stück bayerischer Landesgeschichte

SeitenanfangNächste Seite


   87   Geschichte und Geschichten Bayern und Preußen  Vorige SeiteNächste Seite
war, zeigt sich an Allianzen, die man gegen dritte, allen voran den Kaiser in Wien, einging, denn Machterhalt und Landnahme waren immer wieder ein verbindendes Glied zwischen Berlin und München«, so Erichsen. Friedrich der Große etwa unterstützte während der Schlesischen Kriege den Kurfürsten von Bayern bei dessen Ringen um die deutsche Kaiserkrone, und als das Haus Habsburg versuchte, im Gegenzug Ansprüche beim weißblauen »Erzfeind« durchzusetzen, war es erneut der Alte Fritz, der im Bayerischen Erbfolgekrieg, auch »Kartoffelkrieg« genannt, den Wittelsbachern zu Hilfe eilte. Nie haben sie den Preußen diese Hilfe vergessen. Im 19. Jahrhundert schritt man gar zu Ehebündnissen. Königin Elisabeth, Gemahlin Friedrich Wilhelms IV., des Romantikers auf dem Thron, war eine Wittelsbacherin (das Paar ruht in der Potsdamer Friedenskirche), die preußische Prinzessin Marie war Mutter König Maximilians II. von Bayern.
Vor der Abreise
»Zehn Pfund hab ick zujenommen! Wenn sich nur mein bayrisches Fett mit meinem preußischen Fett verträgt.«
Historisch wichtig war die Hilfe, die 1871 der bayerische »Märchenkönig« Ludwig II. – übrigens gegen Gewährung von Sonderrechten und einer millionenschweren Entschädigung, die Bismarck aus seinem »Reptilienfonds« bezahlte – seinem Onkel, dem preußischen
SeitenanfangNächste Seite


   88   Geschichte und Geschichten Bayern und Preußen  Vorige SeiteNächste Seite
König Wilhelm I., bei der Erlangung der Kaiserwürde gewährte.
     »Mit dem Aufstieg Preußens begann der Abstieg Bayerns. Auf beiden Seiten wurde ein Popanz aufgebaut, an dem wir mit unserer Ausstellung sägen wollen.« Vorurteile und Aversionen gab es überall, sichtbar etwa in zahllosen Karikaturen aus der Kaiserzeit, die die hochnäsigen »Preuß'n« den angeblich unterentwickelten Bayern gegenüberstellen. Pickelhaube und Weißwurst seien nun einmal unvereinbar, auch wenn in Berlin versucht werde, bayerisches Bier nachzuahmen, und die Preußen sich als Kulturbringer im Alpenland aufspielen. Bruno Paul läßt im Münchner »Simplizissimus« als »Bayern verkleidete« Berliner Sommerfrischler 1898 sagen: »Ich hatte nicht gedacht, daß man in den Straßen dieser Stadt doch so viele jebildet aussehende Leute treffen würde.« »Janz einfach zu erklären: drei Ferien-Sonderzüge aus Berlin heute anjekommen.«
SeitenanfangNächste Seite


   89   Geschichte und Geschichten Bayern und Preußen  Vorige SeiteAnfang
Witze und Spottbilder

Antipreußischer Schimpf, hinter dem sich auch ein Stück Angst vor Kulturkämpfern und Säbelrasslern und das Verlangen, Eigenständigkeit zu betonen, verbarg, stamme »erst richtig« aus der Zeit Wilhelms II., sagt Johannes Erichsen. Das imperiale Gehabe des Kaisers, aber auch der metropolitane Anspruch Berlins, etwa als Kunststadt Nummer 1 in Deutschland, ärgerten die noch stark bäurisch geprägten Bewohner des weißblauen Königreichs und gaben Stoff für zahllose Witze und Karikaturen, die wohl bis heute noch in Klischees und Vorurteilen nachwirken. Während ein schneidiger Wilhelm Zwo dem schlottrig daherhinkenden Prinzregenten Ludwig beim Kaisermanöver zackig »feindliche Stellungen« erklärt und sich preußische Gardeoffiziere über den bayerischen Dialekt als »Geburtsfehler« mokieren, hat ein gerade am Bahnhof Friedrichstraße angekommener Bayer in Lederhose Mühe, seine Rauflust zu unterdrücken.
     Was sich unterhalb der »Herrscherebene« abspielte, soll unter anderem durch Schützenscheiben belegt werden. Wie kaum ein anderes Medium illustrieren diese mit Bildern bemalten Tafeln von hochgestellten Personen und Szenen aus dem politischen Alltag, etwa von der Revolution 1848, dem Krieg von 1866 oder von Attentaten auf Wilhelm I. und Bismarck, das Auf und Ab in

den Beziehungen zwischen beiden Ländern. Selbstverständlich werden solche Karikaturen in der Ausstellung gezeigt, während das frühe 20. Jahrhundert vor allem in Videofilmen und Tonbandaufzeichnungen auflebt.

Informationen zur Ausstellung »Bayern & Preußen« in der Bayerischen Landesvertretung, Behrenstraße 21–22, 10117 Berlin,
Telefon: 030/ 20 26 55 00

Bildquellen:
Karikatur 1: Postkarte, 1913 (Stempeldatum)
Karikatur 2: Jugend, München, 9. Juli 1912
Karikatur 3: Simplicissimus, Aug./Sept. 1898
Karikatur 4: Simplicissimus, Dezember 1899
Karikatur 5: Jugend, München, 3. September 1912

SeitenanfangAnfang

© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de