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Helmut Caspar
Denkmalpreis für »Fidushaus«

»Künstler alles Lichtbaren« wurde der Buchillustrator, Maler und Verleger Hugo Höppener (1868–1948) genannt, in seiner Zeit besser bekannt als Fidus. Fast unverändert ist in Woltersdorf bei Berlin (Landkreis Oder-Spree) das um die Jahrhundertwende erbaute Wohn- und Atelierhaus erhalten. Der Zeichner luftiger Lichtgestalten mit dem programmatischen Künstlernamen »Der Getreue« war auch Vorkämpfer lebensreformerischer Ideen von Freikörperkultur und Naturheilkunde bis zur vegetarischen Kost. Die seit 1994 laufenden Mühen um dieses Gebäude und seinen Garten wurden Ende 1998 mit der Verleihung des Brandenburgischen Denkmalpflegepreises gewürdigt.
     Bei der Preisverleihung sprach der brandenburgische Kulturminister Steffen Reiche die Gewißheit aus, daß mit dem Erhalt des baulichen und archäologischen Erbes die Anziehungskraft der Städte, Dörfer und Landschaften und damit auch ihre wirtschaftliche Situation verbessert werden kann. Er wolle sich auf Bundesebene dafür einsetzen, daß die bisherigen steuerlichen Erleichterungen für Sanierungs- und

Restaurierungsarbeiten beibehalten werden. »Wer hier investiert, steckt sein Geld in kein Schlupfloch, sondern trägt wesentlich dazu bei, wertvolles Kulturerbe im Interesse der Allgemeinheit zu erhalten«, sagte Reiche. Was da erreicht werden kann, zeige das sorgsam wiederhergestellte »Fidushaus«, über dessen Verwendung als Kulturzentrum oder Künstlerhaus noch nachgedacht wird, da der jetzige Besitzer, Hans Bischoff, Inhaber einer Samenhandlung in Berlin, das im Unterhalt nicht ganz billige Anwesen abgeben möchte.

Haus eines »Malerpredigers«

Das inhaltliche und finanzielle Engagement des Bauherren, der ohne staatliche Hilfe auskam, und der vorsichtige Umgang mit der historischen Substanz seien vorbildlich und sollten viele Nachahmer finden. Sanierung und Restaurierung hätten den Architekten und Baufirmen viel Einfühlungsvermögen und hohes handwerkliches Können abverlangt. Die Mühe habe sich gelohnt, denn das Woltersdorfer Künstlerhaus sei in besonderer Weise geeignet, Kunstauffassung und Lebensweise in der Zeit des Jugendstils und der Reformbewegung nach der Jahrhundertwende zu dokumentieren und auch den seinerzeit ebenso verehrten wie verkannten »Malerprediger« Fidus aus der Vergessenheit zu holen.

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Bei den unumgänglichen Eingriffen in das »Fidushaus« gingen Bauherr, Architekt und Handwerker überaus schonend und feinfühlig vor, wie die Jury bei der Begründung ihres Vorschlags für den Denkmalpreis hervorhob. Annäherung an den historischen Zustand bei gleichzeitiger Verwendung der Originalteile, die allenfalls ergänzt und ausgebessert wurden, waren oberstes Gebot. An der Köpenicker Straße in Woltersdorf errichtet, etliche Meter in einem Garten zurückversetzt, unterscheidet sich der Bau mit seinen großen Atelierfenstern, einem spitzen Giebel und der kräftigen blauen Bemalung der Fachwerkbalken und Fensterrahmen von den üblichen Wohnhäusern in der Umgebung. Durch langen Leerstand hatte das Wohn- und Sterbehaus des im Alter völlig verarmten Künstlers stark gelitten. Daß das »Fidushaus« seit 1977 unter Denkmalschutz stand, hatte außer ehrenvoller Erwähnung keine praktischen Auswirkungen. Der Verfall schritt voran. Der Berliner Architekt Martin Eichmeyer erinnert sich an die mühevolle Bauaufnahme, an die schlimmen Schäden am Dach und in den durchfeuchteten Wänden. Der Putz bröckelte, und die Fenster schlossen nicht mehr. Bei der Wiederherstellung des seit 1940 unbeheizten, seit 1988 unbewohnten Hauses hat der Bauherr die Parole ausgegeben: »Wir sollten weitestmöglich den Zustand erreichen, wie er ursprünglich bestanden hat.« Die elektri- sche Anlage und die Heizung sind erneuerungsbedürftig gewesen, hingegen hat sich gezeigt, daß die Holzvertäfelungen im Inneren, die Holzeinbauten, Türen und Treppen nur punktuell geschädigt waren. Unter aufblühenden Schellackanstrichen und dicken Schmutzschichten hat man das urspüngliche Holz präparieren können. Positiv zu bewerten sei, so der Architekt, die insgesamt gute Grundsubstanz des Gebäudes, dessen Anstriche, Einbauten und Beschläge sich bis heute im wesentlichen unverändert erhalten haben. »Dies mag damit zusammenhängen, daß das Haus aufgrund fehlender Heizung im Winter nur wenig bewohnt war. Hinzu kam, daß Fidus' Hinterbliebene von einer heutzutage kaum nachvollziehbaren Genügsamkeit waren sowie Geld- und Materialmangel alles beim alten ließen.« So ist beispielsweise auch die Küche in ihrer urtümlichen Ausstattung erhalten.

Medaille für Villa Lemm

Die Ferdinandvon- Quast- Medaille, Berlins höchste Auszeichnung auf dem Gebiet von Denkmalschutz und Denkmalpflege, wurde unlängst dem Besitzer der Villa Lemm in Gatow für die beispielhafte Wiederherstellung des Gartens und dem Verein zur Förderung der Waldorfschule Berlin- Südost e. V. für die denkmalgerechte Umnutzung einer ehemaligen Textilfabrik im Treptower

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Das preisgekrönte »Fidushaus« in Woltersdorf bei Berlin
Ortsteil Niederschöneweide verliehen. In dem einen wichtigen Zeugnis Berliner Industriearchitektur sei das Geld erwirtschaftet worden, das gewissermaßen in dem anderen Zeugnis großbürgerlichen Wohnens ausgegeben wurde, bemerkte Umweltsenator Peter Strieder bei der Verleihung. Das Ehepaar Hartwig und Maria-Theresia Piepenbrock hätten die 1907/08 erbaute, nach dem Zweiten Weltkrieg als Residenz des britischen Stadtkommandanten genutzte und dabei stark veränderte Villa Lemm vor dem Verfall gerettet. Mit fachlicher Unterstützung des Landes- denkmalamtes seien Ein- und Umbauten aus der Nachkriegszeit beseitigt und das Gebäude sowie der prächtige Garten mit Blick zum Grunewaldturm wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt worden. Mit Millionenaufwand wurden in Analogie zu historischen Aufnahmen die Terrassenanlage, die alten Sichtbeziehungen, Wege, eine Lindenallee sowie ein Rosengarten in der Form von 1920 wiedergewonnen. Außerdem wurden Einbauten der Briten – ein Swimmingpool und ein Tennisplatz – beseitigt.
     Die nach dem 1920 verstorbenen Fabrik-
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Mit Lichtgestalten wurde der Künstler und Lebensreformer Hugo Höppener, genannt Fidus, populär
besitzer Otto Lemm benannte Villa erinnert an einen kultur- und stilbewußten Unternehmer, der mit der Herstellung von Schuhpflege- und Metallputzmitteln viel Geld verdiente und sich am Rande der Reichshauptstadt ein hochherrschaftliches Domizil schuf. Nach Angaben des Gartendenkmalpflegers Klaus von Krosigk gehört das Anwesen zu den bedeutendsten Bau- und Gartendenkmalen Berlins in der Epoche Kaiser Wilhelms II., von denen es nur noch ganz wenige Beispiele gibt. Als Dokument der Landhausbewegung und Werk des bislang wenig erforschten Berliner Architekten Max Werner sei der Landsitz von großem wissenschaftlichem Wert. Historisch bedeutsam sei die Villa Lemm als Wohnort des seinerzeit bekannten Arztes Janosch Plesch und Treffpunkt von Künstlern und Gelehrten wie Kreisler, Slevogt, Haber und Einstein, der hier gelegentlich vor illustrem Publikum musizierte. Nachdem Plesch schon 1933 nach England emigriert war, wurde der Landsitz 1939 als sogenannter Feindbesitz enteignet, nach Kriegsende jedoch den Eigentümern zurückgegeben, von denen die Stadt Berlin das Anwesen übernahm. Bis 1990 Residenz
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des britischen Stadtkommandanten, nächtigte in edlem, aber nicht mehr authentischem Ambiente auch Queen Elizabeth II.

Umgewidmete Fabrik

Die zweite nach Ferdinand von Quast (1807–1877), dem ersten, 1843 von König Friedrich Wilhelm IV. berufenen »Konservator der Kunstdenkmale des preußischen Staates«, benannte Medaille ging an den Waldorf- Verein, der die marode, aus gelbem Backstein gefügte Textilfabrik vor dem Verfall bewahrt hat und seit 1993 bei laufendem Unterricht eine vorsichtige Sanierung durchführte. Sie schloß die sägezahnartigen Dächer mit Oberlicht und Zierbänder aus verschiedenfarbigen Ziegeln ebenso ein wie einen für den Unterricht eigentlich unnützen Wasserturm, der in Fabrikzeiten die Maschinen versorgte. Wie der Berliner Landeskonservator Jörg Haspel betont, sei die nun umgewidmete Fabrik im Bruno- Bürgel- Weg 9–11 in Niederschöneweide ein wichtiges Beispiel für die Randwanderung der Berliner Industrie um die Jahrhundertwende, für die die Innenstadt zu klein geworden war. Viele dieser für Berlin so charakteristischen Zeugnisse der Arbeits- und Industriekultur seien akut gefährdet oder unterlägen einem hohen Veränderungsdruck. Der Waldorf- Verein habe mit seinem einfühlsamen Vorgehen gezeigt, daß sich Bedürfnisse des Denkmalschutzes und eine

neue Nutzung sehr gut unter einen Hut bringen lassen. Auch Haspel warnt vor Einschränkung der steuerlichen Begünstigungen für Denkmaleigentümer und begrüßt, daß das Land Berlin sich mit den anderen Bundesländern bei der Bundesregierung für deren Fortschreibung bemühen will. »Denkmalschutz ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, denn jede hier investierte Mark verzehnfacht sich, ganz abgesehen von den kulturellen und identitätsstiftenden Wirkungen.«

Foto und Repro: Caspar

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© Edition Luisenstadt, 1999
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