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Hans Aschenbrenner
5. Februar 1919: Zeitungen und Post kommen durch die Luft

Als Deutschland noch von schweren Nachkriegswirren erschüttert wird, überrascht eine Nachricht die Berliner: Erstmals werden per Flugzeug 4 000 Exemplare der »B. Z. am Mittag« und Briefpost von Berlin nach Weimar und Leipzig gebracht. Vom Reichsluftamt ermächtigt, eröffnet die Deutsche Luft- Reederei für die Dauer der nach Weimar einberufenen Nationalversammlung zwischen den Städten einen planmäßigen öffentlichen postalischen Luftverkehr. Amtliche Aushänge und auch Tageszeitungen informieren über die Bedingungen.
     So ist in der »Vossischen Zeitung« vom 5. Februar zu lesen: »Die Flugzeuge sollen in Berlin um 7 Uhr vorm. und um 1 Uhr nachm. nach Weimar starten, wo sie nach etwa zweistündiger Fahrtdauer landen werden. Die Beförderung in der Gegenrichtung ist um 9.30 Uhr vorm. und um 2.30 nachm. geplant. Die Dauer der Beförderung in der Luft wird etwa zwei Stunden in Anspruch nehmen.« Zur Beförderung sind

Zeitungen und Briefe bis zum Gewicht von 250 Gramm zugelassen. Die Briefe müssen den Vermerk »Durch Flugzeug« und die Adresse des Absenders neben der üblichen Briefaufschrift tragen; sie kosten bis zum Gewicht von 20 Gramm 1 Mark, darüber 1,50 Mark. Die Annahme der Briefe findet in Berlin nur bei den Postämtern W. 8 (Französische Straße), W. 9 (Linkstraße), W. 66 (Mauerstraße), SW. 68 (Lindenstraße) und beim Hauptpostamt C. 2 (Königstraße) statt.
     »Auf diesen Postämtern«, so heißt es in der Zeitungsnotiz weiter, »werden die Briefe an besonders hierfür bestimmten Schaltern ausgeliefert und auf dem schnellsten Wege zum Briefpostamt C. 2 befördert, von wo aus die gesammelten Briefe in besonderen Kraftwagen nach dem Flugplatz Johannisthal gebracht werden.« Beim Ausfall eines Fluges, auch das ist eingeplant, werden die Sendungen mit der nächsten Postverbindung befördert. Am Bestimmungsort werden sie stets durch Eilboten ausgetragen.
     Alles muß möglichst reibungslos funktionieren, damit der Premierenflug am 5. Februar ein Erfolg wird. Briefpost zum Flughafen zu bringen, ist nicht das Problem, aber was ist mit den Zeitungen? Kurz nach 12 Uhr sind die 4 000 Exemplare im Ullsteinhaus fertiggestellt, in acht Pakete zu je 500 Exemplaren verpackt und verschnürt. Die Zeitungsköpfe tragen den roten Stem-
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pelaufdruck »Durch Flugpost befördert«.
     Die Tatsache, daß Zeitungspakete, die für Leipzig bestimmt sind, über dem Mockauer Flugplatz abgeworfen werden sollen, hat die Frage ausgelöst, ob sie das überstehen werden. Die Probe aufs Exempel: Aus dem vierten Stockwerk wird ein Paket auf den asphaltierten Hof geworfen. Es bleibt unversehrt. Rasch werden die acht Pakete mit den roten aufgeklebten Zetteln »Flugplatz Leipzig«, »Flugplatz Weimar« in ein bereitstehendes Auto verstaut und nach Johannisthal gebracht, wo es noch einmal Aufregung gibt, denn die Erlaubnis zum Start trifft erst im letzten Augenblick ein.
     Vom 6. Februar an starten die Flugzeuge zweimal am Tag. Die Frühmaschinen haben die »Berliner Morgenpost« und die Morgenausgabe der »Vossischen Zeitung« im Gepäck. Die Blätter können, wenn alles gut geht, noch vor Sitzungsbeginn in den Händen der Abgeordneten sein.
     Für die Briefpost ist der Zeitgewinn enorm. Hatte ein gewöhnlicher Brief von Berlin nach Weimar bisher beinahe 24 Stunden gebraucht, so werden jetzt für die Beförderung nur noch vier Stunden benötigt: außer den beiden Flugstunden noch eine Stunde für die Beförderung nach Johannisthal und eine weitere für die Eilbotenzustellung in Weimar.
     Während in den USA zu jener Zeit bereits ein weitverzweigtes Luftpostnetz existierte,

»Vossische Zeitung« mit dem Stempel »Durch Flugpost befördert«

in das auch Zeitungen einbezogen waren, war in Europa der regelmäßige Zeitungsdienst auf dem Luftwege noch neu. Ein gerade erst geschaffener Flugpost- Dienst zwischen Paris und London beschränkte sich auf den Post- und Aktentransport. Die Bedeutung der regelmäßigen Flüge zwischen Berlin und Weimar wurde deshalb auch darin gesehen, möglichst viele Erfahrungen zu sammeln.

Bildquelle: Archiv

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