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Heinrich Lange
Königin Luises Lieblingsplatz

Im Sommer 1808 und 1809 hielt sich die preußische Königsfamilie, Friedrich Wilhelm III. (1770–1840, König ab 1797), Königin Luise (1776–1810) und deren Kinder, während ihres durch die napoleonische Besetzung erzwungenen Exils in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, auf dem Gut Luisenwahl auf. Das Gut und der dazugehörende herrliche Park haben ihren Namen dennoch nicht von der Königin Luise.
     Der Kirchen- und Schulrat Gotthilf Christoph Wilhelm Busolt (1771–1831) erwarb 1796 das damals noch außerhalb der Stadt gelegene Gut Pojenters und nannte es seiner Gattin zu Ehren Luisenwahl. Der im gleichen Jahr verstorbene Vorbesitzer war der Stadtpräsident, Geheime Kriegsrat und Schriftsteller Theodor Gottlieb von Hippel (1741–1796), der das Landhaus auf den Hufen am Nordende des Parks zehn Jahre zuvor gekauft und vom Chausseehaus der Alten Pillauer Landstraße einen Bohlensteg angelegt hatte, der die Benutzung des Landweges, die spätere Hufenallee und den heutigen Miraprospekt, auch bei Regen ermöglichte.

Königin Luise
In dem bescheidenen Haus logierte die Königsfamilie. Königin Luise, die der Dichter Heinrich von Kleist (1777–1811), einer ihrer glühendsten Bewunderer, in der für Preußen so finsteren Zeit einen »Stern in Wetterwolken« genannt hat, schrieb aus Luisenwahl an ihre Freundin Frau von Kleist: Sie werden gestehen müssen, daß das gerade keine königliche Wohnung ist, aber in dieser abscheulichen Zeit ist man glücklich, wenigstens das noch zu haben; ... Der Garten ist hübsch,
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die »von den nach Hause kehrenden Prinzen mit einem Strauß Kornblumen beschenkt« wird, wie die Bildlegende mitteilt. Bei den Prinzen handelt es sich um den späteren König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861, König von 1840–1858) und Kaiser Wilhelm I. (1797–1888, König ab 1861, Kaiser ab 1871).
     Das Gutshäuschen »Auf den Huben bei Königsberg«, wo vieles an das heimatliche Paretz erinnerte, war aber mehr als ein Hort der Ruhe. Hier wurde unter anderem mit den großen Reformern Freiherr vom Stein (1757–1831), von Scharnhorst (1755–1813) und von Gneisenau (1760–1831) über die Zukunft und Erneuerung Preußens beraten. Hier erteilte der alte Kriegsrat Johann George Scheffner (1736–1820) der Königin Geschichtsunterricht, hier las sie Schillers »Dreißigjährigen Krieg«. Im Kreise jener, die von 1807 bis 1813 in Königsberg zusammenkamen, war Scheffner ein mächtiger Ansporner zu der hier heranreifenden geistigen und moralischen Erhebung der Befreiungskriege.
     Das zum Luisenhaus gewordene Landhaus wurde 1829 durch den festen Ausbau der Hufenallee vom Park getrennt. Der höchste Punkt des Parks beiderseits der romantischen Hufenfreigraben- Schlucht mit Aussicht auf das Pregeltal war Königin Luises Lieblingsplatz. Hier stand das am 2. September 1874 eingeweihte Luisendenkmal, eine von den bekannten Gebrüdern Huth in
Luisenkirche in Königsberg, Postkartenausschnitt, 1901
ich halte mich gern darin auf, und diese Ruhe in der Nähe der Natur tut mir gut.
     Das Gutshaus erscheint auch als Motiv einer Postkarte des Verlags Otto Ziegler in Königsberg Anfang dieses Jahrhunderts.
     Der seinerzeit populäre Bildband »Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt« (Berlin 1896) enthält eine aquarellierte Zeichnung des wilhelminischen Militärmalers Woldemar Friedrich (1846–1910), die auch die »Königin mit der ältesten Prinzessin am Arme« zeigt,
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Die Königin wird von den heimkehrenden Prinzen mit einem Strauß Kornblumen beschenkt
Berlin gestiftete Pergola mit Bank aus Zementsteinen und Ziervasen auf den seitlichen Podesten und von dem Steinmetzmeister Bellert nach dem Modell von Christian Daniel Rauch (1777–1857) ausgehauener Marmorbüste der Königin in einem zentralen Medaillon und der Inschrift: »Dem Genius Preußens – Der unvergeßlichen Königin Luise – Die Königsberger Bürger 1874.«
     Die Büste selbst stiftete Kaiser Wilhelm I. Er hatte anläßlich seiner Krönung in Königsberg 1861 – in Erinnerung an seine Jugendzeit, in der er mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder im Gutshaus gewohnt hatte – Luisenwahl besucht und das Anwesen 1872
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gekauft. Es gehörte seit 1899 zur Krone, bis es 1914 Kaiser Wilhelm II. (1859–1941, Kaiser von 1888–1918) der Stadt überließ. Der Platz vor dem Luisenhaus wurde 1906 in einen Schmuckplatz umgestaltet und Busoltplatz benannt.
     Der weitläufige, einst von Stadtpräsident von Hippel im englischen Stil angelegte Landschaftspark ist auch heute noch als Teil des Kulturparks Kalinin ein beliebter Anziehungspunkt für die russische Bevölkerung. Durch seine Größe, den beeindruckenden, auch alten Baumbestand und die Wasserläufe erfüllt er die wichtige Funktion als eine der grünen Lungen der Stadt.
     Während das Luisenhaus nahe dem Miraprospekt nicht überdauert hat, ist das Luisendenkmal inmitten der zur Zeit der Errichtung angepflanzten Rotbuchen noch teilweise erhalten. Die direkt vor der Pergola befindliche kleine Grünbuche ist mittlerweile zu einem ansehnlichen Baum herangewachsen. Die Marmorbüste der Königin und die Ziervasen sind verschwunden. Vor einigen Jahren haben junge Russen, die bereits mehrere Denkmäler wiederhergestellt haben, hinter der Pergola Fragmente des Medaillons, in dem die Rauchsche Büste stand, ausgegraben. Daß es sich bei dem unweit des Luisendenkmals gelegenen Blockhaus mit Blechdach um die Reste des Kaiserflügels des berühmten Jagdhauses Wilhelms II. in der Rominter Heide handelt, will man nicht recht glauben. Doch ist die Identifizierung anhand alter Fotografien
zweifelsfrei. Den 1890/91 im Blockhausstil aus Kieferrundhölzern in Norwegen vorgefertigten Kaiserflügel ließ ein russischer General nach dem Zweiten Weltkrieg versetzen, allerdings ohne das dem Bau die ausgewogenen Proportionen verleihende Fundamentgeschoß aus Feld- und Ziegelsteinen, die Balkone, die Kamine und nicht zuletzt die charakteristischen Drachenköpfe am Dachgiebel. Der traditionelle nordländische Baustil hatte es dem Kaiser auf seinen Skandinavienreisen angetan.
     Die einst im Park des Jagdhauses in Rominten stehende, von Professor Richard Friese geschaffene Bronzeplastik des stärksten vom Kaiser erlegten Hirsches, eines Sechzehnenders, hat es ins belorussische Smolensk verschlagen. Der Rest des ehemaligen Kaiserflügels dient heute der Parkverwaltung als Büro und vielen Besuchern als Aufenthaltsort für Brettspiele und anderes.
     Idyllisch und beliebt sind noch heute die unterhalb des Jagdhauses befindliche alte Fußgängerbrücke und der steile Treppenaufstieg am Schluchthang, vor dem die zerbrochene Fassung der eisenhaltigen Quelle verblieben ist. Letztere hat ein Bruchstück eines Grabsteins freigespült, das von der Einplanierung der oberhalb gelegenen Friedhöfe zeugt.
     Am Nordende des aufgelassenen Friedhofs liegt direkt an Luisenwahl die vormalige Königin- Luise- Gedächtniskirche – bereits
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Luisendenkmal heute
im Jahr der Einweihung ein Postkartenmotiv. Dieses Gotteshaus, mit Spenden wohlhabender Bürger in neuromanischem Stil erbaut, wurde am 9. September 1901 in Gegenwart des Kaiserpaares geweiht. Die Luisenkirche war die erste Jubiläumskirche, die zur Erinnerung an das 200jährige Bestehen des Königreiches Preußen in der Provinz Ostpreußen errichtet wurde. Daran erinnerte auch die Inschrift der vom Glockengießer Franz Schilling aus Thüringen für die Turmuhr gestifteten Uhrschlagglocke. Die im Zweiten Weltkrieg stark beschädigte und in den 70er Jahren zum russischen Puppentheater umgebaute Kirche ist in ihrem Äußeren weitgehend unverändert.

Bildquellen:
Archiv LBV; Archiv Autor; Carl Roechling, Richard Knötel und Woldemar Friedrich, Die Königin Luise in 50 Bildern für Jung und Alt, Berlin 1896

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© Edition Luisenstadt, 1999
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