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Hainer Weißpflug
Visionär, Förderer und Gestalter Berlins

Der Ehrenbürger Edzard Reuter
(* 16. Februar 1928)

Am 20. Mai 1998 wurde Edzard Reuter mit der Ehrenbürgerwürde Berlins geehrt. In seiner Laudatio würdigte ihn der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, als Visionär, Macher, Förderer und Gestalter Berlins.
     Besonders hervorzuheben ist seine Entscheidung für die Errichtung der Debis- Zentrale am Potsdamer Platz noch vor Öffnung der Berliner Mauer im Herbst 1989. Reuter selbst schreibt in seinem Buch »Schein und Wirklichkeit«: »Es war wohl im Frühsommer 1989. In Berlin regierte eine rotgrüne Koalition unter Walter Momper. Schon seit einiger Zeit hatte ich begonnen, mir Gedanken zu machen, in welcher Weise unser Konzern ein deutlich sichtbares Zeichen der Zuversicht in die wirtschaftliche und politische Zukunft der Stadt setzen könnte ... Als ideale Lösung schwebte mir vor, gewisse Leitungsfunktionen des Konzerns nach Berlin zu verlegen ... Gemeinsam mit Peter-Hans Keilbach, der inzwischen das Werk in Marienfelde


Edzard Reuter

leitete, machte ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Areal. Zunächst konzentrierte sich unser Interesse auf das >Lenné- Dreieck< am Potsdamer Platz ... bis wir uns entschlossen, eine anderweitige Möglichkeit am Potsdamer Platz zur Diskussion zu stellen, mit der sich der Senat bereits in der vorangegangenen Regierungszeit beschäftigt hatte ...« (S. 289) Heute steht an dieser Stelle auf dem inzwischen mit immer

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mehr Leben erfüllten Potsdamer Platz die realisierte Vision Reuters. Stets begleitete er mit Interesse und manchem kritischen Rat die Entwicklung der Stadt und engagierte sich in zahlreichen Berliner Institutionen, wie dem Bauhaus- Archiv, der Deutschen Oper, dem Aspen- Institut, der Karl-Hofer- Gesellschaft und als Aufsichtsratschef der Berliner Bank bzw. der Berliner Bankgesellschaft. Maßgeblich gefördert hat er auch den Wiederaufstieg Berlins als Bankenplatz. Als Unternehmer war er sich der hohen Verantwortung für die Allgemeinheit stets bewußt.
     Edzard Reuter, geboren am 16. Februar 1928 in Berlin, ist der Sohn von Ernst Reuter (1889–1953), dem ersten Oberbürgermeister und späteren Regierenden Bürgermeister von Westberlin. Seine Mutter Hanna Reuter, geborene Kleinert (1899–1974), war in den zwanziger Jahren Sekretärin beim sozial- demokratischen »Vorwärts«. Die frühe Kindheit und die Schulzeit Edzard Reuters waren geprägt von der Verfolgung des Vaters durch die Faschisten in Deutschland und die fast zwölf Jahre währende Emigrantenzeit in der Türkei. In seinem obengenannten Buch schreibt er, daß auch die Zeit der Emigration von der politischen Entwicklung in Deutschland und Europa mitbestimmt war: »... trotz unseres nach außen in ungestörter bürgerlicher Ruhe verlaufenden Lebens wußten sie (Ernst und Hanna Reuter H. W.) und mit ihnen der heranwach-
sende Sohn zu jeder Sekunde, daß ihr Schicksal untrennbar mit der politischen Entwicklung um sie herum verknüpft war.« (S. 49)
     Nach dem Zusammenbruch Hitler- Deutschlands kehrte die Familie nach Berlin zurück, und Ernst Reuter engagierte sich für eine Normalisierung des Lebens im Nachkriegs- Berlin und hatte großen Anteil an der politischen Entwicklung der Stadt. Der Sohn Edzard studierte ab 1947 Mathematik und Theoretische Physik an der Berliner Universiät (seit Februar 1949 Humboldt- Universität zu Berlin). Schon als Kind ständig mit politischen Fragen konfrontiert, konnte und wollte er sich auch hier nicht den gesellschaftlichen Prozessen entziehen. »Berlin und seine Bevölkerung wurden täglich mehr zum Mittelpunkt einer Krise in den Beziehungen zwischen den Siegermächten des Weltkrieges« (S. 61), schreibt er rückblickend über diese Jahre. Er wechselte schließlich nach Göttingen. Von 1949 bis 1952 absolvierte Edzard Reuter ein rechtswissenschaftliches Studium an der Freien Universität Berlin. 1955 legte er die Große juristische Staatsprüfung ab und war von 1954 bis 1956 Assistent an der Universität. Von 1957 bis 1962 arbeitete er als Prokurist der Ufa Berlin und danach als Mitglied der Geschäftsleitung der Bertelsmann Fernsehproduktion München. Ab 1964 gehörte er zum Vorstand und war von 1987 bis 1996 Vorstandsvorsitzender der Daimler-
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Benz AG. Reuter ist Aufsichtsratsvorsitzender der Mercedes- Benz AG Stuttgart, der Deutschen Aerospace AG, der AEG AG Frankfurt und der Berliner Bank. Darüber hinaus ist er Mitglied zahlreicher Aufsichtsräte. Er gehört dem Präsidium des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) an und ist Mitglied der Board of Directors Assocation der ACEA.
     Edzard Reuter ist Mitglied der SPD. In seinem schon mehrfach zitierten Buch schreibt er: »Ein Leben lang blieb ich der Sozialdemokratie verbunden. Das hat mich nie an dem Bemühen gehindert, über die Grenzen meiner Partei hinaus zu sehen. Manche Beobachter waren dennoch überrascht, daß mich stets ein Verhältnis wechselseitigen Vertrauens mit Helmut Kohl verband; er hatte das Glück, im richtigen Augenblick der Geschichte die Geschicke deutscher Politik zu leiten.« (S. 205) Edzard Reuter ist Senatsmitglied der Max-Planck- Gesellschaft und anderer wissenschaftlicher und kultureller Einrichtungen.
     Seine jahrzehntelange sportliche Betätigung ist auf das Segeln konzentriert.
     Im Laufe der Jahre, durch Erfahrungen und Wissen, durch Engagement und scharfsinniges Denken entwickelte er Prämissen seines Handelns, die er selbst wie folgt beschreibt: »Du bleibst dabei: der Primat der Politik ist unverzichtbar, wenn der Grundgedanke eines demokratischen Staatswesens nicht in Frage gestellt werden soll.
Sein Ziel ist einfach. Es lautet, sicherzustellen, daß das gemeine Wohl Vorrang vor den eigensüchtigen Interessen des einzelnen hat. Dies und nichts anderes ist die Aufgabe von Führungseliten, die einen solchen Namen verdienen. Diejenigen, die für Wirtschaftsunternehmen verantwortlich sind, zählen dazu.« (S. 454) Anschließend nennt er drei Vorhaben, deren Verwirklichung lebenswichtig sei: den Grundsatz der Chancengleicheit, die schrittweise Umstellung der bestehenden Sozialsysteme vom Generationsvertrag auf zumutbare Eigenvorsorge und die Integration der in Deutschland lebenden Ausländer.

Bildquelle: Archiv

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Berlinische Monatsschrift Heft 1/99
© Edition Luisenstadt, 1999
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