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Helmut Caspar
Neuer Präsident der Stiftung

Große Ziele hat sich der neue Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, gestellt: die Verschlankung der Verwaltung des von Bund und Ländern finanzierten Riesenunternehmens mit 17 Museen, der Deutschen Staatsbibliothek, dem Geheimen Staatsarchiv und weiteren Instituten, zügige Rekonstruktion der Museumsinsel einschließlich des Wiederaufbaus des Neuen Museums, sichtbare Fortschritte bei der Bestandserhaltung, engere Zusammenarbeit der einzelnen Einrichtungen der Stiftung und Anschluß an internationale Kommunikationssysteme sowie Rückführung kriegsbedingt verlagerter Bücher und Kunstwerke.
     Bis die Anfang 1998 durch Pensionierung von Werner Knopp frei gewordene Stelle des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz besetzt werden konnte, hatte es ein für alle Beteiligte unerquickliches Interregnum gegeben, verursacht durch langes Tauziehen zwischen Bund und Ländern um die Besetzung des vakanten Postens an der Spitze der bedeutendsten Kultureinrichtung in der Bundesrepublik Deutschland. Der Favorit der Regierung

Kohl, Christoph Stölzl, Direktor des Deutschen Historischen Museums, unterlag dem Wunschkandidaten der Länder, Klaus-Dieter Lehmann. Der Generaldirektor der Deutschen Bibliothek Frankfurt am Main (seit 1988) und der Deutschen Bücherei Leipzig (seit 1990) hatte zwischenzeitlich seine Kandidatur zurückgezogen, trat aber nach dem Regierungswechsel vom September 1998 erneut an und konnte sich schließlich Ende November 1998 durchsetzen.
     Daß er das einstimmige Votum von Bund und Ländern bekam, wertete der 1940 in Breslau geborene Bibliothekswissenschaftler bei seiner Vorstellung durch den Staatsminister für Kultur im Bundeskanzleramt und neuen Vorsitzenden des Stiftungsrates, Michael Naumann, als großen Vertrauensbeweis. »Ich freue mich auf die Aufgabe. Sie ist schon angesichts der Dimensionen, die die über die ganze Stadt verteilte Stiftung hat, eine große Herausforderung für mich«, sagte Lehmann, der seine berufliche Laufbahn als Physiker und Mathematiker begonnen hatte, um dann in die Bibliothekswissenschaft zu wechseln. Die Mitarbeiter der auf zwei Häuser Unter den Linden und an der Potsdamer Straße verteilten Deutschen Staatsbibliothek setzen denn auch große Hoffnungen auf den neuen Präsidenten mit langer Erfahrung als Chef der in zwei Buchstädten sitzenden Deutschen Bibliothek und Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität
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Klaus-Dieter Lehmann
Frankfurt am Main. Daß er in Leipzig umfassende Erfahrungen in der Substanzerhaltung der denkmalgeschützten Deutschen Bücherei und ihrer kostbaren Bestände sammeln konnte, komme ihm jetzt in Berlin bei ähnlichen Herausforderungen sehr zugute, versichert Lehmann.
     Die neuen Aufgaben seien intellektueller, ökonomischer und technischer Natur, gelte es doch, nicht nur ein bedeutendes Erbe zu verwalten, sondern es auch zu erhalten, zu erforschen und damit breiten Kreisen in Deutschland und international bekannt zu machen. Bei der sich noch über Jahre hinziehenden Rekonstruktion der Museumsinsel und der Staatsbibliothek Unter den Linden,
an deren Umnutzung oder gar Abriß nicht gedacht wird, sowie dem Wiederaufbau des Neuen Museums als Entree zur Museumsinsel nach Chipperfields Plänen (BM 1/98) versteht sich der Präsident als »Weichensteller«; die Vollendung der Arbeiten werde er wohl erst als Pensionär erleben. Unabdingbar sei der Ausbau der Werkstattkapazitäten, denn viele Bücher und Bilder, Plastiken und Fundstücke befänden sich in einem bedenklichen Zustand und brauchten dringend restauratorische Hilfe. Da nicht alles aus Eigenmitteln finanziert werden kann, will sich Lehmann um Sponsoren kümmern. Wichtig sei, stärker als bisher die
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>Länder an der Arbeit der Stiftung zu beteiligen.
     Innerhalb der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dringt Lehmann auf stärkere Durchsetzung wirtschaftlicher Prinzipien. Er will kürzere Wege herstellen und schnellere Entscheidungen herbeiführen. Machbares sei anzustreben, ferne Ziele »irgendwo am Ende des Tunnels« seien ihm zuwider. Vordringlich sei es, daß sich die Einrichtungen der Stiftung besser aufeinander beziehen, ihre Möglichkeiten gemeinsam nutzen.
     Traditionelle Trennungen und Abgrenzungen seien nicht mehr zeitgemäß. Dieses Zusammengehen könne der Ausstellungsarbeit, der Forschung und der Bestandserhaltung nur guttun. Angesichts knapper Kassen, immenser Aufgaben im Baubereich und bei der Bestandserhaltung sowie neuer geistiger und kulturpolitischer Herausforderungen im zusammenwachsenden Europa sind für Lehmann ein Abbau der Hierarchien und wirtschaftliches Denken unumgänglich. Dies will er durch Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Institute und Sammlungen erreichen, deren Direktoren er regelmäßig zum Rapport bitten will.
     Mit einem Seitenblick auf Michael Naumann, den Vertreter der Bundesregierung im Stiftungsrat, sprach Lehmann bei seiner Vorstellung als neuer Stiftungspräsident die Hoffnung aus, daß die bisher durch ministeriellen Erlaß verfügte Perso-
naleinsparung von zwei Prozent im Jahr aufgehoben wird. »Die wachsenden Aufgaben bei der Bestandserhaltung, aber auch bei der Nutzung neuer Medien und dem Einklinken in internationale Kommunikationsstränge lassen sich mit immer weiter reduziertem Personal nicht schaffen. Wir brauchen daher zusätzliche Spezialisten und werden in die Modernisierung unserer technischen Infrastruktur viel investieren. Nur so können wir auch im internationalen Kulturwettstreit mithalten.« Mit der Kraft seines Amtes und seiner jahrelangen Erfahrung im Umgang mit dem Thema Beutekunst will Lehmann versuchen, neue Wege zu ebnen, um bislang in Polen und Rußland zurückgehaltene Bücher und Kunstwerke nach Berlin zurückzuführen. Die Unterstützung von Naumann sei ihm gewiß. Die Frage, ob bei den diffizilen Verhandlungen auch an Kompensation in Form von Geld, technischer Hilfe oder musealen Gegenständen gedacht sei, beantwortete der Stiftungspräsident mit vielsagendem Schweigen.

Bildquelle: Foto Caspar

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Berlinische Monatsschrift Heft 1/99
© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de