33   Probleme/Projekte/Prozesse Erster automobiler Löschzug  Nächste Seite
Heinz Gläser
Erster automobiler Löschzug der Welt

Internationale Ausstellung für Feuerschutz und Feuerrettungswesen 1901 in Berlin

Die älteste Berufsfeuerwehr Deutschlands beging 1901 ihr fünfzigstes Jubiläum. Aus diesem Anlaß fand vom 25. Mai bis 15. September die »Internationale Ausstellung für Feuerschutz und Feuerrettungswesen« statt. Sie war die bis dahin weltweit größte Veranstaltung dieser Art und wurde im Ausstellungszentrum am Kurfürstendamm 150–156, zwischen Albrecht- Achilles und Nestorstraße, durchgeführt. 728 Aussteller aus 14 europäischen Ländern, aus Amerika und Japan zeigten auf über 80 000 m² Neuigkeiten auf dem Gebiet des Feuerschutzes und Rettungswesens zu Lande, zu Wasser, in der Luft und unter Tage. Gleichzeitig fand ein internationaler Kongreß über Feuerschutz und Rettungswesen statt. Vor internationalen Gästen zeigte die Berliner Feuerwehr damals als Gastgeber Proben ihres fachlichen Könnens.
     Die deutschen Berufsfeuerwehren wünschten sich schon lange eine solche Ausstellung. Nach Ablauf eines halben Jahrhunderts der professionellen Entwicklung des

Feuermelder »Berliner Bauart« der Firma Siemens & Halske mit Innenmelder
Feuerlöschwesens und der Brandbekämpfung und am Beginn eines neuen Jahrhunderts wollte man das Jubiläum nicht ungenutzt vorübergehen lassen. Der hohe Entwicklungsstand der deutschen Feuerlöschmittel- und Gerätehersteller sowie das damalige Versicherungswesen gaben für
SeitenanfangNächste Seite


   34   Probleme/Projekte/Prozesse Erster automobiler Löschzug  Vorige SeiteNächste Seite
das Gelingen einer internationalen Ausstellung und des integrierten Komgresses gute Aussichten.
     Schon zwei Jahre vorher, am 12. Juni 1899, nahm ein geschäftsführender Ausschuß für die Vorbereitung seine Arbeit auf. Geleitet wurde er vom Staatssekretär im Reichspostministerium von Podbielski. Schriftführer war der Berliner Branddirektor Giersberg. Die Unterstützung des deutschen Kaisers wurde zugesagt, und so konnte mit dieser Protektion schnell reges Interesse im
In- und Ausland gefunden werden. Wurde zunächst ein Kasernengelände auf dem Moabiter Exzerzierplatz als Ausstellungsgelände ins Auge gefaßt, bevorzugte man schließlich – wegen der steigenden Nachfrage der deutschen und der ausländischen Industrie – das größere Gelände in Wilmersdorf. In 102 Vorbereitungssitzungen wurden Ausstellungsort, Tagungsort des internationalen Kongresses und das Programm der Feierlichkeiten zum 50jährigen Bestehen der Berliner Feuerwehr festgelegt.

Die ermittelten Kosten lagen bei 594 000 Mark, 350 000 Mark wurden für die laufenden Kosten veranschlagt. Für knapp eine Million Mark wurde damals eine Schau der Superlative geplant.
     Das Programm der Ausstellung trug dem damaligen Entwick-

Ausstellungskoje der Firma Siemens & Halske für Feuermelder und Fernsprecheinrichtungen für die Feuerwehr und das Rettungswesen
SeitenanfangNächste Seite


   35   Probleme/Projekte/Prozesse Erster automobiler Löschzug  Vorige SeiteNächste Seite
Teilansicht der Ausstellung
lungsstand auf dem Gebiet des Feuerschutzes und des Rettungswesens Rechnung. Es gab sechs Fachgruppen. Die meisten Teilnehmer meldeten sich für die Ausstellungsgruppe I, Organisation des Feuerlöschwesens. 309 Aussteller zeigten die zweckmäßigste Feuerwehrbekleidung und -ausrüstung. Präsent in dieser Gruppe waren auch Fahrzeuge und Geräte, chemische Löschmittel und die Wasserversorgung. In der Gruppe II, Hilfe in Not und Gefahr, zeigten 64 Aussteller Neuigkeiten im Sanitätsdienst, im Rettungswesen in Bergwerken, auf Schiffen sowie beim Schutz vor Wasser. Die Gruppe III, Leistungen außerhalb der Berufstätigkeit, vereinte 41 Aussteller mit ihren Exponaten in der Dienstleistung Straßenreinigung, Straßenpflasterung und Schadensbeseitigung. Zur Jahrhundertwende war die Straßenreinigung in vielen Städten noch bei der Feuerwehr angesiedelt. Feuersicherheitstechnik zeigten 221 Aussteller in der Gruppe IV, die dem bautechnischen Brandschutz vorbehalten war. Die feuersichere Ausführung von Feuerungs- und Heizungsanlagen, das Schornsteinfegewesen und Feuerschutzvorrichtungen waren hier Schwerpunkt. In der Gruppe V, Wohlfahrtseinrichtungen für Feuerwehren, waren vier Anbieter präsent, während 88 Firmen in der Gruppe VI, Lehrmittel, Kunst und Literatur, konkurrierten.
     Auf dieser ersten wirklich bedeutenden Fachausstellung für das Feuerlöschwesen wurde auch der erste automobile Löschzug der Welt vorgestellt. Er kam von der Berufsfeuerwehr Hannover mit ihrem Leiter Branddirektor Reichel. (Reichel wurde später in Berlin der Nachfolger von Branddirektor Giersberg.) Automobile
SeitenanfangNächste Seite


   36   Probleme/Projekte/Prozesse Erster automobiler Löschzug  Vorige SeiteNächste Seite
Einzelfahrzeuge gab es bereits, auch hier bot die Ausstellung einige Exemplare.

Im Dioramengebäude: Feuer auf Kolossalgemälden

Für die Wahl des Ausstellungsareals sprachen die gute Verkehrsanbindung und die Größe des Geländes. Die durch das Gelände führende Cicerostraße wurde gesperrt und als zentrale Achse der Ausstellung genutzt. Besonderer Wert wurde auf eine gärtnerische Gestaltung gelegt. 1901 wurden eine Haupthalle, ein Dioramengebäude, Tribünen für Besucher, ein Steigehaus, Verwaltungsgebäude, Ställe und Remisengebäude sowie das Hauptportal und Nebenausgänge errichtet. Zwei Restaurants boten Platz für die zeitgleiche Versorgung von mehr als 50 000 Besuchern. Man richtete sich also auf einen Massenansturm ein. Zum Übungsgelände gehörten auch notwendige Besuchertribünen und ein Steigehaus für die Vorführungen von Einsätzen in Gebäuden, das Anlegen von Leitern und die Präsentation von Geräten. Ein kleiner See diente für verschiedene Druck- und Spritzenproben. Das Hauptportal wurde von zwei Türmen umgrenzt, im Musikpavillon nahe dem Hauptwirtschaftstrakt gab es Militär und andere Konzerte. Die Hauptausstellungshalle war überwiegend aus Stahl und Glas errichtet worden und bot viel Tageslicht. In der Form eines elf Meter hohen Doppel-T

hatte sie eine Ausstellungsfläche von 8 100 m2. Auch an Fahrrad- und Droschkenstände hatte man gedacht, Hundezwinger wurden errichtet, öffentliche Uhren aufgestellt. Auch eine gesonderte Objekt-, Freiflächen- und Wegebeleuchtung wurde installiert. Gas- und Wasserzuleitungen, Abwasserleitungen und Kanalisation wurden extra gelegt. Eine preußisch gründliche Planung, die dann auch den Erfolg dieser Ausstellung sicherte.
     Im Dioramengebäude wurde das Feuer in Verbindung mit Kunst und Gemälden gezeigt. Hier waren solche Modelle und Großgemälde (man nannte sie damals Kolossalbilder) ausgestellt wie der Brand des Turmes der St.-Lorenz- Kirche zu Nürnberg, der Brand in Hamburg vom 5. bis 8. Mai 1842, ein Waldbrand, der Brand der Borsig- Mühle in Moabit vom 9. Januar 1898, der Vulkanausbruch des Vesuv mit der Vernichtung der Stadt Pompeji am 24. August 79 n. Chr. und Erdölbrände in den Raffinerien von Baku am Kaspischen Meer. Ein Kolossalbild in der Größe von 15 x 11 Metern zeigte den »Scheiterhaufen des Hephästion«, errichtet durch Alexander den Großen zu Babylon 323 v. Chr. Seine Rekonstruktion nach Diodor erfolgte von Franz Jaffé, Königlicher Kreisbauinspektor. Gemalt wurde das Bild von F. Bukacz.
     Im Auftrage des Königlich Preußischen Ministeriums des Innern erschien zur Ausstellung die Schrift »Feuerschutz und Feuer-
SeitenanfangNächste Seite


   37   Probleme/Projekte/Prozesse Erster automobiler Löschzug  Vorige SeiteNächste Seite
Die Firma Gustav Ewald aus Küstrin stellte einen Gerätewagen vor, der auf Bestellung des Vorstandes der FF Groß- Lichterfelde gebaut wurde und für Hand- als auch für Pferdezug geeignet war
rettungswesen beim Beginn des XX. Jahrhunderts – Berichtswerk über die Internationale Ausstellung für Feuerschutz und Rettungswesen«. Dieses großformatige Werk enthält auf 500 Seiten eine ausführliche Beschreibung aller Ausstellungsobjekte, die Beschreibung der Bauten, die Beiträge des Kongresses, die Situationen in den Feuerwehren Europas und zeigt Neuheiten auf dem Gebiet des Feuerlöschwesens. Ergänzt wird das Werk durch einen 280 Seiten starken »Offiziellen Katalog der Internationalen Ausstellung für Feuerschutz und Feuerrettungswesen, Berlin 1901«.
     Der internationale Kongreß fand vom 6. bis 8. Juni 1901 statt. Über 1 500 Teilnehmer aus Europa, Amerika und Japan waren angereist. Sie diskutierten u. a. das Verhältnis der Feuerwehr zur Baupolizei, das Verhalten von Materialien und Konstruktionen im Feuer, über Erfahrungen beim Einsatz elektrisch betriebener Pumpen, pferdebespannter Spritzen und automobiler Dampffeuerspritzen. Die Zeit um die Jahr-
SeitenanfangNächste Seite


   38   Probleme/Projekte/Prozesse Erster automobiler Löschzug  Vorige SeiteNächste Seite
hundertwende war gekennzeichnet vom nahenden Ende pferdegezogener Spritzen, vom Siegeszug der wesentlich stärkeren Dampfspritzen und von ersten Testversuchen mit elektrischen Feuerlöschpumpen.
     Einen wesentlichen Raum in der Diskussion auf dem Kongreß nahmen auch die Probleme der Feuerversicherungen und des Feuerschutzes ein. Der Ruf nach staatlichen Feuerversicherungen wurde laut. Das Feuerlöschwesen und die Wasserversorgung bei extremen Witterungsbedingungen, besonders bei Kälte, wurde an Beispielen der Brandbekämpfung in Rußland diskutiert.
     Weitere Themenschwerpunkte waren die Feuersicherheit großer Warenhäuser, die Entwicklung von Gasspritzen und ihre Verwendung in Verbindung mit Hydranten, die Entwicklung der verschiedensten Schlauch-
Der Verlag M. Lazamo Witt gab zur Ausstellung mehrere Serien von Postkarten heraus.
SeitenanfangNächste Seite


   39   Probleme/Projekte/Prozesse Erster automobiler Löschzug  Vorige SeiteAnfang
materialien und der Einsatz der unterschiedlichen Kupplungsarten, der Gesamtkomplex der Selbstentzündung sowie die Erste Hilfe bei Unfällen am Brandplatz.
     Themen also, die die großen Feuerwehren der Welt zu dieser Zeit beschäftigten.

Als Zeichen des Grußes:
Präsentiert die Axt!

Die Berliner Feuerwehr war damals die einzige königliche (staatliche) Feuerwehr in Preußen und genoß deshalb eine besondere Stellung. Man erwartete von ihr auch Signalwirkungen in der Einsatzkraft, in der Ausbildung der Feuerwehrmänner und in der Ausrüstung und Ausstattung. Unter diesen Besonderheiten fanden auch die Feierlichkeiten zu ihrem 50. Bestehen statt, die fast eine Woche andauerten. Neu bei einer Feuerwehr – weil eben königlich preußisch – war der Zapfenstreich am Vorabend des Jubiläums auf der Hauptwache.
     Man gedachte zu Beginn der Feierlichkeiten der Toten der Berliner Feuerwehr und legte am 21. Mai 1901 an den Gräbern der drei ersten Berliner Branddirektoren Kränze nieder. Die im Beruf umgekommenen Kollegen erhielten Grabsteine mit dem Berufszeichen der Feuerwehr. Auf der Hauptwache Lindenstraße wurde unter freiem Himmel ein Festakt abgehalten, zu dem zahlreiche Ehrengäste erschienen waren. Als Vertreter von Kaiser Wilhelm II.

erschien Prinz Heinrich, der mit Branddirektor Giersberg die Front der angetretenen Mannschaften abschritt, wobei diese zum Zeichen des Grußes die Axt präsentierten.
     Ein Musikcorps war angetreten, und Militäroberpfarrer Goens hielt die Festansprache. »Er ganz besonders betonte den Dank der Bürgerschaft und der Väter der Stadt für das segensreiche Walten der Feuerwehr, die mutig und selbstvergessen ihrer Pflicht nachgehe, so wie die Soldaten in den Kampf für eine gute Sache zögen, bereit zu siegen und bereit zu sterben. Es sei ein edler Beruf, dem Höchsten zur Ehr und dem Menschen zur Wehr !«, schrieb das »Berliner Tageblatt« vom 10. Juni 1901. Zu den Gästen gehörten auch der preußische Innenminister von Hammerstein, Oberbürgermeister Kirschner und Polizeipräsident von Windheim. Für den neuernannten Minister von Hammerstein, der einen Erlaß des Kaisers verlas und Auszeichnungen vornahm, war es die erste Amtshandlung als Minister. Als höchste Auszeichnung wurde vom Polizeipräsidenten von Windheim verlesen, daß »Offiziere und Mannschaften in Zukunft auf Epaulettes und Achselklappen den Namenszug unter der Krone tragen« sollen.

Bildquelle:
Repros Autor

SeitenanfangAnfang

© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de