69   Novitäten Bahnhof »Ausstellung«  
Horst Wagner
10. Dezember 1928:
Neu: Der Bahnhof »Ausstellung«

Man fühlt sich in das rege S-Bahn- Baugeschehen jüngster Zeit versetzt, wenn man liest, was der »Berliner Lokal- Anzeiger« im Dezember 1928, zwei Tage vor Betriebsbeginn, über den neuen, uns heute als »Westkreuz« bekannten Bahnhof »Ausstellung« schrieb: »Das Gelände, das den Bahnhof umgibt, ist noch wüst. Man sieht unbebaute Flächen, alte und neue Gleisanlagen, Spuren großer Tief- und Brückenbauten.« Aber die neue Straße, welche den Besucher »nach wenigen Minuten« zum Nordtor der Avus, zum Ausstellungsgelände und zur »Funkhalle« führt, sei schon fertig. Und auch der neue Bahnhof, neben der direkten Anbindung des Messegeländes vor allem als Umsteigemöglichkeit von der Stadt zur Ringbahn gedacht, ging pünktlich am Montag, dem 10. Dezember 1928, morgens in Betrieb. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich von den ersten Minuten an die beiden Rolltreppen, damals – wie der »Lokal- Anzeiger« vermerkte – »im Eisenbahnbetrieb ein Novum«. Das »Berliner Tageblatt« lobte die »sehr glückliche architektonische Gestaltung«.
     Der Bau des Bahnhofes »Ausstellung«, 1926

begonnen, war Teil der sogenannten »Großen Stadtbahn- Elektrisierung«, für die der Verwaltungsrat der Deutschen Reichsbahn- Gesellschaft Anfang Juli 1926 143 Millionen Mark bewilligt hatte. Das Jahr 1928 gestaltete sich zum Höhepunkt dieser Entwicklung: Der bis dahin vorherrschende Dampfbetrieb wurde weitestgehend zurückgedrängt. So war am 11. Juni 1928 der elektrische Betrieb auf der Strecke Potsdam–Stadtbahn–Erkner aufgenommen worden, wodurch sich die Fahrzeit von 121 auf 90 Minuten verkürzte. Am 10. Juli folgte die elektrische Strecke Wannsee–Stahnsdorf, am 23. August die von Charlottenburg nach Spandau- West.
     Bis zum 20. März 1929 wichen auf der Stadtbahn und sämtlichen anschließenden Vorortstrecken nach Potsdam, Stahnsdorf, Spandau- West, Kaulsdorf, Erkner, Grünau und Spindlersfeld die Dampfzüge endgültig dem vollelektrischen Betrieb. Am 15. Mai 1929 war die Elektrifizierung auch des »Vollrings« abgeschlossen – jener Ringstrecke, die, durch den Mauerbau 1961 unterbrochen, erst in den nächsten Jahren wieder geschlossen werden soll. Als 1932 der Bahnhof »Ausstellung« in »Westkreuz« umbenannt wurde, schmückten ihn schon fast zwei Jahre die Schilder mit dem großen weißen »S« auf grünem Grund. Sie waren am 1. Dezember 1930 zusammen mit der offiziellen Bezeichnung »S-Bahn« (d. h. Schnell- Bahn) für Berlins elektrifizierte Stadt-, Ring- und Vorortbahnen eingeführt worden.

© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de